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Wenn Hoffnung still ist: Reflexionen von Helferin Nada aus dem Jemen zum Welttag der Humanitären Hilfe

Freigeschaltet am 20.08.2025 um 06:30 durch Sanjo Babić
Nada Abu Taleb  (2025) Bild: Islamic Relief Deutschland e.V. Fotograf: Islamic Relief Deutschland e.V.
Nada Abu Taleb (2025) Bild: Islamic Relief Deutschland e.V. Fotograf: Islamic Relief Deutschland e.V.

Nada Abu Taleb hat als Medien- und Kommunikationskoordinatorin von Islamic Relief im Jemen das stille Leiden des Landes dokumentiert. Nun offenbart sie am heutigen Welttag der humanitären Hilfe, was humanitäre Arbeit in einer der am meisten vernachlässigten Krisen der Welt wirklich bedeutet. Die folgenden Schilderungen sind Nadas eigene Worte, aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

Der internationale Welttag der humanitären Hilfe ist ein Moment, um innezuhalten, nachzudenken und uns daran zu erinnern, warum wir uns dafür entschieden haben, in Krisenzeiten zusammenzustehen. Nach fast 15 Jahren humanitärer Arbeit habe ich gelernt, dass "ActForHumanity" nicht nur ein Motto ist, sondern eine tägliche Verpflichtung, die sehr persönlich und dringend ist, insbesondere hier im Jemen.

Als Jemenitin, die diese Krise miterlebt und durchlebt hat, weiß ich, dass das Leid keine ferne Schlagzeile ist, sondern uns jeden Tag begegnet. Ich sehe es in den angespannten Gesichtern meiner Nachbarn, höre es in der Verzweiflung der Familien, die ums Überleben kämpfen. Aber inmitten dieser schmerzhaften Begegnungen gibt es Momente tiefer Würde, die sich in meine Erinnerung einbrennen.

Ich erinnere mich an eine Mutter, die gerade eine bescheidene finanzielle Unterstützung erhalten hatte. Sie hielt ihr Kind fest in den Armen. Beide waren sichtlich unterernährt, doch ihre Augen drückten überwältigende Dankbarkeit statt Klage aus. In diesem Moment ging es bei der Hilfe um mehr als nur um Lebensmittel oder Geld; es ging um Würde und darum, den Menschen das Gefühl zu geben, gesehen und geschätzt zu werden.

Ein weiterer prägender Moment war meine Begegnung mit einem vertriebenen Vater, der in einer provisorischen Notunterkunft lebte, nachdem er fast alles verloren hatte: sein Zuhause, seinen Lebensunterhalt und sogar Familienmitglieder. Trotz seiner Last war es sein größtes Anliegen, für seine Kinder ein Gefühl der Normalität zu bewahren.

"Selbst wenn wir nichts haben", sagte er ruhig, "sorgen wir dafür, dass sich meine Kinder sicher und sauber fühlen und daran glauben, dass alles besser wird." Dieser demütige, unerschütterliche Mut hat mein Verständnis von Würde neu geprägt. Humanitäre Arbeit bedeutet nicht nur, Hilfe zu verteilen, sondern auch, die Widerstandsfähigkeit der Menschen zu würdigen, ihre Identität anzuerkennen und das fragile Gefühl der Hoffnung zu schützen, das sie noch haben.

Bildung: Die stille Krise im Jemen droht die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu zerstören

Während die Welt zu Recht unmittelbare Krisen wie Hunger und die Notwendigkeit von Unterkünften anerkennt und darauf reagiert, wird die eigentliche Krise im Jemen übersehen, nämlich die systematische Erosion unseres Bildungssystems. Die Schulen leeren sich, Lehrer werden nicht bezahlt, und die Träume der Kinder verblassen. Ich erinnere mich an ein Klassenzimmer ohne Türen und Fenster, in dem Kinder zusammengekauert saßen und sich zerfledderte Hefte teilten. Als ich einen Jungen nach seinen Träumen fragte, antwortete er ernst: "Ich möchte Pilot werden, aber ich weiß nicht, ob ich jemals ein Flugzeug fliegen werde. Wir haben kaum genug zu essen."

Diese bittere Erkenntnis hat mich tief getroffen. Bildung ist kein Luxus, sondern das Versprechen einer Zukunft. Ohne Schulbildung verlieren Kinder mehr als nur Wissen; sie verlieren Struktur, Sicherheit und die Fähigkeit, sich eine bessere Zukunft vorzustellen. Bildung zu schützen bedeutet, die Hoffnung selbst zu schützen, doch diese dringende Wahrheit schafft es selten in die internationalen Schlagzeilen. Deshalb arbeiten die Teams von Islamic Relief im Jemen daran, Klassenzimmer wiederaufzubauen, Lehrer auszubilden und sichere Räume zum Lernen in einigen der am stärksten betroffenen Gemeinden zu schaffen.

Momente der Menschlichkeit: In kleinen Gesten Stärke finden

Humanitäre Hilskräfte kämpfen oft mit überwältigender Verzweiflung. Ich erinnere mich an einen besonders schwierigen Tag, an dem ich von endlosen Geschichten über Familien, die Mahlzeiten ausließen, über Kinder, die die Schule verließen, und Gemeinden, die von Not zermürbt waren, überwältigt war. Das Ausmaß des Leids war lähmend.

Was mich jedoch zurückholte, war die stille Freude der Eid-Feierlichkeiten. Familien lächelten, weil ihre Kinder neue Kleidung hatten oder weil sie zum ersten Mal seit Monaten wieder Fleisch auf dem Tisch hatten. Ich erinnere mich an einen Vater, der vor Erleichterung leise weinte, als er sah, wie sich seine Töchter von ihrer Unterernährung erholten, und deren Lachen ein Beweis für einen kleinen Triumph war. Diese Momente der Menschlichkeit erinnern mich daran, warum diese Arbeit wichtig ist, denn kleine Gesten können tief nachwirken und inmitten der Verzweiflung Hoffnung aufrechterhalten.

Innovationen trotz Herausforderungen

Die Komplexität der Krise im Jemen, die durch Kontrollpunkte, Instabilität und schwindende Finanzmittel gekennzeichnet ist, behindert oft unsere physische Präsenz in den betroffenen Gemeinden. Unser Büro reagiert darauf kreativ und schult Kolleginnen und Kollegen in abgelegenen Gebieten in Fotografie und Storytelling, damit die Stimmen der von uns unterstützten Gemeinden gehört werden können.

Diese Initiative stellt sicher, dass wir schnell dokumentieren, kommunizieren und reagieren können, wodurch Transparenz gewahrt und wichtige Verbindungen auch inmitten logistischer Alpträume aufrechterhalten werden. Diese adaptive Widerstandsfähigkeit unterstreicht den Einfallsreichtum, der erforderlich ist, um unter scheinbar unmöglichen Umständen unparteiische und würdige humanitäre Hilfe zu leisten.

Die stille Stärke der Frauen und der Gemeinschaft

Während dieser Krise habe ich gesehen, wie meine jemenitischen Schwestern stillschweigend außergewöhnliche Lasten tragen. Ihr Mut zeigt sich oft nicht in großen Gesten, sondern in ihrer täglichen Beharrlichkeit trotz Erschöpfung, Angst oder Verlust. Ihre stille Entschlossenheit zu erleben, verändert immer wieder mein Verständnis davon, wie wahre Tapferkeit aussieht.

Ein Teil ihrer Stärke kommt aber auch von der außergewöhnlichen Solidarität innerhalb der Gemeinschaften im Jemen. Wo offizielle Systeme versagen, springen Nachbarn ein, teilen ihre begrenzten Ressourcen, organisieren Hilfsmaßnahmen und sorgen dafür, dass niemand zurückgelassen wird. Diese lokale Stärke prägt unseren humanitären Ansatz stark und erinnert uns daran, dass echte Hilfe auf Zusammenarbeit, Respekt und Demut basiert. Unsere Aufgabe ist es nicht, von oben zu führen, sondern die Widerstandsfähigkeit, die vor Ort bereits vorhanden ist, zu unterstützen und zu verstärken.

Die gemeinsame Verantwortung der Welt, solidarisch zu handeln

In einer Zeit, in der die globale Aufmerksamkeit überstrapaziert ist und Krisen überall wüten, von Gaza bis zum Sudan, ist Solidarität keine begrenzte Ressource, sondern unsere gemeinsame Verantwortung. Für die Menschheit einzutreten bedeutet, sich zu weigern, Leiden zu normalisieren, egal wie häufig es auftritt. Es erfordert Mitgefühl, Würde und Fairness, konsequent und eindringlich, auch wenn niemand zusieht.

Der Jemen wird oft missverstanden und vereinfachend als Land endloser Konflikte und Hilflosigkeit dargestellt. In Wirklichkeit sind die Jemeniten bemerkenswert lebensfroh und einfallsreich. Unsere Aufgabe als humanitäre Helfer besteht nicht darin, sie zu retten, sondern ihnen zur Seite zu stehen, ihre Würde zu bewahren, ihnen Stimmen Gehör zu verschaffen, und auf einen nachhaltigen Wiederaufbau hinzuarbeiten.

Am Welttag der humanitären Hilfe sollten wir uns daran erinnern, dass hinter jeder Statistik ein Mensch mit einer Geschichte steht. Das ist meine Aufgabe als Kommunikatorin. Sich für die Menschheit einzusetzen bedeutet, präsent, mitfühlend und mutig zu bleiben, selbst angesichts immenser Herausforderungen. Diese Arbeit ist nicht nur unsere Entscheidung, sondern unsere gemeinsame Antwort auf eine Welt, die dringend humanitäre Helferinnen und Helfer braucht. Mögen unsere Handlungen stets diese Berufung widerspiegeln -Nada Abu Taleb.

Anmerkungen:

  • Das vergangene Jahr war das tödlichste Jahr für humanitäre Helfer aller Zeiten. Im Jahr 2024 wurden 383 humanitäre Helfer getötet - die höchste Zahl, die jemals verzeichnet wurde.
  • Nun wird das Jahr 2025 voraussichtlich noch schlimmer werden. Jeden Tag werden mehr Hilfskräfte getötet, während sie versuchen, Leben zu schützen, hungernde Kinder mit Lebensmitteln zu versorgen oder Krankenhäuser unter Beschuss zu betreiben.
  • Am heutigen internationalen Welttag der humanitären Hilfe (World Humanitarian Day) ruft Islamic Relief Deutschland die internationale Gemeinschaft dazu auf, im Sinne der humanitären Hilfe zu handeln und Hilfskräfte bei ihrem lebensrettenden und oftmals gefährlichen Einsatz zu schützen.

Quelle: Islamic Relief Deutschland e.V. (ots)

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