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Geheime Geldströme der Somalia-Piraten

Archivmeldung vom 05.05.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.05.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Piratenhochburg am Golf von Aden Bild: GoMoPa
Piratenhochburg am Golf von Aden Bild: GoMoPa

Unsere Schiffe durchfahren den Golf von Aden nur noch im Konvoi, zieht der Bremer Reeder Niels Stolberg, 47, von der Beluga Shipping GmbH (mehr als 50 Frachter) die Konsequenz aus der immer professioneller werdenden Piraterie vor der Küste Somalias am Horn von Afrika.

1,1 Millionen Dollar musste Stolberg aufbringen, um seinem Kapitän Jan Konecny (48, Vater zweier Kinder) und dessen 13-köpfiger Crew (Philippinen und Russen) im September vorigen Jahres das Leben zu retten. Neun mit Kalaschnikows und Panzerfäusten bewaffnete Somalier haben mit Schnellbooten die mit Industriegütern schwer beladene und nur 10 Knoten langsame "BBC Trinidad" (Wert: 23 Millionen Euro) 150 Kilometer vor der Küste geentert, geplündert und für 21 Tage auf offener See vor der Küstenstadt Eyl im autonomen Puntland als Geiseln genommen.

Im Interview mit dem Finanznachrichtendienst www.gomopa.net schildert der Reeder, wie es den Geiseln heute geht, wer ihm bei den Verhandlungen mit den Seeräubern half und was die Bundeswehr tun muss, um weitere Kaperungen zu verhindern.

GoMoPa: Wie geht es ihrem Schiff, der Mannschaft, der Fracht?

Niels Stolberg, Geschäftsführender Gesellschafter Beluga Shipping GmbH: Das Motorfrachtschiff „BBC Trinidad“, welches zwischen dem 21. August und 10. September 2008 in der Hand somalischer Piraten war, ist nach der Freilassung in den Hafen von Muskat im Oman eingelaufen, wo die 13-köpfige Besatzung abgelöst wurde, um sich im Kreise ihrer Familien von den unvorstellbaren Drangsalen zu erholen. Die Fracht, es handelte sich um Metallrohrleitungssystemen für die Ölförderindustrie, Telefonmasten sowie General Cargo blieb unversehrt. Der Mehrzweck-Schwergutfrachter wurde gereinigt und wieder für weitere Einsätze vorbereitet. Das MS „BBC Trinidad“ ist seither im gängigen kommerziellen Betrieb und derzeit auf Projektfahrt von Houston (USA) nach Las Palmas (Spanien), danach sind Stationen in Esbjerg (Dänemark) und Riga (Lettland) bestätigt. Unter Fortzahlung der Löhne waren unsere betroffenen Kollegen bis vor kurzem vom Dienst freigestellt.

Die Mannschaft hat sich mit Hilfe von psychosozialer Betreuung den Umständen entsprechend gut erholt, doch niemand wird die einschneidenden Eindrücke während dieser drei Wochen langen Gefangenschaft je vergessen können. Inzwischen sind alle wieder an Bord unserer Mehrzweck-Schwergutfrachterflotte im Einsatz. Der damalige Kapitän, der mit seiner ruhigen und besonnenen Art selber maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass die Situation nicht eskalierte, ist momentan auf dem MS „Beluga Fiction“ eingesetzt, welches derzeit im italienischen Hafen Ravenna gelöscht wird. Auf eigenen Wunsch wird er voraussichtlich gegen Ende des Jahres in eine Landanstellung wechseln und hat hierfür bereits den von uns angebotenen Posten im Department Newbuilding angenommen.

GoMoPa: Da wir ein Finanznachrichtendienst sind, sind die geldlichen Dinge sehr wichtig, auch wie weit die Versicherung hilft!

Stolberg: Nach langwierigen und komplizierten Verhandlungen hatten wir uns mit den Piraten schließlich auf eine Lösegeldsumme in Höhe von 1,1 Millionen US-Dollar geeinigt. „JWA Marine for vessel's Hull and Machinery Insurance“ haben in verhältnismäßig großem Umfang Unterstützung geleistet, „Norwegian Hull Club for vessel's Loss of Hire Insurance“ war eine Hilfe mittleren und „Cargo Underwriters“ auf unser ausdrückliches Bitten hin eine Hilfe geringen Ausmaßes.

GoMoPa: Wie beschreiben sie die Zusammenarbeit mit den Behörden, oder waren Sie auf sich allein gestellt?

Stolberg: Zwei Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes und ein Berater einer britischen Sicherheitsfirma komplettierten unsere „Task Force“, die wir direkt, nachdem wir von Bord vom Überfall auf das MS „BBC Trinidad“ erfahren haben, aktivierten. Dieser gehörten unsererseits drei Experten aus den Abteilungen Fleet Management, Human Resources Sea und ISM/ISPS an. Zudem hatten wir die betroffenen Botschaften der Staaten, aus denen unsere Seeleute stammten, von dem dramatischen Vorfall informiert.

Die Zusammenarbeit war konstruktiv und von Anbeginn auf unser oberstes Ziel ausgerichtet: Unsere Kollegen an Bord unverletzt aus der Gewalt der aggressiven, unberechenbaren Piraten zu befreien. Um dieses Ziel zu erreichen, kam die „Task Force“ jeden Morgen in der Früh zur Beratung des aktuellen Sachstandes und des weiteren Vorgehens zusammen sowie um telefonische Verhandlungen mit den Piraten über die Lösegeldsumme sowie die Art der Geldübergabe zu verhandeln.

GoMoPa: Was sagen Sie Ihren Investoren und Anlegern der Schiffsfonds?

Stolberg: Die Investoren und Anleger wurden im Falle des MS „BBC Trinidad“ von der Deutschen Fonds Holding in einer Mitteilung über die Kaperung, die Einrichtung der „Task Force“, die Freilassung und die Betreuung von Kapitän und Crew informiert. Überdies wurde mitgeteilt, dass der Mehrzweck-Schwergutfrachter MS „BBC Trinidad“ im Anschluss an die Entführung in den Entladehafen im Oman fuhr, die Ladung gelöscht und das seefahrende Personal von einem Team der Reederei in Empfang genommen wurde.

Mit Bezug auf das massive Problem der Piraterie vor der Küste Somalias teilen wir hinsichtlich der Schiffssicherheit öffentlich mit, dass unsere Schiffseinheiten den Golf von Aden nur als gemeldetes Mitglied im Konvoiverbund durchfahren und wir darüber hinaus vielschichtige Maßnahmen und regelmäßige Sicherheitsschulungen unternehmen, um das Risiko eines Übergriffes durch Piraten bestmöglich zu minimieren. Die EU-Mission „Operation Atalanta“ hat dazu geführt, dass die Piraten im Golf von Aden nicht mehr ungestört agieren können. Sie hat jedoch auch dazu geführt, dass die Angriffe und Kaperungen jetzt in einem weit größeren Gebiet auf hoher See vonstatten gehen. Das Problem hat sich in den vergangenen Monaten geographisch verlagert, so dass es das Ziel sein muss, die militärische Aktion entsprechend auszudehnen und mit größerer Flottenstärke gegen die gefährlichen, unberechenbaren Piraten und die Mutterschiffe, die sie als Basis für ihre Angriffe nutzen, entschlossen vorzugehen.

Was geschieht mit dem Lösegeld? GoMoPa liegen Erkenntnisse vor, dass die Piraten mit Lösegeldern in großem Stil Immobilien erwerben würden. Können Sie das bestätigen oder haben Sie anderes erfahren?

Stolberg: Genaue Kenntnis darüber, wofür die Piraten das von uns erpresste Lösegeld verwendeten, haben wir nicht. Uns sind die Berichte bekannt, die aussagen, Piraten investierten die Lösegelder in Immobilien. Dass es in diesem Fall auch so war, können wir Ihnen nicht bestätigen. In unserem Fall haben die Piraten die erpressten 1,1 Millionen US-Dollar direkt nach der Geldübergabe in unterschiedlichen Summen auf 18 einzelne Pakete verteilt – vermutlich je nach Hierarchie ein Paket für jeden an der Kaperung Beteiligten. Üblicherweise werden von einem Großteil der Lösegelder neue Waffen erworben, und es wird in die Verstärkung der infrastrukturellen Möglichkeiten der Piraten investiert, das heißt, eventuell neue Schnellboote, Ortungsgerät und dergleichen mehr gekauft.

GoMoPa: Somalia hat seit 1991 keine funktionierende Regierung mehr. Anfangs verteidigten somalische Fischer mit Gewehren ihre Fischgründe. Heute geht es nicht mehr um Fisch. Somalische Männer rotten sich in Gruppen zusammen, um mit Booten, die meist mit tragbaren Raketenwerfern und automatischen Waffen ausgerüstet sind, Jagd auf die 16.000 schwerfälligen und unbewaffneten Handelsriesen zu machen, die jährlich vor ihrer Haustür vorbeiziehen. Der Golf von Aden ist mittlerweile die gefährlichste Wasserstraße der Welt und die Piraterie ein Millionen-Geschäft. Allein 2008 kassierten die Banden für gekaperte Schiffe und Besatzungsmitglieder nach Schätzungen mehr als 150 Millionen US-Dollar.

Auch das Schiff von Kapitän Konecny wurde unter 72 Frachten ausgewählt, weil es den Piraten am lukrativsten für eine Erpressung schien. Konecny: Die haben die Aufschrift "BBC Trinidad" gelesen und an die BBC, den Fernseh- und Rundfunksender in London gedacht und sich überlegt: Da ist bestimmt viel Geld zu holen.

Die vielfach in Luxus lebenden Piraten gehören in dem bitterarmen Landstrich zu den Wenigen, die Handel sowie Handwerk florieren lassen und so Tausenden Menschen Arbeit bieten. Nach einem Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung kaufen die somalischen Piratenbosse einerseits Ländereien und Luxusvillen im benachbarten Kenia. Andererseits investieren sie das Geld in einen groß angelegten Schmuggel von Elektroartikeln, gefälschter Designerkleidung, Mais, Zucker und teuren Geländewagen von Somalia nach Kenia.

Immobilien und Ländereien für die Bosse

"Die kaufen ganze Straßenzüge", sagt ein Mitarbeiter in Kenias Grundbuchamt. In Nairobi zahlen somalische Geschäftsleute für Villen auf ummauertem Wohngebiet mit Pool und Tennisplatz zwei Millionen Dollar, obwohl sie nur eine Million kosten - nur, um nicht warten zu müssen. Manche Häuser werde derzeit schon im Rohbau an die vielen somalischen Geschäftsleute verkauft, die in teuren Limousinen vorfahren und stets Bargeld bei sich tragen. Ein Bauherr, der anonym bleiben wollte, sagte der WAZ: "Alle wissen, dass das Geld aus der Piraterie stammt, aber keiner sagt was - dafür sind wir zu froh, ein gutes Geschäft zu machen."

"Die Bodenpreise hier im Nordosten sind geradezu explodiert", sagt der kenianische Provinz-Gouverneur Kimeu Maingi im Zeitungsinverview. "Wir haben allen unseren Behörden mitgeteilt, gezielt nach Piratenlösegeldern Ausschau zu halten."

Schmuggel zum Wohle der Shabaab-Miliz

Und die Gewinne, die die Schmuggler machen, werden sofort zurück nach Somalia überwiesen. Spuren hinterlassen sie nicht: Die meisten benutzen das traditionelle islamische Hawallah-System, bei dem ein Telefonanruf reicht, um Geld tausende Kilometer weit zu verschicken. Es ist das gleiche System, das angeblich zur Finanzierung von Terroranschlägen islamistischer Gruppen genutzt worden sein soll. „Wir müssen Teile der Lösegelder an die Islamisten abgeben, ein anderer Teil geht an Gruppen, die der Übergangsregierung nahe stehen“, sagt ein Pirat, der sich Achmed Gel-Qonaf nennt. „Es gibt eine riesige Zahl an Gruppen, die ihr Stück vom Kuchen abhaben wollen.“ Und keine, sagt Gel-Qonaf, bekommt mehr als die Shabaab-Miliz, die derzeit mächtigste Islamistengruppe. 

Quelle: GoMoPa (Siegfried Siewert)

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