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LVZ: zu Regierungskrise in Italien

Archivmeldung vom 26.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Blickt man über die Alpen, kommt man unweigerlich ins Grübeln: Nur noch schlechte Nachrichten von Radio Italia. Die Abfallberge, die seit Wochen in Neapels Straßen verrotten. Die marode Alitalia, die von Air France-KLM vor dem sicheren Konkurs gerettet werden muss. Die Millionen Briefe, die seit Monaten nicht zugestellt werden und in einem Post-Verteilzentrum bei Mailand vergammeln.

Die Mafia, die mehr Umsatz macht als Fiat, der größte Industriekonzern des Landes. Und nun auch noch die Regierungskrise, die wohl das Ende der politischen Karriere Romano Prodis bedeutet. Der Gestürzte ist Vertreter einer rar gewordenen Spezies: Jener des gradlinigen, unkorrumpierbaren italienischen Politikers. Der Sturz des aufrechten Prodi symbolisiert den Kollaps eines Landes, dessen politische Elite sich zu lange nur mit sich selbst beschäftigte und die nicht fähig oder willens war, dem schleichenden Niedergang entgegenzuwirken. Die Art und Weise, wie Prodi stürzte, ist symptomatisch für die politische, moralische und kulturelle Krise, in der das System Italien steckt. Eigennutz und das Gefühl, über dem Gesetz zu stehen, charakterisieren das Denken und Handeln großer Teile der politischen Elite. Die Politik AG ist der größte Arbeitgeber des Landes: 160000 Berufspolitiker - Abgeordnete, Senatoren, Europaparlamentarier, Regional-, Provinz-, Kreis- und Kommunalräte bedienen sich aus den Honigtöpfen des Staates und kosten den Steuerzahler jährlich vier Milliarden Euro - während für die Schulen und Universitäten, also für Investitionen in die Zukunft, das Geld fehlt. Das System ist praktisch unreformierbar geworden: Die mit ihren dunkelblauen Dienstlimousinen allgegenwärtige politische Kaste - egal, welcher Couleur - ist nicht bereit, freiwillig ihre eigenen Gehälter, Privilegien und Einflussmöglichkeiten zu kappen. Die Hoffnung der Italiener, dass nach dem Schmiergeldskandal von 1992 und dem Untergang der diskreditierten Democrazia Cristiana und von Bettino Craxis Sozialistischer Partei eine neue Generation moderner, mehr dem Gemeinwohl als ihrem eigenen Portmonee verpflichteter Politiker in die erste Reihe treten werde, ist enttäuscht worden. Silvio Berlusconi, der das Land 1994 und dann von 2001 bis 2006 wie ein privates Unternehmen führte, hat den Eigennutz mit seinen Gesetzen und Amnestien für Steuer- und Bausünder zur Staatsräson gemacht. Romano Prodi, der von 1996 bis 1998 und von 2006 bis Januar 2008 jeweils etwas mehr als 600 Tage regierte, ist zweimal bei seinem Versuch, die Verkrustungen aufzubrechen, am Widerstand der Kaste und an den inneren Widersprüchen und kleinlichen Streitereien seiner heterogenen Koalition gescheitert. Die nächste Sendung von Radio Italiana wird nun wohl unter dem Titel "Berlusconi III - Die Rückkehr" über den Äther gehen. Offen ist bloß noch der Sendetermin - ob der Cavaliere schon im April durch Neuwahlen nach altem Wahlrecht oder einige Monate später unter einem neuen Gesetz zurück an die Macht gewählt wird. Ob aber ausgerechnet Berlusconi die dringend benötigte politische Erneuerung und den moralischen Aufbruch einleiten wird: Daran zweifeln auch die treuesten Hörer von Radio Italiana.

Quelle: Leipziger Volkszeitung (von Dominik Straub)

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