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Deutschland-Weißbuch: Nach 70 Jahren ist „Partner Russland“ wieder „Rivale Moskau“

Archivmeldung vom 06.06.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.06.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Andrea Damm / pixelio.de
Bild: Andrea Damm / pixelio.de

Über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat Deutschland Russland vom Partner wieder zum „Rivalen“ gemacht, wie die „Nesawissimaja Gaseta" am Montag schreibt. Dies geht aus der Neufassung des Weißbuchs hervor, dessen Entwurf Die Welt in Auszügen veröffentlicht hat.

Wladimir Putin (2014)
Wladimir Putin (2014)

Foto: Kremlin.ru
Lizenz: CC BY 3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik" berichtet weiter: "Obwohl der Leiter des Deutsch-Russischen Forums, Alexander Rahr, behauptet, bei dem „ Weißbuch “ handele es sich weder um eine Militärdoktrin noch um den politischen Kurs der deutschen Regierung – sodass man in Moskau keinen neuen „Drang nach Osten“ fürchten müsse – ruft der neue Trend in Berlin doch Besorgnis hervor.

Es ist eine Sache, wenn irgendein kleines Land, wie beispielsweise Litauen, Russland für einen Rivalen hält. Eine andere Sache ist wiederum, wenn es um die Bundeswehr mit 200.000 Soldaten geht, die im Falle eines Krieges auch bis zu einer halben Million Soldaten zusammentrommeln kann.

Es ist zwar bislang unklar, ob und mit welchen Novellen die Bundesregierung das Weißbuch verabschieden wird. Da Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen an dem Dokument arbeitet, kann man der Zeitung zufolge doch davon ausgehen, dass sich die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin durchaus anspannen können.

Denn ausgerechnet von der Leyen war es, die im Juni 2015, im Vorfeld des 74. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, in einem Interview gegenüber der Bild-Zeitung sagte, mit Moskau ließe sich besser „aus einer Position der Stärke sprechen“. Das klang nahezu symbolisch, denn Russland wird jetzt im Grunde dasselbe vorgeworfen, was 1941 der Sowjetunion vorgeworfen wurde: Es würde die etablierte Weltordnung bedrohen, dem Westen den Rücken kehren, einen strategischen Wettstreit provozieren  und an den EU-Außengrenzen seine militärischen Aktivitäten ausbauen.

Allerdings herrscht im russischen Establishment die Meinung vor, von der Leyen würde aus Erfahrungsmangel in militärischen Fragen zu ungeschickt vorgehen. Dieser Auffassung ist beispielsweise das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat (Parlamentsoberhaus), Igor Morosow. Nach seinen Worten muss nun Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier unverzüglich eingreifen, der sich in letzter Zeit häufiger für die Abschaffung bzw. schrittweise Abschwächung der Russland-Sanktionen stark gemacht hatte. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zuletzt von einem Besserungstrend in den Beziehungen zwischen Russland und der EU gesprochen haben soll, könnte sich einmischen.

Das Problem ist allerdings, dass Merkels jüngste Aussagen zu diesem Thema mit denen von der Leyens fast völlig übereinstimmten. Und da bereits gesagt worden ist, Deutschland könnte Russland von der Liste seiner Partner streichen und es in eine andere Kategorie einstufen, spielt es im Grunde keine große Rolle, worauf sich Frau Kanzlerin und Frau Verteidigungsministerin am Ende einigen werden. Klar ist, dass die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin einen kritischen Punkt erreicht haben.

Aus Partner wird Rivale? Kreml zu Deutschlands neuem Weißbuch

Der Kreml zeigt sich besorgt über die Meldungen, laut denen die deutsche Regierung Russland aus seiner Partnerliste streichen und als Rivalen einstufen will.

„Wenn die Informationen über die neue Fassung des Weißbuchs stimmen, kann das Bedauern und gleichzeitig Besorgnis hervorrufen“, so Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, am Montag.

Peskow betonte, nicht Konfrontation sei Russlands Ziel, sondern Vertrauen und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit. Wenn das neue Weißbuch Russland tatsächlich als Rivalen einstufe, bedeute dass, dass die Bundesregierung die russische Position einfach nicht richtig verstehe.

Die russische Seite sei besorgt, da eine solche Position der deutschen Regierung, die möglicherweise auf „Unverständnis oder falschen Informationen“ basiere, zu Konfrontation, aber keinesfalls Vertrauen und Zusammenarbeit führen würde, sagte Peskow.

Sicherheitspolitische Doktrin Deutschlands ist ein Satz von Russland-Klischees

Die neue Fassung des Weißbuchs enthält nichts Neues, es wurde unter dem Einfluss der Ukraine-Auseinandersetzungen zusammengestellt, man muss das also gelassener betrachten, wie der russische Politologe Wladislaw Below gegenüber Sputnik sagte.

Am Samstag hat „Die Welt" unter Berufung auf deutsche Regierungskreise berichtet, in der jüngsten Version des vom Verteidigungsministerium zusammengestellten „Weißbuches", der sicherheitspolitischen Doktrin Deutschlands, werde Russland nicht mehr als „Partner" sondern als „Rivale" bezeichnet und in die Liste der größten Gefahren für die Bundesrepublik aufgenommen.

All das sei auf die Situation in der Ukraine zurückzuführen, so Below. Dies sei der Gesichtspunkt von Deutschland, der Nato und der EU, Russland habe angeblich die Grundpfeiler der europäischen Sicherheit gestört, die Grenzen gewaltsam verschoben, es bedrohe die Nachbarländer und führe einen Propagandakrieg.

„Wie Deutschland das Verhalten Russlands angesichts der Ukrainekrise einschätzt — daran gibt es nichts Neues", sagte Below. Die Weißbuch-Passagen über die russische Bedrohung seien ein „eklektischer Satz von Propaganda-Klischees", die der gegenwärtigen Wahrnehmung Russlands durch westliche Medien eigen seien.

Dabei müsse man berücksichtigen, dass Russland in der neuen Weißbuch-Fassung als „Rivale", nicht als Gegner bezeichnet worden sei. Die Konnotation sei also nicht besonders negativ, sie sei eher positiv. Es komme drauf an, dass Russland und Deutschland anlässlich der Situation in der Ukraine, im Osten der Ukraine und auf der Krim verschiedene Positionen vertreten. Deutschland sehe das Verhalten Russlands als ein Risiko für die Sicherheit Europas, Russland aber bewerte das Verhalten der Nato einschließlich Deutschlands, eines der wichtigsten europäischen Partner, als ein Risiko für sich, so Below. Die Nato-Osterweiterung betrachte Russland auch als eine Gefährdung für seine Sicherheit.

„Man muss das gelassen betrachten, da gibt es nichts zu fürchten. Was die Ukraine betrifft, da sind wir tatsächlich keine Partner, unsere Positionen hinsichtlich der Ukraine konkurrieren miteinander. „Rivale" ist schließlich ein Synonym des Wortes „Konkurrenz", betonte er. „Deshalb sollte man wahrscheinlich den alarmistischen Tonfall mildern. Die Russland-Passage im Weißbuch ist lediglich die Feststellung eines Status-quo."

Was die deutsch-russischen Beziehungen angehe, da gebe es mehr Positives, was eigentlich der Aussageton vieler deutscher Politiker in letzter Zeit bestätigt habe. Dabei dissoniere das Weißbuch freilich, es ändere aber nichts, sagte der Politologe.

Duma-Politiker: Wer Russland als Bedrohung sieht, muss ärztlich untersucht werden

Die westlichen Spitzenpolitiker, die behaupten, Russland stelle eine Bedrohung für die Weltsicherheit dar, sollten sich laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses der Staatsduma (russisches Unterhaus) Andrej Krassow ärztlich untersuchen lassen.

Solche Erklärungen wirkten vor dem Hintergrund des russischen Kampfes gegen den internationalen Terror besonders albern.

„Diese irrsinnigen Erklärungen zeugen davon, dass es wahrscheinlich schon höchste Zeit ist, dass sich manche westliche Spitzenpolitiker mal gründlich ärztlich untersuchen lassen, um herauszufinden, ob sie sie noch alle haben“, so Krassow im Gespräch mit RIA Novosti.

Erklärungen, Russland sei eine Bedrohung und kein Partner, seien allerdings nicht neu. So habe der US-Präsident Obama 2014 den Ebola-Virus, die Aktivitäten Russlands in Europa und die Terroristen in Syrien und dem Irak als wichtigste Gefahren für die Weltsicherheit bezeichnet.

Dabei sieht laut Krassow die Dämonisierung Russlands, das gerade gegen den internationalen Terror kämpft, als besonders merkwürdig.

„Einerseits behaupten sie (die westlichen Politiker – Anm. d. Red.), ohne Russland lasse sich keine einzige Frage der globalen Politik lösen. Andererseits werden wir fast als Dämon bezeichnet. Wer ist aber eigentlich der Dämon? Russland, das gegenwärtig den Terrorismus bekämpft? Oder andere Länder, die angeblich dagegen kämpfen, doch sich aus irgendwelchem Grund weigern, eine zweite Anti-Terror-Front einzurichten?“, fragt der Duma-Angeordnete.

Nicht Russland habe den Irak in ein „Terroristen-Paradies“ verwandelt und nicht Russland habe Libyen bombardiert, betonte er.

Russland vorzuwerfen, es sei eines der größten Übel der Welt, während es versuche, das globale Geschwür in Form des internationalen Terrors aus der Welt zu schaffen, sei schlicht verrückt.

„Berlin sieht uns schon lange als Rivalen“

Die neue Fassung des Weißbuchs bringt nichts Neues ans Licht, da Deutschland ohnehin schon lange eine Schlüsselrolle beim Näherrücken der NATO-Truppen an Russlands Grenzen spielt, wie der Vizechef des Duma-Verteidigungsausschusses Franz Klinzewitsch gegenüber Sputniknews äußerte.

Zuvor hatte die Bundesregierung einen neuen Entwurf des Weißbuchs zur Verteidigungspolitik veröffentlich, in dem Russlands „strategische Rivalität“ zusammen mit dem Islamischen Staat und dem radikalen Nationalismus als Gefahr aufgelistet wurde. Das Dokument soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden, schrieb Die Welt.

„Ich denke, dass der neue Entwurf des Weißbuchs sich im gewissen Sinne sogar verspätet hat. Bei der Umsetzung der sogenannten Ostpolitik der Nordatlantischen Allianz gehört Deutschland wohl eine der Schlüsselrollen“, sagte Klinzewitsch.

Ohne Zustimmung Berlins wäre ja die Stationierung von NATO-Truppen an den russischen Grenzen äußerst problematisch, erklärte er.

„Also ist Russland für Deutschland de facto schon lange kein Partner mehr, sondern ein Rivale. Mit Partnern benimmt man sich nicht so“, so Klinzewitsch.

Eine solche offizielle Bewertung der deutsch-russischen Beziehungen in dem offiziellen Dokument, das für einen relativ langen Zeitraum gerechnet sei, lasse kaum Optimismus aufkommen. Russland werde nun auf jeden Fall entsprechende Schlussfolgerungen daraus ziehen, betonte er.

Der russische Parlamentarier und Mitglied des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des Föderationsrates Igor Morosow sieht die Situation aber eher gelassen: „Ich denke, dass es sich hierbei nur um den Standpunkt des deutschen Establishments handelt, es gibt auch andere Meinungen. So hat sich der deutsche Außenminister (Frank-Walter) Steinmeier ja schon mehrmals für die Aufhebung der Sanktionen oder zumindest für die Erörterung dieser Frage ausgesprochen“, betonte er.

Und Steinmeier sei bei weitem nicht der Einzige, der solcher Auffassung ist.

Der Tiefpunkt der „Zerstörung der Russland-Europa-Beziehungen durch die USA“ sei schon lange erreicht worden, deshalb könne man nun nur noch auf eine Besserung und die schrittweise Aufhebung der Sanktionen gegen Russland hoffen, fügte Morosow hinzu."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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