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“Ley Mordaza”: Kehrt Spanien jetzt zum Franco-Polizeitstaat zurück?

Archivmeldung vom 18.07.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.07.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Fotomovimiento, on Flickr CC BY-SA 2.0
Bild: Fotomovimiento, on Flickr CC BY-SA 2.0

"Jetzt wird wirklich die ganze Welt zu einer DDR." Diesen Satz schickte ein Leser des Nachrichtenportal ExtremNews an die Redaktion und verwies dabei auf ein neues Gesetz, das in Spanien seit dem 01. Juli 2015 in Kraft getreten ist. Durch das Gesetzespaket “Ley Mordaza”, dass auch als “Maulkorbgesetz” bezeichnet wird, wird quasi jegliche Art von Versammlung und Meinungsäußerung, die der politischen Obrigkeit nicht gefällt, unter Strafe gestellt.

Gerhard Spannbauer, der die Webseite "Krisenvorsorge" betreibt, schreibt in seinem Blog zu “Ley Mordaza”: "Seit dem 1.7. ist in unserem beliebtesten Urlaubsland ein Gesetzespaket in Kraft, dass man beim besten Willen nicht mehr mit einem freiheitlichen Rechtsstaat in Verbindung bringen kann: das “Ley Mordaza”, oder auch “Maulkorbgesetz” macht im Grunde jede Art von Versammlung und Meinungsäußerung strafbar, die der politischen Obrigkeit nicht gefällt. Dazu gehören nicht nur Proteste gegen die Regierung selbst, sondern auch die gegen Austeritätspolitik und die vielen Zwangsräumungen. Die Höhe der Geldbußen, die bei einer Unzahl an geradezu lächerlichen “Vergehen” verhängt wird, ist teils so absurd, dass man an einen verspäteten Aprilscherz glaubt, wenn das Ganze nicht als bitterer Ernst belegt wäre:

  • Wer (prügelnde) „Sicherheitskräfte“ fotografiert und die Bilder verbreitet, kann mit Strafen von bis zu 30.000 Euro rechnen
  • Wer die Position einer Demonstration über soziale Netzwerke teilt, kann für die Durchführung eines „terroristischen Akts“ verurteilt werden
  • „Whistleblowing“ wird nun als terroristischer Akt definiert
  • Der Besuch von als „terroristisch“ eingestuften Webseiten, selbst zu investigativen/journalistischen Zwecken, macht Sie möglicherweise bereits zum Mittäter
  • Witze und Satire gegen die spanische Königsfamilie sind, je nach Auslegung, ein Verbrechen
  • Spanische Abgeordnete dürfen nicht mehr öffentlich auf falsche Versprechen vor Wahlen aufmerksam gemacht werden
  • Proteste gegen Umweltverschmutzung durch Unternehmen werden mit 601 bis 30.000 Euro geahndet
  • Proteste vor dem spanischen Parlament sind nun illegal und werden mit Strafen in Höhe von 601 bis 30.000 Euro geahndet
  • Wer einem Polizisten nicht mit Respekt begegnet, kann an Ort und Stelle mit 100 bis 600 Euro bestraft werden
  • Wer sich weigert etwa eine Sitzdemo trotz Aufforderung durch einen Beamten nicht zu verlassen, wird mit 100 bis 600 Euro bestraft
  • Wer sich der Aufforderung eines Polizisten widersetzt, etwa eine Demonstration zu verlassen, wird mit 601 bis 30.000 Euro bestraft
  • Schreiben Sie etwas im Internet, was „den Frieden stört“, ist das von nun an ein Verbrechen. Blogger aufgepasst – welcher Frieden genau gemeint ist, wurde noch nicht definiert
  • Mit 30.000 bis 300.000 Euro wird belangt, wer “ohne Genehmigung” protestiert. Dazu kommt noch eine Strafe von 600 bis 300.000 Euro für das “Stören von öffentlichen Veranstaltungen”.

Das Demonstrieren gegen dieses neue Maulkorbgesetz ist selbstverständlich ebenfalls verboten. Das Versammlungsverbot betrifft sogar unpolitische Zusammenkünfte von Jugendlichen, die einfach nur Spaß haben wollen: “Botellónes sind jetzt verboten, das traditionelle Treffen von Freunden im Freien, um gemeinsam etwas zu trinken, wird mit 600 Euro bestraft. Die Menschen haben gefälligst zu arbeiten (wenn sie überhaupt einen Job haben), oder sonst im Haus zu bleiben und die Schnauze zu halten.”

Die Rajoy-Regierung zeigt hier ihre Art von Antwort auf die anhaltenden Massenproteste der letzten Jahre. Auf den Druck von der Straße wird mit mehr Druck von oben reagiert. Polizisten und Sicherheitskräfte werden durch die Gesetze dazu angehalten, sich autoritär und aggressiv zu verhalten. Das Gesetzespaket leistet dabei nicht nur gute Dienste bei der Eindämmung und Kontrolle der Bevölkerung, sondern auch der Opposition. Wir sehen hier die konsequente Fortsetzung einer politischen Linie, die auch hierzulande beharrlich vorangetrieben wird – wenn auch vorerst nur verbal durch konsequente Anwendung der Vokabel “alternativlos”. “Die Machthaber scheinen davon überzeugt zu sein, dass die Menschen nicht verstehen was gut für sie ist und möchten ihnen darum ihren Willen mit Gewalt aufzwingen. Der Tod aller persönlichen Freiheiten wartet direkt vor unserer Haustür.”

Wie kann sich solch eine Gesetzesinitiative, die “bei uns” momentan noch undenkbar wäre, in Spanien einfach durchsetzen? Mögliche Erklärungen hierfür liegen in der nach wie vor weiten Verbreitung von Franquistisch-faschistischen Ideen, der besonders tiefen Spaltung zwischen Konservativen und Progressiv-Liberalen sowie der (üblichen) Gespaltenheit der Linken.

Gefährlich wirkt diese Gemengelage allemal, erst recht wenn man die ungewöhnlichen Militärübungen der spanischen Armee und die staatliche Aufrüstung im letzten Jahr noch ins Bild hinzunimmt. Auf die Gefahren, die mit den autoritärer werdenden (meist neoliberal-technokratischen) Regierungen nicht nur in Spanien auf die Bevölkerungsmehrheiten zukommen, weisen wir an dieser Stelle regelmäßig hin. Die Szenarien, die bis zu dauerhaften Bürgerkriegszuständen zwischen Finanzkartell-Handlanger-Regierungen und ihren an der immer kürzeren Leine gehaltenen Bevölkerungen reichen, wirkten bislang vielleicht überzogen. Doch mit Spanien haben wir einen ersten “Präzedenzfall”, der ohne Maskierungen zeigt, dass zumindest willfährige Handlanger wie Rajoy und seine PP-Administration kein Problem mit Krieg gegen das eigene Volk haben und jederzeit bereit für eine Rückkehr zum autoritären Polizeistaat sind."

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