Freigekommener Kreml-Gegner kritisiert Gefangenenaustausch
Archivmeldung vom 07.08.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer russische Oppositionelle Ilja Jaschin kam im größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Ländern frei. Gegenüber dem "Spiegel" kritisiert er die Freilassung gegen seinen Willen.
"Ich wurde nicht ausgetauscht, ich wurde gewaltsam aus meinem Land 
vertrieben." Er habe in Russland bleiben wollen, unabhängig von den 
Risiken. In Russland wiege das Wort eines Oppositionellen mehr als im 
Ausland. "Es ist kaum zu begreifen, dass viele meiner unschuldigen 
Mitstreiter weiter hinter Gittern sitzen."
Jaschin war im 
Dezember 2022 zu achteinhalb Jahren Strafkolonie verurteilt worden, er 
hatte angeblich die russischen Streitkräfte verunglimpft. Jaschin 
erzählt, wie er während seiner Haftzeit seinen politischen Kampf 
fortsetzte, Texte schrieb, Interviews in Briefform gab und versuchte, 
andere Gefangene davon abzuhalten, in den Krieg zu ziehen. Dreien habe 
er es ausreden können, 30 seien an die Front gegangen. "Für die 
Gefangenen wurde der Krieg zu einer Partie Russisch Roulette. Großes 
Geld, hohes Risiko."
Dagegen anzukommen, sei schwer. Jaschin 
äußert sich auch zu den persönlichen Verlusten, der Ermordung des 
Oppositionspolitikers Boris Nemzow und des Kremlkritikers Alexej 
Nawalny. "Als Nawalny starb, war es, als hätte man mir ein Stück meines 
Herzens rausgerissen", sagte Jaschin. Dann habe er sich 
zusammengerissen, um Nawalnys Werk fortzusetzen.
Den russischen 
Angriffskrieg gegen die Ukraine bezeichnet Jaschin als einen Kampf 
zwischen Freiheit und Tyrannei. "Der Krieg ist mein persönlicher Krieg",
 erklärte er. Putin bezeichnet Jaschin als "Kriegsverbrecher". Jaschin 
bedauere, dass der Preis für seine Freiheit die Freilassung eines 
Mörders sei. "In Russland wird man weiter Menschen ins Gefängnis 
stecken, um sie später gegen Verbrecher und Spione auszutauschen."
Bundeskanzler
 Scholz, so Jaschin, habe den ausgetauschten Gefangenen bei ihrer 
Ankunft gesagt, er hoffe, das sei nicht der letzte Austausch. "Der 
Kanzler stand vor einem schweren Dilemma. Er hat mehrere Leben gerettet -
 und dafür einen Mörder in die Freiheit geschickt", sagte Jaschin. Er 
hätte so wie Scholz gehandelt.
Obwohl die Mehrheit der Russen den
 Angriffskrieg in der Ukraine unterstützt, will Jaschin die russische 
Bevölkerung nicht aufgeben. "Putin hat mein Volk als Geisel genommen", 
sagte er. Jaschin erinnerte daran, dass derzeit immer noch mehr als 
1.000 politische Gefangene hinter Gittern säßen.
Natürlich stehe 
ein Teil der Russen unter Einfluss des russischen Imperialismus, sagt 
Jaschin. "Doch statt alle anzuprangern, sollte man den verbliebenen 
Widerständlern signalisieren: Ihr seid nicht allein." Der Oppositionelle
 bleibt entschlossen, seinen politischen Kampf fortzusetzen: "Ich werde 
versuchen, mit dem weiterzumachen, wofür ich festgenommen wurde: Die 
Wahrheit über den Krieg zu sagen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur


        
        
      
      