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Steuern belasten Eigenkapital

Archivmeldung vom 09.06.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.06.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die deutschen Unternehmen haben zu wenig Eigenkapital. Schuld daran sind vor allem Steuernachteile. In Deutschland wird das Eigenkapital mit 48,34 Prozent Steuern belastet, Fremdkapital dagegen nur mit 28,96 Prozent. Nur noch jedes deutsche Unternehmen über 200 Mitarbeiter bietet seinen Angestellten Kapitalbeteiligungen an. In Frankreich und den Niederlanden macht das jede fünfte Firma, in Großbritannien jedes dritte Unternehmen.

Auf diesen Miss-Stand weist der Vorstandsvorsitzende von Deutschlands größtem Finanzdienstleister, der Allianz SE (Europa-AG) aus München (Bayern), Michael Diekmann (54), hin und hat dazu ein Positionspapier zur Stärkung des Eigenkapitals erarbeitet.

Warum das Eigenkapital für deutsche Unternehmer so wichtig ist, erklärt der Allianz-Chef dem Finanznachrichtendienst www.gomopa.net so: "Eigenkapital ist die wichtigste Grundlage für die Unternehmensfinanzierung. Eine gute Eigenkapitalquote verbessert die Ratings, sorgt für unternehmerische Handlungsspielräume und fördert Innovation, Wachstum und Arbeitsplätze. Gleichzeitig helfen Investitionen in Unternehmen den Anlegern, ihre Altersvorsorge gegen die demografische Entwicklung abzusichern und Vermögen aufzubauen. Gleichzeitig ist jedoch mit großer Sorge zu beobachten, wie die Attraktivität von Investitionen in das Eigenkapi­tal deutscher Unternehmen mit stark zunehmender Ten­denz nachlässt. Dies hat nicht nur negative Auswir­kungen auf die institutionellen Investoren und privaten Verbraucher. Letztere werden insbesondere in ihren Möglichkeiten zur langfristigen privaten Altersvorsorge stark eingeschränkt. Die mangelnde Attraktivität von Investitionen in das Eigenkapital beeinträchtigt auch den Wirtschaftsstandort Deutschland."

Ein Indikator ist der Stellenwert, den Aktien in Deutschland einnehmen. Die Zahlen sind kritisch und belegen: Aktien sind zunehmend unattraktiv für deutsche Anleger. So sank nicht nur der Deutsche Aktienindex (DAX) im letzten Jahr um 40 Prozent. Auch die Zahl der deutschen Aktionäre an der Gesamtbevölkerung hat sich seit dem Jahr 2000 mit einem Anteil von 9,7 Prozent der Bevölkerung auf jetzt 5,4 Prozent (2008) fast halbiert und liegt damit sogar noch weit unter dem Niveau von 1992. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen. Nur rund fünf Prozent der Deutschen legen ihr Geld in Aktien an. Damit ist Deutschland Schlusslicht bei den Industrienationen. In den Niederlanden sind 30 Prozent der Einwohner Aktionäre, in Japan 27,7 Prozent, in den USA 25,4 Prozent, in Großbritannien 23 Prozent und in Frankreich 14,5 Prozent. Auch die Aktienquoten institutioneller Anleger sind gesunken: Lebensversicherer legen im Durchschnitt nur noch 7 Prozent (2008) ihrer Gelder in Aktien an, im Jahr 2000 waren es noch 23 Prozent.

Die Mehrheit der Aktionäre in Deutschland sind Arbeitnehmer, Beamte und Rentner

Und die deutschen Unternehmer selbst kaufen dabei am wenigsten. Es sind die Nicht-Unternehmer, die in Aktien investieren. Nimmt man die absoluten Zahlen aller deutschen Aktionäre, also unabhängig vom Anteil an der Gesamtbevölkerung, ergibt sich folgendes Bild: Von den 8,8 Millionen Aktienanlegern Ende 2008 waren 5,1 Millionen Beamte, Angestellte oder Arbeiter. Weitere 2,3 Millionen waren Rentner beziehungsweise Pensionäre, etwa 900.000 Hausfrauen und Personen in Ausbildung. Und nur etwa eine knappe Million waren Selbständige oder Freibe­rufler.

Zahl der Belegschaftsaktionäre sank in zehn Jahren um die Hälfte

Aus vermögenspolitischer Sicht alarmierend ist der wei­tere Rückgang der Belegschaftsaktionäre im zweiten Halbjahr 2008, deren Zahl von 1 Million um 115.000 (11,5 Prozent) auf nur noch 885.000 sank. Dies bedeutet gegenüber der Höchstzahl der Belegschaftsaktionäre im Jahr 1998 (1,7 Millionen) einen Rückgang um 46,4 Prozent. Die Zahl der an ihrem Arbeitgeber im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungspro­grammen beteiligten Arbeitnehmer hat sich in den letz­ten zehn Jahren praktisch halbiert.

Die Zahl der Anleger in Aktien- und gemischten Fonds sank im zweiten Halbjahr 2008 von 7,7 Millionen um 1,1 Mio. (1,3 Prozent) auf 6,6 Millionen. Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2001 bedeutet dies einen Rückgang um 3,2 Millionen beziehungsweise 32,4 Prozent.

Anreize für Unternehmensbeteiligungen fehlen in Deutschland

Diekmann: "Besonders dramatisch ist, dass den Investoren in Deutschland gerade jetzt die Anreize fehlen, sich an den Unternehmen zu beteiligen", sagt Diekmann. "Die Stärkung des Eigenkapitals deutscher Unternehmen, deren Quote insbesondere bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) international unterdurchschnittlich ist, wird dabei zu einem Schlüsselthema."

Was ist zu tun?

Diekmann: "Wir wollen dabei nicht tatenlos zusehen, sondern mit praktikablen Vorschlägen einen Beitrag zur Trendwende leisten. Die Allianz hat daher 18 Vorschläge für die Bereiche Anlegerschutz, Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung, Besteuerung sowie Aufsicht und Rechnungslegung entwickelt, die die Eigenkapitalnachfrage in Deutschland beleben sollen."

Anlegerschutz

Diekmann: "Der mündige Bürger entscheidet über seine Geldanlage. Eine Anlageberatung muss sich an seinen individuellen Bedürfnissen orientieren und durch eine schriftliche Dokumentation verbindlich Sicherheit geben. Produktinformationen sollten weniger komplex, verständlich und durch europaweite Standards vergleichbar sein. Finanzbildung bereits an den Schulen sollte dafür sorgen, dass der Anleger später seine drei wichtigsten Ziele umsetzen kann: Schulden vermeiden, Vermögen aufbauen und rechtzeitig für das Alter vorsorgen. Helfen kann dabei eine staatlich zertifizierte Informationssammlung, eine Art Führerschein Geld, als gemeinsamer Standard für Verbraucherschützer und Anbieter."

Diekmann weiter: "Ein wichtiges Element des Anlegerschutzes ist und bleibt das Recht des Aktionärs – und nicht des Staates – über die Dividendenzahlung seines Unternehmens zu entscheiden."

Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung

Diekmann: "Die Zahl der Belegschaftsaktionäre ist von 1,7 Millionen (2000) auf 885.000 (2008) zurück gegangen. Dabei ist die Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung ein Angebot auch für kleinere und mittlere Einkommen und sollte daher gefördert werden. Bei den Mitarbeiterbeteiligungs-Sondervermögen wurde jedoch festgelegt, dass maximal 40 Prozent in Aktien investiert werden dürfen, und dass 60 Prozent in die beteiligten Unternehmen investiert werden müssen. Diese Auflagen sollten aufgehoben werden, denn sie führen zu einem vergleichsweise undiversifizierten, kumulierten Anlagerisiko. Um die Verbreitung des Angebots zu fördern, sollten auch Lebensversicherungsgesellschaften als Anbieter zugelassen werden."

Besteuerung

Diekmann: "Eigenkapital ist in Deutschland mit mindestens 48,34 Prozent steuerlich erheblich höher belastet als Fremdkapital (28,96 Prozent). Hier machen sich die Abschaffung des körperschaftsrechtlichen Anrechnungsverfahrens sowie die Einführung der Abgeltungssteuer mit der Aufhebung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen (nach einem Jahr) bemerkbar. Aber auch andere Faktoren, wie die Tatsache, dass Aktienveräußerungsverluste nur noch gegen Aktienveräußerungsgewinne verrechnet werden können, oder die Gewerbesteuer auf Streubesitz für institutionelle Investoren, machen Aktien immer weniger attraktiv.

Einfache Abhilfe könnte eine Besteuerung von Aktienerträgen (Dividende und Veräußerungsgewinne) mit der hälftigen Abgeltungssteuer leisten und so das aktienspezifische Anlagerisiko gegenüber festverzinslichen Papieren (volle Abgeltungssteuer) angemessen ausgleichen. Zudem sollten Veräußerungsverluste wieder mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen verrechnet werden dürfen und die Gewerbesteuer auf Streubesitz beseitigt werden. Nicht eingeführt werden sollte eine Börsenumsatzsteuer, da sie eine Zusatzbelastung unabhängig von der Rendite darstellt. Zudem würde der Handel in Deutschland zu Gunsten ausländischer Börsen zurückgehen, die eine derartige Belastung nicht kennen - mit negativen Folgen für die inländische Beschäftigung.

Bei Lebensversicherungen, bei denen eine Kapitalauszahlung nach zwölf Jahren Laufzeit und ab Endalter 60 erfolgt, sollte eine Besteuerung des Wertzuwachses mit der hälftigen Abgeltungsteuer erfolgen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Lebensversicherungen in der Regel partiell mit einer bestimmten Aktienquote unterlegt sind. Die Besteuerung des vollen Wertzuwachses mit hälftiger Abgeltungsteuer würde nicht nur Wettbewerbsgesichtspunkten Rechnung tragen, sie würde darüber hinaus für eine drastische Verwaltungsvereinfachung und damit für einen erheblichen Bürokratieabbau sorgen."

Aufsicht

Diekmann: "In Zeiten einer zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft sind nationale Aufsichtsbehörden keine ideale Lösung mehr. Auch wenn sich das neue europäische Aufsichtssystem in diesem Punkt nicht durchsetzen konnte, so bringt Solvency II dennoch einige wertvolle Verbesserungen. So wird zukünftig das Risikomanagement der Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Bewertung des Eigenkapitalbedarfs spielen. Um dem jeweiligen Geschäftsmodell gerecht zu werden, können auch interne Modelle zur Risikokapitalberechnung herangezogen werden. Nun gilt es noch, Maßnahmen zu entwickeln, die den in der Finanzkrise erkannten prozyklischen Mechanismen entgegenwirken."

Rechnungslegung

Diekmann: "In der Finanzkrise kam es an den Börsen zu erheblichen Wertschwankungen. In Zeiten hoher Volatilität führen enge Abschreibungsregeln zu signifikanten Abschreibungen, die jedoch nicht im Sinne einer nachhaltigen Erfolgsmessung sind. Es stellt sich seither die Frage, wie diesem mit großer Wahrscheinlichkeit krisenverstärkenden Effekt entgegengewirkt werden kann, ohne dabei einen Bewertungsmissbrauch zu fördern.

Eine Berücksichtigung des Investitionszeitraums, also die kurz- oder langfristige Halteabsicht, kann bei der Bewertung von Kapitalanlagen zu einem realitätsnäheren und weniger volatilen Ergebnis führen. Ändert sich die Investitionsabsicht, sollte eine entsprechende Umklassifizierung möglich sein. Bereits wertberichtigte Anlagen sollen erst dann weiter abgeschrieben werden müssen, wenn die Wertberichtigungshürden erneut erfüllt sind. Unrealisierte Wertschwankungen sollten weiterhin ergebnisneutral im Eigenkapital erfasst werden." 

Quelle: GoMoPa (Siegfried Siewert)

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