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Schiffsfonds: Eine Ära geht zu Ende

Archivmeldung vom 17.07.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.07.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: klaas hartz / PIXELIO
Bild: klaas hartz / PIXELIO

Bei den Schiffsfonds jagt eine Hiobsbotschaft die andere: Betriebsfortführungskonzepte scheitern reihenweise, Insolvenzen stehen mittlerweile auf der Tagesordnung. Den Anlegern drohen hierbei Milliardenverluste. Das Produkt Schiffsfonds scheint vor dem Aus zu stehen. Der BSZ e.V. sprach deshalb mit dem BSZ e.V.-Vertrauensanwalt Dr. Heinz O. Steinhübel, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

Bund für soziales und ziviles Rechtsbewusstsein: Herr Dr. Steinhübel, was ist bei den Schiffsfonds eigentlich falsch gelaufen?

Dr. Steinhübel: Die Gründe für die wirtschaftliche Misere der Schiffsfonds sind vielseitig. Vereinfacht kann man aber sagen, dass aufgrund eines Überangebots von Schiffen einerseits und des weltweiten Konsumrückgangs andererseits die Schiffe kein kostendeckendes Niveau mehr erreichen.

BSZ: Sie sprechen von Überkapazitäten, wie konnte es hierzu kommen?

Dr. Steinhübel: Bis zur weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahre 2008 waren Schiffsfonds der Renner unter den geschlossenen Fonds. Der Containerumschlag boomte und die Schiffe konnten satte Gewinne verbuchen, welche zudem seit einer Gesetzesänderung im Jahre 1999 nur einer sehr geringen Versteuerung unterliegen. Die Renditen für die Anleger waren daher beträchtlich. Da man weiterhin von einem wachsenden Markt ausging, galten solche Schiffsfondsbeteiligungen auch als überwiegend sicher. Hohe Renditen, steuerliche Vorteile und Sicherheit waren seither die Verkaufsargumente der Banken und freien Finanzdienstleister. Die Emissionshäuser nahmen dies zum Anlass und platzierten im Laufe der Zeit unzählige Schiffsfonds. Das Angebot reicht mittlerweile von sogenannten Einzelfonds, über Flottenfonds bis hin zu Dachfonds. Bis heute konnten über 250.000 deutsche Anleger mit einem Investitionsvolumen von rd. 30 Mrd. Euro für diese Form der Kapitalanlage gefunden werden. Ein Ende scheint hingegen nicht in Sicht. Immer noch kommt es seitens der koreanischen und chinesischen Werften aufgrund vergangener Aufträge zu Neubauablieferungen. Der Markt wurde und wird damit regelrecht überschwemmt. Ein gesundes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage gibt es schon lange nicht mehr.

BSZ: Warum hat sich die Prognose, der Markt werde weiter wachsen, nicht bewahrheitet?

Dr. Steinhübel: Als die Immobilienblase in den USA platzte und weltweit zahlreiche Banken einknickten, kam es nur noch zu einer sehr restriktiven Kreditvergabe. Vor allem mittelständische Unternehmen, welche auf kurzfristige Kredite angewiesen waren, gerieten hierdurch in Liquiditätsengpässe. Aufträge blieben aus oder konnten gar nicht erst ausgeführt werden. Kündigungen und Kurzarbeit prägten die Arbeitsmärkte, was wiederum dazu führte, dass Verbraucher ihre Gelder zurückhielten und den Konsum stark zurückschraubten. Die geringe Nachfrage auf privater und unternehmerischer Seite hatte auch zur Folge, dass deutlich weniger Handel betrieben wurde. Allein im Hamburger Hafen ging der Containerumschlag bereits Ende 2008 stark zurück und erreichte 2009 ein Minus von ca. 30%. Ein Rückgang mit verheerenden Folgen.

BSZ: Nun haben sich ja auch weite Teile der Weltwirtschaft wieder erholt, Banken wurden gestützt und Vertrauen wurde wieder hergestellt. Wieso kommen die deutschen Schiffsfonds dennoch nicht mehr in Fahrt?

Dr. Steinhübel: Der Grund hierfür ist insbesondere konzeptioneller Natur. Das Gesamtfinanzierungsvolumen der allermeisten Schiffsfonds in Deutschland besteht zu einem Teil aus Eigenkapital der Anleger und zu einem anderen Teil aus Fremdkapital, wobei letzteres in aller Regel überwiegt. Die kreditfinanzierenden Banken wollen natürlich ihre Darlehensforderungen bedient wissen. Da die Fremdkapitalquote oftmals bei 60% und mehr liegt, haben die Schiffe der Fonds mächtig zu rudern, um die für die jährlichen Tilgungsraten erforderlichen Einnahmen überhaupt erwirtschaften zu können. Verschärfend kommt hinzu, dass die Kredite häufig in einer fremden Währung valutieren, d.h., entwickeln sich die Kurse ungünstig, werden die Kredite schnell zu einem Fass ohne Boden. Über Rücklagen verfügen die Schiffsfonds meistens auch nicht, da weite Teile des Eigenkapitals für horrende Provisionen für den Vertrieb und sonstige weiche Kosten verwendet werden. Viel bleibt da nicht mehr übrig. Man kann sagen, dass die Schiffsfonds überempfindlich konzipiert wurden und sehr schnell mit dem Rücken zur Wand stehen, wenn die Charterraten nicht mehr ausreichen. Genau dieses Szenario macht nun die Runde. Ein Überangebot von Schiffen auf dem Markt sowie eine nach wie vor schwächelnde Konjunktur drücken die Charterraten. Viele der Schiffe wurden deshalb auch schon zum Auflieger, also arbeitslos. Banken sehen sich diese Entwicklung natürlich nicht gerne an und drohen damit, aus der Finanzierung auszusteigen. Das Schicksal eines Fonds ist dann schnell besiegelt.

BSZ: Wie versuchen sich die Fondsgesellschaften hier zu helfen?

Dr. Steinhübel: In letzter Zeit kann man verstärkt beobachten, wie die Fondsgesellschaften versuchen, sog. "Betriebsfortführungskonzepte" umzusetzen. In aller Regel werden die betroffenen Anleger aufgefordert, Ihre Ausschüttungen zurückzuzahlen oder den Fondsgesellschaften neues Kapital zur Verfügung zu stellen. Bis auf wenige Ausnahmen waren die angedachten Konzepte aber nicht dauerhaft tragfähig, sondern erwiesen sich allenfalls als Strohfeuer. Im Falle der Zuführung von Neukapital haben die Anleger meistens gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen.

BSZ: Erst kürzlich berichtete die Financial Times Deutschland, dass die Lloyd Fonds AG beabsichtigt, notleidende Fonds in eine sog. "Auffanggesellschaft" auszugliedern. Kann man sich hiervon etwas erhoffen?

Dr. Steinhübel: Auffanggesellschaften machen nur dann Sinn, wenn das insolvenzgefährdete Unternehmen konkurrenzfähige Produkte oder Dienstleistungen anbieten kann. Nur in diesem Fall ist der Weiterbetrieb über die Auffanggesellschaft sinnvoll. Genau hier besteht aber das wesentliche Problem. Die von der Lloyd Fonds AG geplante Auffanggesellschaft namens "Ocean 16", bei der 16 sogenannte Einschiffsgesellschaften zusammengeführt werden sollen, wird keine Neuerungen für den Markt bringen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich diese Flotte besser verchartern oder zu besseren Konditionen vermarkten lässt als andere. Der Markt bestimmt die Nachfrage und insoweit gibt es modernere und vor allem jüngere Flotten, die derzeit das gleiche Problem haben. Selbst wenn man sich von einer solchen Auffanggesellschaft einen Vorteil erhoffen mag, so werden unterm Strich allenfalls die Banken davon profitieren. Rückflüsse an die Anleger dürften die Ausnahme bleiben.

BSZ: Was ist denn nun sozusagen der "worst case" für die Fonds bzw. für die betroffenen Anleger?

Dr. Steinhübel: Im schlimmsten Fall droht dem Schiffsfonds die Zahlungsunfähigkeit. Regelmäßig ist das der Fall, wenn der Fonds seinen Darlehensverbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann. Das Prozedere ist dann immer dasselbe. In einem ersten Schritt fordert der Insolvenzverwalter in aller Regel von den Anlegern die erhaltenen Ausschüttungen zurück. In einem zweiten Schritt kommt dann das Fondsvermögen unter den Hammer. Die Schiffe werden hierbei regelmäßig weit unter dem eigentlichen Wert verkauft. Häufig reicht der Erlös nicht einmal mehr aus, um die noch ausstehenden Kreditverbindlichkeiten zu bedienen. Anleger erleiden dann den gefürchteten Totalverlust ihrer Einlage.

BSZ: Sind denn jetzt alle Anlagegelder in Schiffsfonds verloren?

Dr. Steinhübel: Nein, die Erfahrung zeigt immer wieder, dass Schiffsfondsbeteiligungen zu den meisten Anlegern überhaupt nicht passen. Hintergrund für das Fehlinvestment ist häufig eine mangelhaft durchgeführte Anlageberatung. Banken und freie Finanzdienstleister scheuen regelmäßig eine ordnungsgemäße Aufklärung über die gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Risiken einer solchen Fondsbeteiligung, da sie genau wissen, dass sie diese Form der Kapitalanlage sonst nicht verkauft bekommen. Gerade aber der Verkauf solcher Fondsanteile spielt dem Vertrieb die meisten Provisionen ein. Anleger wissen hiervon meistens nichts und vertrauen insbesondere bei ihrer Hausbank auf eine objektive Beratung. Die Rechtsprechung hat sich hier sehr anlegerfreundlich entwickelt und die Banken verstärkt in die Pflicht genommen. Neben einer sog. "anlage- und anlegergerechten Beratung" schulden Kreditinstitute zudem eine Aufklärung über die erhaltenen Provisionen. Werden die Aufklärungspflichten verletzt, stehen dem Anleger Schadensersatzansprüche zu, die ihn Rückabwicklung der Fondsanteile berechtigen. Er muss dann so gestellt werden, als hätte er die Fondsanteile nie erworben. Die Zeit wird quasi zurückgedreht.

BSZ: Wie sind die Erfolgsaussichten eines solchen Schadensersatzprozesses zu beurteilen?

Dr. Steinhübel: Es kommt natürlich immer auf den Einzelfall an. Bei sorgfältiger Bearbeitung des Falles sind aber sehr häufig positive Ergebnisse zu erzielen. Die Kanzlei Dr. Steinhübel Rechtsanwälte hat schon in zahlreichen Fällen bei geschlossenen Fondsbeteiligungen obsiegende Urteile erstritten. Oftmals konnten bei den Schiffsfonds auch außergerichtliche Vergleiche mit Banken geschlossen werden.

BSZ: Herr Dr. Steinhübel, vielen Dank für das Gespräch.

Für die Prüfung von Ansprüchen aus Kapitalanlagen in Schiffsfonds durch Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, hat der BSZ e.V. die Interessengemeinschaft "Schiffsfonds" gegründet. Es bestehen gute Gründe hier die Interessen zu bündeln und prüfen zu lassen und der Interessengemeinschaft beizutreten.

Quelle: Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V. (News4Press)

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