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Özdemir kritisiert "Placebo"-Debatte um Euro-Stabilitätspakt

Archivmeldung vom 18.06.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.06.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Doris Oppertshäuser
Bild: Lupo / pixelio.de
Bild: Lupo / pixelio.de

Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hält die gegenwärtige Diskussion über eine Lockerung des Euro-Stabilitätspakts für wenig zielführend: "Die Debatte um ein Aufweichen des Stabilitätspakts ist bloß Placebo und bringt Europa nicht weiter. Die Mitgliedstaaten bekommen schon heute die notwendige Zeit und Flexibilität, wenn tatsächliche Reformen klar erkennbar sind", sagte Özdemir "Handelsblatt-Online". "Wachstum auf Pump um jeden Preis ist kein Rezept mehr."

Gleichwohl forderte Özdemir zur Solidarität mit hoch verschuldeten Euro-Staaten auf. "Wir brauchen einen EU-Haushalt, der nachhaltiges Wachstum gerade in Krisenländern unterstützen kann. Auf dieser Grundlage müssen die Mitgliedstaaten auch solidarisch sein", sagte der Grünen-Politiker. Alle Mitgliedstaaten müssten zudem "den Mut haben, unsinnige Ausgaben zu hinterfragen und notwendige Investitionen mit Strukturreformen zusammenzubringen". Der notwendige Kampf gegen Steuervermeidung oder Korruption habe nichts mit dem Stabilitätspakt zu tun.

Wagenknecht attackiert Gabriel in Debatte um Lockerung des Euro-Stabilitätspakts

Die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat in der Debatte um Zugeständnisse beim Euro-Stabilitätspakt an Schuldenländer wie Frankreich oder Italien Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) scharf angegriffen. "Wenn Herr Gabriel Ehrlichkeit in der Debatte verlangt, dann sollte er sich an seine eigene Nase fassen. Das deutsche Lohn- und Sozialdumping der Agenda-2010-Politik hat die Ungleichgewichte innerhalb der Euro-Zone massiv verstärkt und damit die Euro-Krise mitverursacht", sagte Wagenknecht "Handelsblatt-Online".

Angesichts der bereits bestehenden Deflationsgefahr in mehreren Ländern warnte Wagenknecht vor falschen Entscheidungen. "Dort jetzt, ähnlich wie in Deutschland, durch die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors und die Liberalisierung prekärer Jobs Arbeitnehmerrechte abzubauen und Sozialabbau zu betreiben, hätte katastrophale Folgen", sagte die Linken-Politikerin. "Es wäre ein schwerer Fehler der europäischen Sozialdemokratie, wenn sie sich auf den Kuhhandel - Verpflichtung zu Lohn- und Sozialkürzungen á la Agenda-2010 für mehr öffentliche Verschuldung - einlassen würde."

Gabriel ignoriere zudem "als europäischer Agenda-2010-Schröder-Klon den elementaren volkswirtschaftlichen Grundsatz, dass das deutsche Modell rein exportgetriebenen Wachstums nicht verallgemeinerbar ist", sagte Wagenknecht weiter. "Wir brauchen steigende Löhne, Eindämmung prekärer Arbeit und mehr Arbeitnehmerrechte statt Raubtierkapitalismus in Deutschland und Europa."

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, plädierte dafür, die fiskalpolitischen Möglichkeiten im Euro-Raum endlich zu nutzen. "Denn die EZB kann mit ihrem Instrumentarium allein die europäische Wirtschaft nicht stabilisieren", sagte Schick "Handelsblatt-Online". Dabei sollten investive Ausgaben gestärkt werden, denn es gehe nicht um kurzfristige Konjunkturpolitik, sondern um eine Stärkung der Investitionen und zwar gerade solcher, die die europäische Wirtschaft auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise ausrichten. Schick bezweifelte allerdings, "dass die Sozialdemokraten sich gegen die Position der CDU durchsetzen, die bisher die Problematik der viel zu geringen Investitionen im Euro-Raum ignoriert".

Lockerung des Euro-Stabilitätspakts: Ökonomen warnen vor Rückkehr der Krise

Führende Ökonomen in Deutschland haben davor gewarnt, die von Frankreich und Italien forcierten und von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) unterstützen Pläne zu einer möglichen Lockerung der EU-Defizitregeln in die Tat umzusetzen: Eine Regelung, wie sie von Paris und Rom angestrebt wird, wäre ein Freibrief "zu hemmungsloser Verschuldung und der sicherste Weg, die Euro-Krise schnell wiederzubeleben", sagte der Chefökonom der Dekabank, Ulrich Kater, "Handelsblatt-Online".

Ähnlich äußerte sich der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier. "Für die Glaubwürdigkeit der Maastricht-Verträge wäre eine solche Entwicklung sicherlich ein Rückschritt, was sich mittelfristig auch auf das Investorenvertrauen ungünstig auswirken kann", sagte Beilmeier. "Einfache und klare Regeln, wie die derzeitigen Maastricht-Regeln, und ein glaubwürdiger Sanktionsprozess sind für die finanzielle Entwicklung des Euro-Raums wohl besser geeignet als ein Regelwerk mit viel Interpretationsspielraum."

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, wies darauf hin, dass das Aufweichen des Stabilitätspakts vor zehn Jahren mitursächlich am Entstehen der Staatsschuldenkrise gewesen sei. "Wenn die Regierungen in Paris und Rom den zwischenzeitlich etwas geschärften Pakt nun erneut aufweichen wollen, dann ignorieren sie die Lehren aus der Staatsschuldenkrise." Kritisch sieht Krämer auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). "Frankreich und Italien können nur deshalb auf mehr Staatsschulden drängen, weil die EZB durch eine Japanisierung der Staatsschuld heilsamen Druck von ihnen genommen hat." Durch ihre faktische Nullzinspolitik hätten die Währungshüter die Renditen von Staatsanleihen und damit die Zinslast auf Rekordtiefs gesenkt.

Aus Sicht des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fehlen den derzeit kursierenden Plänen für eine Lockerung beziehungsweise Neuinterpretation des Stabilitätspakts zwei zentrale Elemente. "Zum Einen müssen Länder fehlende Reformen nun endlich umsetzen, sonst wird es kein Wachstum geben können", sagte Fratzscher "Handelsblatt-Online". Und es fehle eine zweite Bedingung, die für den Erfolg einer solchen Strategie unabdingbar sei:  Die Regierungen müssten einen konkreten Plan vorlegen, wie sie langfristig Schulden abbauen wollen.

Stabilitätspakt nur veränderbar, wenn Krisenländer gleichzeitig reformieren

Führende Wirtschaftsinstitute sehen den Vorschlag von Sigmar Gabriel kritisch, den Krisenländern mehr Zeit für den Schulden-Abbau zu geben. Gegenüber heute.de, dem Nachrichtenportal des ZDF, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, die Regierungen müssten sich nicht nur zu Reformen verpflichten, sondern auch einen konkreten Plan vorlegen, wie sie langfristig Schulden abbauen wollen. Fehle dieses Element, wie jetzt in Frankreich, dann "erhöht sich das Risiko ... und die Gefahr einer erneuten Krise".

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim sieht ein Kompromissangebot an Frankreich als zu früh an. Denkbar sei "ein echtes Tauschgeschäft Strukturreform gegen mehr Zeit bei der Konsolidierung". Frankreich müsse erstmal liefern. Das Mannheimer Institut hält die Debatte über Änderungen des Stabilitätspaktes jedoch für legitim.

Das Institut für Weltwirtschaft Kiel sorgt sich um die Stabilisierung der Staatsfinanzen. "Sehr dramatisch wird es, wenn die gewonnene fiskalische Luft nicht für Reformen genutzt wird."

Quelle: dts Nachrichtenagentur / ZDF (ots)

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