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Obama muss zunächst ein Präsident der innenpolitischen Reformen werden

Archivmeldung vom 14.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Barack Obama ist nicht zu beneiden. Die Erwartungen an ihn sind mindestens so groß wie die Aufgaben, vor denen der erste schwarze Präsident der USA stehen wird. ,,Obama muss zunächst ein Präsident der innenpolitischen Reformen werden", sagt der Politologe Prof. Dr. Christian Hacke in einem Interview mit der Landeszeitung Lüneburg.

 Barack Obama hat einen überragenden Wahlsieg errungen. Haben Sie mit diesem großen Vorsprung gerechnet?

Professor Dr. Christian Hacke: Nein. Ich habe geglaubt, dass die Vorbehalte ihm gegenüber größer sein würden. Was war Obamas größte Stärke im Wahlkampf, was hat ihn so überzeugend gemacht für die Wähler? Hacke: Es war ein Kampf Charisma gegen Mythos. Das Charisma Obamas hat sich im Laufe des Wahlkampfes nicht verbraucht, sondern wurde im Gegenteil immer eindrucksvoller. Sein Charakter, sein differenziertes Weltbild, die kluge Wahlkampfführung, die Abgewogenheit der Argumentationen --- all das hat den Wähler wohl überzeugt, dass er -- trotz möglicher Vorbehalte wegen seiner Hautfarbe -- der bessere Mann für das Präsidentenamt ist. McCains im Vietnam-Krieg entstandener Mythos hingegen konnte angesichts der neuen politischen Herausforderungen keine Wirkung mehr erzeugen.

Welche Bedeutung hat es Ihrer Ansicht nach, dass Obama der erste afroamerikanische Präsident der USA ist?

Hacke: Das hat für die Afroamerikaner eine enorme Bedeutung. Für sie ist es endlich der Beweis, dass der amerikanische Traum auch für Schwarze im politischen Bereich bis zum höchsten Amt möglich ist. Diese unglaubliche Entwicklung fördert die Integration in dem multirassischen und multiethnischen Staat ganz enorm. Gleichzeitig wird aber Obama darauf achten müssen, dass er alle anspricht und nicht nur als schwarzer Präsident regiert. Seine bisherigen Ausführungen zur Außen- und Innenpolitik zeigen aber deutlich, dass er alles tun wird, um diesen Eindruck nicht aufkommen zu lassen.

Obama hatte seinen Wahlkampf unter das Motto ,,Change" gestellt. Nun erwartet ganz Amerika einen Neuanfang. Hat Obama innenpolitisch angesichts der enormen Probleme wie Finanzkrise und Haushaltsdefizit überhaupt Spielraum, um die großen Erwartungen zu erfüllen?

Hacke: Der Spielraum ist enorm eingeengt. Aber Obama hat die Bevölkerung schon da"rauf eingestimmt, dass die USA einen langen Weg vor sich haben. Die Probleme in der Innenpolitik sind so groß, dass Obama zunächt ein Präsident der innenpolitischen Reformen werden muss. Obama wird sich linken und rechten Forderungen aus den Reihen seiner Partei ausgesetzt sehen. Ich gehe aber davon aus, dass Obama einen Mittelweg suchen und finden wird. Die außenpolitischen Probleme sind zwar deutlich, aber leichter zu lösen. Das Ansehen der USA in der Welt wiederherzustellen, erfordert Stil, Takt und kluge Entscheidungen. Dies alles ist von Obama zu erwarten. Dann wird sich das, was sich als Anti-Amerikanismus zeigte, sehr schnell als Anti-Bushismus in Luft auflösen. Aber die strukturellen Prob-leme in der Innenpolitik -- vor allem die Staatsverschuldung -- werden Obama noch schwer zu schaffen machen. Dennoch bin ich sicher, dass er frischen Wind in die Politik bringt. Es wird ein Aufbruch in eine neue Zeit. ,,Die Frage, wozu Europa dient, ist nicht mehr aktuell. Wir sind jetzt Partner", hat der französische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Bernard Kouchner kürzlich gesagt. Glauben Sie, dass Europa künftig von den USA als vollwertiger Partner ernst genommen wird? Hacke: Das desaströse Erbe der Regierung Bush und die Führungslosigkeit der USA im westlichen Bündnis und in der Weltpolitik mag manche in Europa veranlasst haben, diese Schwäche und Orientierungslosigkeit der USA als Stärke Europas zu interpretieren. Aber ich denke, dass auch unter Obama mit sehr viel Geschmeidigkeit, Klugheit und Raffinesse, zugleich jedoch mit klarem Gespür für amerikanische Interessen, Forderungen an die Europäer herangebracht werden. Diesen wird sich Europa sehr viel schwerer verschließen können als früher gegen einen etwas plumpen und arroganten Bush. Glauben Sie, dass Obama die Politik der Provokationen gegenüber Russland fortsetzen wird? Hacke: Mein Instinkt sagt mir, dass er das nicht tun wird. Unter McCain wären wir allerdings in eine Zeit gekommen, in der wir uns nach Bush zurückgesehnt hätten. Denn McCain ist der Scharfmacher gegenüber den Russen gewesen. Das hat sich zuletzt in der Georgienkrise gezeigt. Obama hat hingegen mit der martialischen Haltung McCains nichts am Hut. Ich glaube, er wird sehr progressiver und kooperativer mit den Russen umgehen. Er wird mit größerem Verständis für die russischen und auch die chinesischen Interessen agieren. Er wird auch da ein Brückenbauer sein und so handeln, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel in den vergangenen Jahren vorexerziert hat: Abstimmung, Konsultation, Diplomatie. Dies stärkt die Stellung der USA auch in Gemeinschaftsinstitutionen wie der UNO. Die neuen globalen Fragen wird er in größerer Kooperation mit den Europäern angehen. Russlands Präsident Medwedew hat gerade angekündigt, Raketen an den NATO-Grenzen aufstellen zu wollen. Kommt auf Deutschland im Hinblick auf sein relativ gutes Verhältnis zu Russland künftig eine noch stärkere Vermittlerrolle zu? Hacke: Das kommt darauf an, ob wir vermitteln können oder ob die Amerikaner wieder so stark werden, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen. Unsere Vermittlerrolle basierte auf der Sprachlosigkeit zwischen Washington und Moskau, die sich, glaube ich, bald zum Besseren verändert. Zudem sollten wir unsere Vermittlungsmöglichkeiten nicht überschätzen. Angesichts der Kriege in Afghanistan, im Irak und den Problemen in Pakistan wird Deutschland -- auch im Rahmen der NATO -- künftig sehr viel stärker gefordert werden. Wir werden uns nicht länger drücken können.

Sie gehen also davon aus, dass wir auch in Pakistan einen Beitrag leisten müssen?

Hacke: Das Afghanistan-Problem ist nur zu lösen, wenn auch das Pakistan-Problem gelöst wird -- auch mit nicht-militärischen Mitteln. Hier erwarte ich von Obama, dass er den Krieg gegen den Terror sehr viel intelligenter führen wird. Wie das aussehen wird, bleibt abzuwarten. Klar scheint aber zu sein, dass Obama im Rahmen dieses Kampfes stärkere Forderungen an Europa stellt. Weltpolitisch hatten wir lange ein Machtvakuum, hatten keine Führung durch die Amerikaner. Der Westen war zerstritten. Viele sahen Amerika und Europa als zwei Teile des Westens, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben müssen. Dieses Machtvakuum wird wieder von den Amerikanern unter Obama aufgefüllt. Einige in Europa werden zwar Schwierigkeiten haben, sich wieder daran zu gewöhnen. Aber meiner Meinung nach ist amerikanische Führung unabdingbar. Vor allem, wenn es um harte Machtfragen geht und wenn militärische Drohungen angebracht sind. Glauben Sie, dass Obama die von Bush verfolgte Politik der Annäherung an Indien fortsetzen wird, um einen Gegenpol zur künftigen Weltmacht China zu bilden? Hacke: Ich glaube nicht, dass er diesen Kurs aufgibt. Denn es war schon ein Gewinn und auch klug von Bush, die Beziehungen zur -- salopp formuliert -- größten Demokratie der Welt zu verbessern. Ich glaube auch, dass Obama -- nicht zuletzt aufgrund der eigenen Herkunft -- ein stärkeres Gewicht auf Afrika legen wird. Er wird gegenüber der Dritten Welt die Vorbildrolle der USA als zivilisatorische Vormacht herausstellen, als ein Land, das wieder stärker mit nicht-militärischen Mitteln in der Weltpolitik wirken will. Das wird dann natürlich auch bei den Europäern gut ankommen.

In Handelsfragen waren die US-Demokraten immer schon eher protektionistisch veranlagt. Bremst dies die Freude in China über den Sieg Obamas, der dort populärer ist als McCain?

Hacke: Das muss man abwarten -- und kann es nicht pauschal beantworten. Denn auch bei den Demokraten gibt es durchaus Anhänger einer freien Marktwirtschaft. Protektionismus ist keine originär demokratische Idee, sondern man findet sie auch bei Republikanern mit isolationistischer, konservativer Prägung. Was in den USA viel stärker im Vordergrund stehen wird, sind die wirtschaftlichen He-rausforderungen und die neuen globalen Fragen. Amerikas Wirtschaft wieder fit zu machen, ist vorrangig -- und geht natürlich nicht von heute auf morgen. Großbritanniens Premier Gordon Brown erwartet von Obama eine ,,starke Führung in der Finanzkrise". Glauben Sie an eine vorsichtige Abkehr vom angelsächsischen Kapitalismus unter Obama? Hacke: Das ist sehr schwer zu beurteilen. Denn es gibt verschiedene Kapitalismusmodelle. Zwar scheint es so, als hätten das Thatcher- oder das Reagan-Modell ausgedient. Und angesichts der Finanzkrise wird mehr Staat in den USA gefordert. Doch solche Maßnahmen sind prinzipiell unpopulär: Die Amerikaner mögen nicht mehr Staat. Auf der anderen Seite wird mehr Sozialversicherung nötig sein, wird mehr zu tun sein bei der Bankenaufsicht, wird es viele weitere große Aufgaben geben. Das hat Obama als erster selbst erkannt. Er ließ sich keine Euphorie nach dem Wahlsieg anmerken, sondern stimmte die Amerikaner gleich auf eine lange, harte Zeit ein. Obama ist ein enorm kluger Mann. Er beherrscht die Zwischentöne. Der Mann weiß, was er will. Und er weiß, was für das Land gut ist. Ich denke, dass Obama die Amerikaner intelligent führen wird. Und dass sich die Amerikaner unter seiner Führung sehr viel sicherer fühlen werden als es unter dem Vorgänger der Fall war. Das Interview führte Werner Kolbe

Quelle: Landeszeitung Lüneburg

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