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Jean-Michel Colo: Wir leben in Frankreich in einem totalitären Staat

Archivmeldung vom 23.07.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.07.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: © Flickr.com/hounddog32/cc-by-nc-sa 3.0 - Radio Stimme Russlands
Bild: © Flickr.com/hounddog32/cc-by-nc-sa 3.0 - Radio Stimme Russlands

In einem Interview für die STIMME RUSSLANDS erklärt Jean-Michel Colo, Bürgermeister der Stadt Arcangues, warum er sich geweigert hat, die Ehe zweier Männer zu registrieren, und wie man ihn dazu zwang, es später doch zu tun.

Hunderte Bürgermeister haben sich in Frankreich gegen gleichgeschlechtliche Ehen ausgesprochen, aber Sie waren der einzige, der sich geweigert hat, ein männliches Paar zu trauen. Wie können Sie das erklären?

Bei mir im Bürgermeisteramt ging einfach eine Anmeldung ein, eine solche Ehe zu registrieren. Insgesamt haben in ganz Frankreich mehr als 22.000 Vertreter von Bürgermeistereien einen Aufruf gegen dieser Gesetz unterschrieben, aber heute sind wir sechs oder sieben, die einen konkreten Antrag bekommen haben. Alles, was wir tun können, ist, den Tag der Eheschließung so weit wie möglich hinauszuzögern, die Bearbeitungszeit in die Länge zu ziehen. Einen anderen Ausweg haben wir nicht, denn sonst drohen uns kolossale Geldstrafen. Meine Mitarbeiter haben 1.000 Euro pro Tag bekommen. Wenn es um so eine Summe geht, fängst du natürlich an, etwas anders zu denken. Aber ich setze den Kampf trotzdem fort, dieses Gesetz muss annulliert werden, koste es was es wolle. Man muss versuchen, das Problem mit dem Erbrecht für homosexuelle Paare zu lösen. Man muss die Bedingungen des Zivilvertrags revidieren, weil Freiheit ein christlicher Wert ist, den wir nicht verraten dürfen. Der gesellschaftlichen Resonanz auf dieses Gesetz nach zu schließen, wird sich das Ergebnis der öffentlichen Proteste bei den anstehenden Wahlen zeigen.

Unter Androhung von Strafe hat der Staat Sie faktisch dazu gezwungen, diese gleichgeschlechtliche Ehe zu registrieren. Wie schätzen Sie diese Geste ein?

Wir leben in Frankreich heute in einem totalitären Staat, wo der Sinn solcher Begriffe wie "Republik“ je nach Situation interpretiert wird: Ich bin Republikaner, ich bin Demokrat, also kann ich mir alles erlauben. Aber das ist ein Irrtum. Die heutige Regierung ist von der Demokratie in ihrer ursprünglichen Bedeutung weit entfernt. Wie dieses Gesetz angenommen wurde, wird in die Geschichte eingehen: überstürzt, unter seltsamen Umständen, es hat viele Lücken. Von Scheidungen ist da überhaupt keine Rede. Alles wurde einzig und allein dafür getan, um eine absolute Minderheit zufrieden zu stellen. Ich habe schwule Freunde, und sie haben mich unterstützt, weil sie auch gegen diese Schauhochzeiten sind. Aber am seltsamsten ist, dass wir den Teil der Gesellschaft hervorheben, der sich schon längst integriert hat. Dieses Gesetz hat die homophoben Stimmungen in Frankreich erst angestachelt. Ich bekomme viele Briefe und bin gezwungen, die Leute zu beruhigen und ihnen zu erklären, dass ich nichts gegen Schwule habe. Ich bin für die Bewahrung des Instituts der Ehe, ich bin für die traditionelle Familie und gegen die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare.

Sie haben davon gesprochen, dass der einzige Ausweg ist, die Bearbeitung von Anträgen gleichgeschlechtlicher Paare in die Länge zu ziehen. Es gibt aber eine Anweisung des Innenministers, die dafür Geld- oder sogar Haftstrafen vorsieht. Glauben Sie, dass diese Anweisung die Debatten letztendlich versiegen lässt?

Wir haben beim Staatsrat von Paris gegen ManuelVallseine Beschwerde wegen „Machtmissbrauchs“ eingereicht. Ichdenke, dasswirvölligRechthaben. Wir müssen unser „Recht auf Gewissen“ verteidigen, das uns erlaubt, der Erfüllung unserer Pflichten zu entsagen, wenn diese gegen unsere moralischen Prinzipien verstoßen. Als ich die Trauung verweigerte, haben mehrere Bürgermeister in unserer Region angeboten, das Paar bei sich zu registrieren. Wo ist das Problem? Dann hätte es kein Gerede und keine Drohungen gegeben.

Sie denken also, dass es für die Regierung eine Frage des Prinzips ist?

Ja. Am meisten wünsche ich mir, dass die nächste Regierung, wer immer das auch sei, als erstes dieses Gesetz zurücknimmt. Mehr noch: ich möchte, dass um genau dieses Wahlversprechen herum das kommende Rennen um die Präsidentschaft aufgebaut wird.

Wenn heute jemand in Frankreich gegen die Homo-Ehe ist, wird er sofort als homophob abgestempelt. Warum?

Frankreichhatsichtotgelaufen. Urteilen Sie selbst: als Jean-Marie Le Pen von den Immigranten sprach und von einem Problem, das tatsächlich existiert, wurde ihm sofort Rassismus vorgeworfen. Ich lege meine Position äußerst klar dar und erkläre, dass der Mensch die Wahl hat, jemandem vom gleichen Geschlecht zu lieben, dass für mich das Heiraten aber ein Bund zwischen Mann und Frau ist. Ich werde der Homophobie beschuldigt, obwohl meine Kollegen und ich alles tun, damit in unserer Gesellschaft solche Stimmungen gar nicht erst aufkommen. In Frankreich ist Diskriminierung ein Verbrechen. Manuel Valls hat auf hinreichend harte Art daran erinnert, dasssiestrafbarist: 75.000 Euroundsechs Monate Gefängnis. Ich verstehe nicht, worauf Frankreich zuschlittert, wenn ein Gegner des Gesetzes, ein normaler Bürger, gleich nach der ersten Anhörung für zwei Monate ins Gefängnis gesteckt wird, während die Rowdies aus den unruhigen Vororten ungeschoren davonkommen. Für deren Verbrechen gibt es Bewährungsstrafen. Mir scheint, wir bewegen uns in die falsche Richtung, Frankreichs Zukunft macht mir Angst.

Quelle: Text Maria Sidelnikowa - „Stimme Russlands"

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