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Bericht: BND half NSA bei politischer Spionage

Archivmeldung vom 29.04.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.04.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Uwe Schlick / pixelio.de
Bild: Uwe Schlick / pixelio.de

Die Abhöreinrichtung des Bundesnachrichtendienstes (BND) im bayerischen Bad Aibling ist nach Feststellung von Regierungsexperten jahrelang für Spionage gegen europäische Staaten missbraucht worden: Das berichten "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR. Demnach zählen zu den Betroffenen hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des Élysée-Palastes und der EU-Kommission. Hinweise auf gezielte Wirtschaftsspionage soll es dagegen nur vereinzelt geben.

Unternehmen seien nach den bisherigen Feststellungen vor allem betroffen, weil die USA nach Hinweisen auf illegale Exportgeschäfte suchten. Innenminister Thomas de Maizière, der sich dem Vorwurf der Verschleierung gerade in der Frage der Wirtschaftsspionage ausgesetzt sieht, bot am Mittwoch an, wegen der Geheimhaltungspflichten vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium und dem NSA-Untersuchungsausschuss auszusagen: "Je schneller, je besser." Er betonte, er habe sich nichts vorzuwerfen. "Der Kern ist die politische Ausspähung unserer europäischen Nachbarn und von EU-Institutionen", sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person den drei Medien.

Deutsche Politiker befinden sich dem Bericht zufolge nach bisherigem Stand nicht auf der Liste, deutsche Unternehmen sollen ebenfalls kaum betroffen sein. Eine Vereinbarung zwischen der NSA und dem BND aus dem Jahr 2002 sieht einen Schutz für deutsche und US-Personen und Einrichtungen vor.

BND und Kanzleramt haben das Ausmaß der Affäre noch nicht abschließend ermittelt: In vielen Fällen lägen nur die Mail-Adressen vor, die von der NSA in die Computer in Bad Aibling eingespeist wurden, berichten SZ, WDR und NDR. Daraus ergebe sich, wo die ausgespähten Personen gearbeitet haben, ihre Funktion müsse aber festgestellt werden. Inzwischen sei die Suchpraxis in Bad Aibling geändert worden - Mails mit der Endung .eu etwa seien automatisch für die Erfassung gesperrt worden. Ähnliche Regeln gälten für alle europäischen Partnerstaaten. Alle von den USA seit Beginn der Kooperation angelieferten Suchworte würden nun noch einmal überprüft. Ihre Zahl sei riesig: Allein im Jahr 2013 waren es dem Bericht zufolge 690.000 Telefonnummern und 7,8 Millionen IP-Suchbegriffe. In einer sogenannten Ablehnungsdatei seien 40.0000 Suchbegriffe gelandet.

Das Ausmaß der NSA-Spionage in Europa soll erst im August 2013 durch einen Unterabteilungsleiter der Technischen Aufklärung entdeckt worden sein. Er soll dies jedoch bis März 2015 weder der BND-Spitze noch dem Kanzleramt mitgeteilt haben. 2005 habe es erste Hinweise auf den Missbrauch der Station durch die NSA gegeben, dennoch seien die Suchbegriffe nicht systematisch überprüft worden, wie dies in einer internen Anweisung des BND gefordert worden war.

Der damalige Kanzleramtschef und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière sei im Februar 2008 darüber informiert, "dass die US-Seite versucht, die Erfassung auf Bereiche auszudehnen, die nicht im gemeinsamen Interesse liegen" worden. Einzelheiten wurden de Maizière nach derzeitigem Kenntnisstand aber nicht mitgeteilt, allerdings 2010 seinem Nachfolger Ronald Pofalla, berichten die drei Medien weiter.

De Maizière weist Vorwurf der Lüge entschieden zurück

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Vorwürfe in der Affäre um die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem US-Geheimdienst NSA entschieden zurückgewiesen. "Die Informationen, um die es hier geht, stammen aus Unterlagen, die als `Geheim` oder `Streng Geheim` eingestuft sind. Deswegen bin ich außerstande, mich öffentlich zu diesen Vorwürfen oder Fragen zu äußern", erklärte der Innenminister am Mittwoch. "Ich halte mich an die Regeln, das gehört auch zu meinem Verständnis vom Staat im Umgang mit geheimen Informationen." Er bedaure dies, so de Maizière weiter. "Es läge auch in meinem Interesse, die Dinge öffentlich klar zu stellen, denn es sind Unterstellungen. Sie sind nicht wahr, und das ergibt sich aus den Unterlagen selbst. Ich bin deswegen gerne bereit, den zuständigen parlamentarischen Gremien umfassend Auskunft zu geben über mein Wissen und meine Erinnerung."

Er wünsche sich, dass dies so schnell wie möglich geschehe, "damit alles, was da jetzt in die Welt gesetzt wird, aus meiner Sicht klar gestellt wird", so de Maizière weiter.

Hintergrund der Vorwürfe ist eine parlamentarische Anfrage der Linken bezüglich einer versuchten Wirtschaftsspionage durch den US-Geheimdienst NSA. Das Innenministerium hatte dazu noch Mitte April erklärt: "Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor." Die Linke wirft der Bundesregierung nun vor, in ihrer Antwort auf die Anfrage gelogen zu haben, nachdem bekannt geworden war, dass das Bundeskanzleramt bereits seit 2008 über die Spionagepraktiken informiert gewesen sein soll. De Maizière war von 2005 bis 2009 Chef des Kanzleramts.

Leutheusser-Schnarrenberger fordert Aufklärung von de Maizière

Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Stellungnahme zu der Zusammenarbeit des US-Geheimdienstes NSA und des Bundesnachrichtendienstes (BND) verlangt. "Der Bundesinnenminister muss sich endlich erklären und die Rücksichtnahme auf die NSA muss endlich ein Ende haben", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der "Welt". Sie ergänzte: "Die Bundesregierung hat die Grundrechte der Bürger zu schützen und nicht verfassungswidriges Ausspähen durch Geheimdienste."

Leutheusser-Schnarrenberger wies darauf hin, dass sie bereits im Sommer 2013 als Ministerin die Einrichtung einer ressortübergreifenden Taskforce der Bundesregierung gefordert hatte, die "alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten zu Aufklärung und Abwehr von umfassender Überwachung durch die USA" habe prüfen sollen. Passiert sei jedoch nichts.

Ex-BND-Präsident warnt vor überzogenen Reaktionen

Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hans-Georg Wieck, hat mögliche Versuche des US-Geheimdienstes NSA kritisiert, mit Hilfe des BND europäische Unternehmen auszuforschen, vor überzogenen Reaktionen aber ausdrücklich gewarnt. "Dass Geheimdienste gegen Verbündete arbeiten, halte ich für zwecklos", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Das sei nach den Enthüllungen des einstigen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden aber nichts Neues. Die Frage sei im Übrigen, wie Deutschland versuche, auf einen Verbündeten wie die USA einzugehen. Da gebe es belastende Faktoren, die bewältigt werden müssten. "Aber nicht durch den Rausschmiss des Partners, sondern durch Korrekturen."

Vorwürfe, Deutschland verhalte sich gegenüber den USA wie ein Vasall, wies der 87-Jährige jedenfalls zurück. Vasallentum liege vor, wenn die USA zum BND oder der Bundesregierung sagten: "Das musst Du jetzt machen. Sonst kündigen wir die Zusammenarbeit auf." Das sei aber hier nicht der Fall. Zudem habe es von deutscher Seite ja offenbar Korrekturwünsche gegeben. Wichtig sei, dass die Karten auf den Tisch kämen – wenn auch nicht unbedingt in aller Öffentlichkeit, sondern in vertraulichen Bundestagssitzungen. "Sonst kommen wir nicht weiter. Im Moment haben wir nur ein Rühren in Empfindlichkeiten."

Wieck, der von 1985 bis 1990 amtierte, widersprach schließlich dem Eindruck, dass der BND nicht ausreichend kontrolliert werde, weil die personellen Verflechtungen mit dem Regierungsapparat zu groß seien. "Eigene Erfahrungen und Insiderwissen sind da hilfreich", erklärte er. "Sonst ist es schwer, Zusammenhänge zu erkennen und einzuschätzen." Der notwendige Abstand sei zweifellos vorhanden. Darüber hinaus gebe es in Demokratien eine parlamentarische Kontrolle. Das sei in autoritären Systemen vollkommen anders.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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