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Finanzexperte Wolff: Ziel der USA ist ein Regime Change in der Türkei

Archivmeldung vom 20.08.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.08.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
An election campaign poster featuring Erdoğan: "Istanbul is Ready, Target 2023", Taksim Square, Istanbul.
An election campaign poster featuring Erdoğan: "Istanbul is Ready, Target 2023", Taksim Square, Istanbul.

Foto: Myrat
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die Türkei gerät unter dem Druck der US-Sanktionen immer mehr ins Strudeln. Präsident Recep Erdogan sucht international nach Geldgebern, auch in Deutschland. Der Finanzexperte Ernst Wolff hält die Sanktionen der USA für den Versuch eines Regime Change und warnt vor einem hochgehenden Pulverfass. Am Ende könnte eine globale Finanzkrise stehen.

Im Interview mit Armin Siebert vom russischen online Magazin "Sputnik" heißt es: "Herr Wolff, wie ernst ist die Lage in der Türkei?

Ich denke, die Lage in der Türkei ist ziemlich ernst, weil die Amerikaner die Regierung Erdogan im Moment ganz stark unter Druck setzen. Es ist offensichtlich das Ziel der USA, einen Regime Change herbeizuführen. Das Problem ist die große Gemengelage in der Türkei: das Problem mit den Kurden, der Syrien-Krieg oder die Rolle, die die Türkei in der Neuen Seidenstraße spielen soll. Das ist, wie wenn man eine Lunte an ein Pulverfass legt – da kann das ganze Ding hochgehen.

Aber die Türkei ist doch Nato-Mitglied, und zwar ein strategisch besonders gut gelegenes. Das können doch die USA nicht verlieren wollen?

Ich denke auch nicht, dass sie die Türkei verlieren wollen, sondern dass die Politik der USA im Moment hauptsächlich darauf abzielt, dem Regime Erdogan ein Ende zu bereiten. Das hat man schon bei dem Coup vor zwei Jahren gesehen, bei dem die Amerikaner im Hintergrund sicher auch mit beteiligt waren. Ich glaube, die USA möchten da lieber eine Regierung haben, die ihnen hörig ist. Erdogan betreibt tatsächlich immer wieder so eine Politik wie früher der Tito in Jugoslawien, also zwischen den Blöcken hin und her zu manövrieren.

Gerade der Coup vor zwei Jahren hat doch Erdogan nur stärker gemacht. Freiwillig wird er bestimmt nicht gehen.

Freiwillig wird er bestimmt nicht gehen. Aber bisher hat noch kein Diktator überlebt, wenn ihm die Währung kaputt gemacht wird und es ganz erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten im Land gibt. Und genau daran arbeiten die Amerikaner. Die Türkei hat im Moment eine Inflationsrate von um die 15 Prozent. Der Absturz der Lira wirkt sich natürlich auch auf die Preise aus. Die Leute werden so schon unzufriedener werden mit dem Regime, und das kann zu sozialen Unruhen führen. Wir wissen, wie die Amerikaner so etwas machen. Die heizen das von hinten an und warten. Die Politik der USA setzt auf globale Destabilisierung, um ihre eigene Macht zu stärken.

Erdogan wird jetzt von allen Seiten gedrängt, sich doch um Hilfe an den Internationalen Währungsfonds zu wenden. Warum macht der türkische Präsident das nicht?

Das Problem ist, dass der IWF ihm harte Bedingungen diktieren würde, die beim Volk sicher unbeliebt wären. Gewöhnlich müsste der Mindestlohn gesenkt werden, Sozialausgaben würden gekürzt werden, und es würde zu Einsparungen im Staatshaushalt kommen. Das würde Erdogan seinem Volk entfremden. Darum versucht er, das zu vermeiden.

Auf der anderen Seite haben sich Länder bereiterklärt, der Türkei Kredite zu geben und zu investieren. Katar zum Beispiel. Auch in Deutschland wird darüber diskutiert. Kann die Türkei sich so stabilisieren?

Ich glaube nicht, dass sie die Türkei allein damit retten können. Ich meine, der Kredit von Katar – das sind 15 Milliarden – das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das eigentliche Problem ist, dass die Türkei dem dollardominierten Finanzsystem insgesamt nicht entkommen kann, egal an wen sie sich wendet.

Wer ist denn wirtschaftlich besonders verbandelt mit der Türkei? Beziehungsweise welche Handelspartner sind von der jetzigen Krise besonders betroffen?

Die Krise ist im Moment in erster Linie eine Finanzkrise. Entsprechend sitzen hier die großen Banken im Westen, die der Türkei Geld geliehen haben, mit im Boot. Soweit man das weiß, sind dies in erster Linie spanische und italienische Banken. Und die Finanzsysteme in diesen beiden Ländern stecken eh schon in riesigen Problemen. Aber etwas, das in den Mainstreammedien so gut wie nie berichtet wird, ist, dass diese ganzen Kredite noch einmal hinten rum über sogenannte Derivate versichert sind. Das heißt, dass die Summen, die jetzt durch die Presse geistern – mal 80, mal 30 Milliarden – nur Minibeträge sind im Vergleich zu den Summen, um die es eigentlich geht. Wenn also die Türkei diese Kredite tatsächlich nicht an italienische oder spanische Banken zurückzahlen kann, dann werden riesige Ausfallzahlungen fällig. Das würde zu einem Dominoeffekt führen. Wohin so etwas führen kann, haben wir 1998 und 2008 gesehen.

Die Türkei ist inzwischen nur ein Land von vielen, das von US-Sanktionen betroffen und bedroht ist. Deshalb kommt immer mehr ins Gespräch, sich vom US-Dollar abzuwenden. Ist das überhaupt realistisch?

Im Moment ist dies für ein einzelnes Land so gut wie unmöglich, weil das weltweite Finanzsystem nun mal auf dem Dollar basiert. Dieses Dollarsystem ist zwar im Moment in großen Schwierigkeiten und geht seinem Ende entgegen. Aber noch kämpfen die USA natürlich und ziehen deshalb überall die Daumenschrauben an. Langfristig schaden sie sich damit allerdings. Ein gutes Beispiel dafür sind die Iran-Sanktionen der USA. Der Iran hat zusammen mit Katar das größte Erdgasfeld der Welt, das South-Pars-Gasfeld. Zu dessen Ausbeutung hatte der Iran einen Vertrag mit Total abgeschlossen, dem riesigen Erdgas-Konzern in Frankreich. Wegen der amerikanischen Sanktionen musste Total diesen Vertrag jetzt kündigen. Und wer hat den Vertrag 48 Stunden später bekommen? Die Chinesen! Das heißt, mit den Sanktionen schneiden sich die Amerikaner langfristig ins eigene Fleisch. Das Problem ist, dass Regierungen in den USA halt erstmal nur für vier Jahre gewählt sind. Die großen Probleme solcher Entscheidungen zeigen sich dann erst später. Und wenn sich solche Probleme akkumulieren, wird dies irgendwann – man kann nicht sagen, wann – auch das globale Finanzsystem in den Abgrund reißen."

Das komplette Interview mit Ernst Wolff zum Nachhören gibt es unter: https://soundcloud.com/sna-radio/finanzexperte-ernst-wolff-ziel-der-usa-ist-ein-regime-change-in-der-turkei

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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