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Aufruf warnt vor Folgen von Unvernunft: „Situation wie vor dem Ersten Weltkrieg“

Archivmeldung vom 07.05.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.05.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Artillerie bestimmte das Kriegsgeschehen maßgeblich
Artillerie bestimmte das Kriegsgeschehen maßgeblich

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die Rückkehr zu „angewandter Vernunft in den internationalen Beziehungen“ fordert ein Aufruf, den inzwischen mehr als 1000 Menschen unterstützen. Für Bruno Redeker, einen der drei Initiatoren, gehört das westliche Verhalten gegenüber Russland zu den Gründen. Er spricht sich für ein neues Kapitel in den Beziehungen aus.

Zu den Gründen für den Aufruf zählt laut Mitinitiator Bruno Redeker unter anderem, dass nach seinem Empfinden „in der politischen Praxis und in unserer medialen Öffentlichkeit Russland und sein Präsident nicht unbedingt fair behandelt werden“. Das sagte er im Gespräch mit Sputnik. Redeker ist Geschäftsführer der Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft Deutschland. Der Physik-Didaktiker hat gemeinsam mit dem Ex-Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat und dem Dirigenten Justus Frantz den Aufruf verfasst.

Er ist am 14. April auf der Homepage der Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft veröffentlicht worden. Darin wird unter anderem gefordert, „in gemeinsam angewandter Vernunft neue Wege in der Gefahr zu suchen, zu finden und zu gehen – neue Wege zu einer ‚Friedens- und Sicherheitsordnung von Vancouver bis Wladiwostok‘, wie sie in der ‚Pariser Charta für ein neues Europa‘ angelegt ist“.

Gefährliche Irrtümer

Ein weiterer Grund für den Aufruf sei die Eskalation von Provokation und Gegenprovokation sowie Sanktionen und Gegensanktionen. Dieses gegenseitige Hochschaukeln erinnere ihn an die Situation vor dem Ersten Weltkrieg, sagte Redeker. Damals habe es auch den „großen Irrtum“ gegeben, die Situation sei beherrschbar.

Auf die Frage, warum der Westen die russischen Angebote auch von Wladimir Putin zur Zusammenarbeit nicht wahrgenommen hat, riet Redeker, an das Vertrauen aus den frühen 1990er Jahren anzuknüpfen. Es sei mit Michail Gorbatschow und Boris Jelzin und ihren westlichen Partnern aufgebaut worden und habe zum Beispiel weitreichende Abrüstungsschritte ermöglicht.

Ungenutztes Vertrauen

Doch dieses Vertrauen sei in der Folge durch den Westen aus machtpolitischen Interessen vernachlässigt worden. Der Geschäftsführer verwies dabei auf das Buch von Zbigniew Brzezinski „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“. Darin gehe es darum, das Ende des US-Imperiums soweit wie möglich nach hinten zu verschieben. Diese Blaupause für internationale Beziehungen sei „nicht immer vernünftig gehandhabt worden“, meinte Redeker im Interview. Damit sei die historisch einmalige Situation von Vertrauen zwischen beiden Seiten ungenutzt geblieben. Schließlich sei auch mit „gespaltener Zunge“ gesprochen worden: „Das, was man sich selber zubilligt, gilt auf keinen Fall für den anderen.“

Der Mitinitiator des Aufrufes konnte von einer guten Resonanz berichten. Das zeige sich an den 77 Erstunterzeichnern und mehr als 950 weiteren Unterzeichnenden. Dazu gehören Persönlichkeiten mehrerer Länder, so der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, der deutsche Historiker Jörg Baberowski, der russische Politikwissenschaftler Wladislaw Below, der russische Ökonom Ruslan Grinberg, der französische Philosoph Rémi Brague, der polnische Philosoph Andrzej Bronk, der österreichische Physiker Christian Fabjan, der ehemalige SPD-Vorsitzende und brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck, der Publizist und Autor Alfred Grosser aus Paris, der Politologe Alexander Rahr, der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily und viele andere.

Mediales Desinteresse

Allerdings haben die deutschen Medien bisher kaum darüber berichtet – im Unterschied zu Sputnik. Bisher habe es kaum inhaltliche Beiträge dazu gegeben, berichtete Redeker. Er kündigte an, dass die Initiatoren den Aufruf auch über die sogenannten Sozialen Medien verbreiten wollen.

Der Geschäftsführer der Weizsäcker-Gesellschaft vermutet als eines der Motive für die vorwiegend ablehnenden Reaktionen auf solche Aufrufe, „dass man irgendwo spürt, dass ein gerütteltes Maß an Verantwortung auf unserer Seite liegt, auf der Seite des Westens“. Er erinnerte in dem Zusammenhang an Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 . Der russische Präsident sei als „Kalter Krieger“ daraus hervorgegangen, während er in der Rede im Wesentlichen die Schwierigkeiten skizziert habe, stabile Verhältnisse in Russland zu gestalten. Zugleich habe er erneut für ein besseres internationales Verhältnis plädiert, aber nicht um jeden Preis. Ein weiteres Motiv sieht Redeker in dem oft unausgesprochenen Wissen um die kontraproduktiven Effekte der westlichen Sanktionspolitik.

„Der Aufruf zu gemeinsam angewandter Vernunft wäre nicht notwendig, wenn die gemeinsam angewandte Vernunft der Normalzustand wäre. Ich habe den Eindruck, dass die gemeinsam angewandte Unvernunft der Normalzustand ist und dass darum die Vernunft eine Aufgabe ist.“

Notwendiger Bewusstseinswandel

Der gemeinsame Aufruf beruft sich auf den deutschen Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker. Dieser hatte bis 1942 am Uran-Projekt der deutschen Faschisten mitgearbeitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg warnte er immer wieder vor den Gefahren der Nuklearwaffen und setzte sich für internationale Abrüstung sowie einen entsprechenden gesellschaftlichen Bewusstseinswandel ein. Die Erfindung der Atombombe sei für ihn ein „Weckersignal“ gewesen. Im Aufruf wird er zitiert:

„Eine komplizierte Gesellschaft in raschem Wandel wie die unsere kann nicht überleben, geschweige denn die besten Wege finden ohne Einsicht. Einsicht aber wird uns nicht ohne vorherige äußerste Anstrengung der Wahrheitssuche gegeben.“

Dem könne nur schlecht widersprochen werden, betonte Redeker. Es gehe nicht darum, zu behaupten, die Wahrheit zu besitzen, sondern gemeinsam nach ihr zu suchen. Er erinnerte an eine weitere Aussage von Weizsäckers: „Ich bin dann bereit, eine Position zu kritisieren, wenn ich sie ebenso gut verteidigen könnte.“ Das bedeute nicht, jede Position zu verteidigen. Es heiße aber, sich damit so zu beschäftigen, dass jemand, der das tut, seinem potenziellen Gesprächspartner und dessen Position vielleicht besser versteht als dieser selbst.

Neues Kapitel

Auch heute gelte die Erkenntnis des deutschen Physikers, dass Konflikte nicht mit Nuklearwaffen ausgetragen werden dürfen – „wenn wir nicht die Zivilisation Europas und der Welt aufs Spiel setzen wollen“. Es gehe um einen Bewusstseinswandel, der sich in der Bevölkerung schon lange zeige: „Die wollen keinen Krieg mehr – aber es gibt Interessen.“ Redeker ist klar: Die Wahrheitssuche könne schmerzhaft sein, weil sie zwangsläufig die eigenen Irrtümer, Fehler und Versäumnisse aufdeckt.

Kritiker meinen, der Aufruf, der auf der Homepage der Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft veröffentlicht wurde, sei zu ungenau und verwische konkrete Verantwortlichkeiten. Darauf reagierte der Mitinitiator mit einem Bibel-Zitat: „Wer da ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ Das meint aus seiner Sicht, es gibt keine Nulllinie, keinen voraussetzungslosen Anfang. Es komme darauf an, wie mit den aktuellen Problemen und Konflikten umgegangen werde, sagte Redeker. Er forderte dazu auf, ein neues Kapitel aufzuschlagen, um weiter zu kommen – „ein neues Kapitel, das nicht unbedingt aufrechnet, aber nach einer Lösung sucht, mit der alle leben können“. Es gehe nicht zuletzt, wie im Aufruf geschrieben, darum, „den vielfältigen Lebensentwürfen der Völker in ihren individuellen Facetten eine verlässliche und menschenwürdige Zukunft zu sichern“."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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