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Siemens-Aufsichtsrat Hawreliuk: Korruptionsskandal kostete tausende Arbeitsplätze

Archivmeldung vom 24.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Schmiergeldskandal bei Siemens hat nach Einschätzung von Aufsichtsrat und IG-Metall-Funktionär Heinz Hawreliuk tausende Arbeitsplätze gekostet. Durch Korruptionszahlungen sei die wirtschaftliche Misere im ehemaligen Siemens-Telekommunikationsbereich "verschleiert, vertuscht und unter den Teppich gekehrt" worden, sagt Hawreliuk in der ZDF-Dokumentation "Der Fall Siemens: Der Konzern und die Korruption".

"Bei Siemens sind Arbeitsplätze verloren gegangen, weil die Schwächen des Bereichs von Korruptionszahlungen überdeckt worden sind, die zu künstlich zugeführten Aufträgen geführt haben." Die Bestechungspraktiken seien mitverantwortlich für die BenQ-Krise und den Niedergang der Siemens-Telekomsparte, so Hawreliuk weiter.

Bisher galten ausschließlich Managementfehler als Ursache für das Aus der Siemens-Telekommunikation. Das Handygeschäft ging 2006 an den taiwanesischen Konzern BenQ und endete ein Jahr darauf in einem Insolvenzdesaster. Mehr als 3.000 Beschäftigte in Deutschland verloren ihren Job. Im größten Schmiergeld-Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte geht es insgesamt um 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen.

In seinem ersten und bisher einzigen Fernsehinterview berichtet der ehemalige Siemens-Manager Reinhard Siekaczek, wie das Schmiergeldsystem funktioniert hat. Siekaczek hat das Netz der Schwarzen Kassen mit Wissen seiner Vorgesetzen aufgebaut: "Bei Siemens war es flächendeckend in fast allen Bereichen üblich, Schmiergeld zu bezahlen." Das sei im Konzern bekannt gewesen - wohl auch im Vorstand. "Die Zentralvorstände kamen fast alle aus dem eigenen Haus und waren in ihrer Karriere mit dem Thema beschäftigt", sagt Siekaczek im ZDF. Um Aufträge zu ergattern, fuhren Siemens-Manager mit Koffern voller Bargeld ins Ausland und schleusten Millionenbeträge über Tarnfirmen und Scheinkonten um die ganze Welt.

Bestechungsgeld hat Siemens aber offenbar auch im eigenen Konzern eingesetzt. 50 Millionen Euro sollen an die Betriebsräteorganisation AUB geflossen sein. Mit der heimlichen Finanzierung wollte der Konzern ein arbeitgeberfreundliches Gegengewicht zur IG Metall schaffen. Um unbequeme Gewerkschafter unter Druck zu setzten, nutzte Siemens auch andere Methoden: Der Konzern ließ 2003 Heribert Fieber, den damaligen Betriebsratsvorsitzenden der Siemens-Telekommunikationssparte, überwachen. Erstmals äußert sich der von Siemens beauftragte Detektiv vor der Kamera. Fieber erhebt in der Dokumentation schwere Vorwürfe gegen Siemens: "Es ging darum, wie ich als Betriebsrat durch Zufallsfunde so belastet werden kann, dass man mich hätte aus dem Amt jagen können. Das war eine Rufmord-Kampagne."

Besonders hohe Wellen schlägt der Fall Siemens in Griechenland. In Athen soll der Konzern Politiker und Parteien bestochen haben, um bei lukrativen Geschäften zum Zuge zu kommen - zum Beispiel beim griechischen Telefonkonzern OTE. Ein ehemaliger hochrangiger OTE-Manager schildert in der Dokumentation, wie Siemens bestochen hat, um Aufträge zu überhöhten Preisen abrechnen zu können. Als der OTE-Manager das System aufdecken wollte, wurde er gefeuert.

Um die Korruptionsaffäre aufzuklären, durchkämmen derzeit hunderte amerikanische Anwälte im Auftrag von Siemens die Geschäfte. Denn in den USA droht dem Konzern die größte Gefahr. "Wir werden es hier mit einer Bestrafung zu tun haben, die neue Rekorde setzen könnte. Im schlimmsten Fall muss Siemens mehrere Milliarden zahlen", sagt der amerikanische Korruptionsexperte Michael Hershman. Außerdem könne Siemens von amerikanischen Staatsaufträgen ausgeschlossen werden. Das wäre verheerend für den Konzern, der ein Großteil seiner Geschäfte in den USA macht. Dann stünden auch Arbeitsplätze an deutschen Siemens-Standorten auf dem Spiel, fürchtet Aufsichtsrat Hawreliuk.

Die Siemens-Führung unter dem neuen Vorstandschef Peter Löscher versucht die Firma nun aus dem Schmiergeldsumpf zu ziehen - durch radikale Anti-Korruptionsmaßnahmen und Schadenersatzforderungen an frühere Top-Manager wie Heinrich von Pierer. Der Fall Siemens hat Auswirkungen auf die gesamte deutsche Wirtschaft. Viele Konzerne rüsten sich gegen Korruption. Doch wie nachhaltig sind diese Bemühungen? Können die Unternehmen ohne Bestechung in korrupten Regionen der Welt überhaupt noch Geschäfte machen?

"Der Fall Siemens: Der Konzern und Korruption", ein Film von Michael Haselrieder und Karl Hinterleitner am Mittwoch, 1. Oktober 2008, 0.35 Uhr im ZDF.

Quelle: ZDF

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