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Börsen-Zeitung: Populismus pur

Archivmeldung vom 04.10.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

In der Manege wird Siemens gejagt, und auf den Rängen fordert das Volk: ein Opfer, ein Opfer! Diesem Druck hat der Vorstand mit seiner Verschiebung einer Gehaltserhöhung nachgegeben - und dies per "Bild-Zeitung" der rasenden Masse offenbart. Außerdem wird, so wie der Kaiser im römischen Zirkus Getreidespenden verteilen ließ, ein Hilfsfonds gefüllt.

Cui bono? Die Geschenke im Altertum sicherten das Überleben armer Römer, und der Fonds hilft in Härtefällen. Das ist gut so, weil es menschlich ist. Nutznießer ist auch Siemens. Der Konzern und Chef Klaus Kleinfeld nehmen der Kritik die Spitze, und dies ist die richtige Taktik. Es war höchste Zeit für ein Signal des Entgegenkommens.

Trotzdem sind die Aktionen populistisch. Warum? Der zeitweise Verzicht auf das Gehaltsplus ist nicht Resultat eines Diskurses über den richtigen Zeitpunkt einer Erhöhung, sondern ein Reflex auf den Druck der Straße. In einem Jahr kann der 30%-Aufschlag genauso unangemessen sein wie heute, oder aber es können 50% richtig sein. Der Fonds, den die Aktionäre bezahlen, kann ebenfalls nicht vernünftig begründet werden. Mit dem Verkauf an BenQ endete die unternehmerische Haftung. Natürlich haben die Münchner auch eine moralische Verantwortung. Dieser sind sie gerecht geworden, indem sie hunderte Millionen Euro ins BenQ-Geschäft leiteten - doppelt so viel wie bei einer arbeitsplatzgefährdenderen Variante des Verkaufs. Der Populismus ist verständlich angesichts des Drucks, der sich auch in persönlichen Bedrohungen niederschlug. Der Konzern ist mit Argumenten nicht angekommen gegen populistischen Unsinn nach dem Strickmuster "Siemens hat Mitarbeiter arglistig bei BenQ entsorgt". Die Siemens-Reaktion ist dennoch schwer erträglich, denn sie ist eine Kapitulation der Ratio.

Am Beispiel Siemens wird implizit auch eine Standortdebatte geführt. Die Frage lautet: Bekennen sich Multis zu ihrer Verantwortung in der Heimat? Die Kritiker haben hier einen Pyrrhussieg errungen. Siemens füllt zwar den Hilfsfonds, wird aber wie andere Konzerne den Aufbau von Stellen noch stärker scheuen. Wenn sich die Öffentlichkeit für Hightech-Kompetenz in Deutschland mit gleicher Verve engagierte wie für die Massenfertigung von Handys, würde dies viel mehr als nur 3000 Arbeitsplätze retten. Aber komplizierte Themen eignen sich nicht für Populismus.

Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung

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