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Börsen-Zeitung: Deutschland im Überschwang

Archivmeldung vom 30.12.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Zufriedenheit, wohin man schaut in Deutschland. Der Einzelhandel meldet erstmals seit Jahren gute Zahlen, am Bau brummt es regelrecht, Elektroindustrie, Maschinenbau und chemische Industrie freuen sich über volle Auftragsbücher, die deutschen Autohersteller schwelgen im Absatzerfolg auf den Auslandsmärkten.

Der Exportweltmeister Deutschland klopft sich auf die Schultern. Die Steuereinnahmen übertreffen die Schätzungen, selbst die Arbeitslosenzahl sinkt unter 4 Millionen. Der Aufschwung ist für jedermann sichtbar geworden. Doch jetzt droht Überschwang. Die Stimmung ist besser als die Lage - in der Politik, in der Wirtschaft, an den Finanzmärkten.

In der Politik meint man die Hände bereits in den Schoß legen zu sollen. Es wird eine Reformpause gefordert, ehe wirkliche Reformen begonnen haben. Anstatt den wirtschaftlichen Rückenwind und die breite parlamentarische Mehrheit zu Strukturreformen zu nutzen, wird vom Ende der "Zumutungen" gesprochen. Die große Koalition der Volksparteien denkt an die Landtagswahlen im Jahr 2008, schaut dem Volk aufs Maul und setzt auf den starken Staat, der ein Sozialstaat sein soll. Den Bürgern wird verschwiegen, dass der Sozialstaat einen Zwillingsbruder hat, den Abgabenstaat. In Gestalt höherer Mehrwertsteuer und steigender Krankenkassenbeiträge werden ihn die Bürger im neuen Jahr zu spüren bekommen. Diese laufende Entmündigung des Bürgers, indem ihm die Entscheidungsgewalt über die Verwendung seines Einkommens weiter beschnitten wird, ist die wahre Zumutung.

In der Wirtschaft werden volle Auftragsbücher und steigende Gewinne extrapoliert. Dabei ist der Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit vor allem günstigeren Kostenstrukturen zu verdanken, sei es durch Rationalisierung oder durch Produktionsverlagerungen. Diese Prozesse sind nicht ständig wiederholbar. Niedrige Kapitalkosten und sinkende Lohnstückkosten haben mehr als Innovationen und neue Produkte zum steilen Anstieg der operativen Margen in den Unternehmen beigetragen. Doch die Gewinnsteigerungen verstellen den Blick darauf, dass die unternehmerische Basis erodiert, die Innovationskraft nachlässt. Leistungsträger suchen ihre berufliche Zukunft immer öfter im Ausland. Deutschlands demografisches Problem besteht nicht nur in der Überalterung an Jahren, sondern auch in der Überalterung im Wissen.

An den Finanzmärkten wird 2006 als Jahr der Aktie gefeiert. Die Aktienhausse geht ins fünfte Jahr, der Dax hat sich seit seinem Tief aus dem Frühjahr 2003 mit knapp 6600 Punkten gut verdreifacht. Bei den Börsenumsätzen fehlt nicht viel zum Rekordvolumen des Jahres 2000. Dennoch: 2006 war kein gutes Jahr für die Aktie. Als Instrument der Unternehmensfinanzierung hat sie stark an Bedeutung verloren. Eigenkapitalbeschaffung über die Börse ist Luxus, den sich die meisten Unternehmen sparen (können). Fremdkapital gibt es reichlich zu niedrigen Zinsen. Trotz der rund 200 Erstnotierungen in Deutschland sind mit Börsengängen nur 6,8 Mrd. Euro eingesammelt worden. Zum Vergleich: 1999 waren es 13 Mrd., im Jahr 2000 sogar 25,5 Mrd. Euro. Gemessen an der Börsenkapitalisierung liegt die Aufnahme neuen Eigenkapitals über die Börse auf dem Niveau der achtziger Jahre.

Auch als Akquisitionswährung ist die Aktie uninteressant geworden. Die meisten Transaktionen gingen 2006 in bar über die Bühne oder mit einem geringen Aktienanteil. An der Börse wird dies als Zeichen dafür gewertet, dass es am Aktienmarkt noch nicht zu einer Überhitzung gekommen ist und die Kursrally 2007 weitergeht. Diese Einschätzung könnte ein Trugschluss sein. Denn auf Einkaufstour sind auch Finanzinvestoren, die überhaupt nicht über eigene Aktien verfügen. Dafür haben sie die Taschen voller Milliarden von institutionellen Anlegern. Der Anlagedruck führt zu Preisen, die sich nur in Best-Case-Szenarien rechnen. Wenn die Notenbanken angesichts der Liquiditätsschwemme und Inflationsgefahr 2007 die Zinsen weiter anheben, werden viele Kalkulationen nicht mehr aufgehen.

Ein Schuss mehr Skepsis beim Blick aufs neue Jahr ist angebracht.

Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung

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