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Leipziger Volkszeitung zum Arbeitsmarkt

Archivmeldung vom 21.12.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn es ihn nicht wirklich gäbe, könnte man Henrico Frank für eine wild zugespitzte Figur im Blätterwald des Boulevards halten. Der bekannteste Arbeitslose Deutschlands ist der Beweis dafür, dass kein Klischee so treffend ist wie die Realität. Oder?

So argumentieren jedenfalls unisono politische Scharfmacher und die Stammtischrunden der Republik. Henrico Frank aus Wiesbaden ist das seltene Kunststück gelungen, gleichwohl Hartz-Gegner und Befürworter stärkerer Sanktionen gegenüber so genannten Sozialschmarotzern auf die Barrikaden zu treiben. Ein 37-jähriger Punk, der SPD-Chef Kurt Beck erst auf dem Weihnachtsmarkt angepöbelt und dann in der Mainzer Staatskanzlei mitsamt acht Jobangeboten hat sitzen lassen, muss als Abzocker sowie Opfer des gesellschaftlichen Establishments herhalten. Eine Aufgabe, bei der auch Frank die Worte wegbleiben.

Doch sein - von falschen Freunden aus der Szene der Hartz-Protestler fremd verordneter - Maulkorb ist wenig hilfreich. Denn Franks Leben ist kein Klischee, sondern traurige Realität: Die eines arbeitsunfähigen, vielleicht alkoholkranken, mit Sicherheit völlig orientierungslosen Menschen mit einem "Arbeit-ist-Scheiße"-Button, vier Handys und null Zukunft. Leider pöbelte er Beck an, der Leute wie den arbeitslosen Maurer kürzlich unter dem Sammelbegriff Unterschicht zusammenfasste. Der SPD-Chef empfahl Frank einen Stylingwechsel und dann - in völliger Verkennung der Lage - potenzielle Arbeitgeber. Das Ganze unter dem im Volksmund beliebten Motto: Wer Arbeit will, findet sie auch. Statt einen PR-Gag im Zeichen der Sozialdemokratie anzuzetteln, hätte Beck erkennen müssen, dass eine komplett gescheiterte Existenz wie Frank nicht von heute auf morgen das Straßenleben gegen eine geregelte Tätigkeit eintauscht.

Natürlich ist der Mann für sein Leben allein verantwortlich. Doch Spitzenpolitiker sind dies umso mehr, weil ihr Handeln immer Folgen für andere Menschen nach sich zieht - inklusive flotter Sprüche zwischen Glühwein und Lebkuchen. Man kann Becks Verhalten als Arroganz der Macht oder erschreckend naiv abtun. Fest steht, dass diese politische Demonstration auf billige Weise Ressentiments bedient und ein Schlag ins Gesicht der vier Millionen Arbeitslosen ist, die dringend einen Job suchen. Für sie greift kein Parteichef zum Telefon, um bei Bekannten ein paar Jobs klarzumachen. Waschen und Rasieren reicht halt nicht.

Dies zeigt nicht zuletzt die aktuelle Untersuchung zur Wirkung der Hartz-Reformen I bis III. Im Arbeitsministerium kommt man zu dem bitteren Ergebnis, dass viele Instrumente - Stichwort: Personal Service Agenturen, ABM - überhaupt nicht funktionieren oder sogar die Eingliederung von Arbeitslosen erschweren. 2007 werden alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen geprüft, die Hartz-IV-Debatte läuft garantiert weiter. Henrico Frank ist dann nicht mehr der bekannteste Arbeitslose Deutschlands, sondern eine traurige Fußnote, aus dessen Schicksal jeder das gelernt hat, was er vorher sowieso zu wissen glaubte.

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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