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Renzis Fiasko: Großbanken haben sich bei Referendum verzockt

Archivmeldung vom 05.12.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.12.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Andrea Damm / pixelio.de
Bild: Andrea Damm / pixelio.de

Was bedeutet das Scheitern von Matteo Renzi beim Referendum am Sonntag für Italien, aber auch für ganz Europa? Darüber sprach Sputnik mit dem Journalisten und Italien-Experten Moritz Enders.

Im Interview, das von Armin Siebert geführt wurde und auf der deutschen Webseite des russischen online Magazins "Sputnik"nachzulesen ist, heißt es: "Herr Enders, Italien hat sich gegen eine Verfassungsreform entschieden. Ist das gut oder schlecht? Italien: Renzi scheitert bei Verfassungsreferendum und will zurücktreten

Was zunächst einmal positiv ist, dass die Italiener sich im Vorfeld sehr mit dieser Verfassungsreform auseinandergesetzt haben. Das war schon einmal gelebte Demokratie. Und was jetzt die Verfassungsreform selbst angeht, muss man unterscheiden, denke ich, zwischen dem, was Renzi gesagt hat, wozu sie sei, und wozu sie wirklich geführt hätte.

Es wurde ja verkauft als etwas, was Italien schneller und effizienter machen sollte. Es gibt Hinweise darauf, dass viele Investmentbanken aktiv mitgeschrieben haben an der Verfassungsreform. Unter anderem GP Morgan. Die hätten sich wohl mit Herrn Renzi ins Vernehmen gesetzt und das Ziel sei es gewesen, eine Verfassung zu stricken, die marktkonform funktioniert. Das heißt, ein großes Interesse an der Umsetzung dieser Verfassungsreform hatten große Banken, Investmentbanken und die großen Konzerne.

Italien ist hoffnungslos überschuldet und vor allem die Banken befinden sich in einer prekären Schieflage. Welche Bedeutung hat der Ausgang des Referendums für die Banken? Finanzexperte Ernst Wolff zu Referendum in Italien: Probleme der Banken unlösbar

Die Banken sind schon eine ganze Weile in einer Schieflage. Das prominenteste Beispiel ist die Bank Monte dei Paschi di Sienna, die sich durch Misswirtschaft in diese Lage gebracht hat. Da steht jetzt gerade eine Kapitalerhöhung an. Und es wird geunkt, dass diese Kapitalerhöhung nun nicht zu Stande kommt, weil Renzi das Verfassungsreferendum verloren hat. Das kann man aber auch als Entschuldigung nehmen. Man wird nicht umhin kommen, früher oder später eine generelle Lösung für das Bankensystem zu finden, unabhängig davon, ob jetzt noch einmal eine Kapitalerhöhung stattfindet oder nicht.

Wie könnte so eine Lösung aussehen?

Was die Monte dei Paschi anbelangt, ist im Gespräch, dass der Staat sich daran beteiligt, also dass die Bank teilverstaatlicht wird.

Die sitzen auf etwa 45 Mio. Euro faulen Krediten und das Kuriose daran ist, man weiß gar nicht genau, an wen die ausgereicht wurden, diese faulen Kredite. Und das macht die Sache natürlich undurchsichtig. Die Kredite muss man dann wahrscheinlich irgendwie abschreiben. Im Anschluss an die Monte dei Paschi müsste wohl das ganze Bankensystem saniert werden, sprich, man müsste eine Trennung zwischen Geschäftsbanken und Privatbanken anstreben.

Ohne Hilfe der EZB dürfte Italien doch kaum von seinen Schulden runterkommen?

Das ist das nächste Problem, wie kommen wir jetzt aus der Nummer raus. Da wäre die EZB wahrscheinlich der „lender of last resort“ und auch, wenn es jetzt erstmal rhetorische Rückzugsgefechte geben wird von Herrn Schäuble und Konsorten, denke ich, wird das am Ende die EZB richten müssen. Italien ist einfach zu groß, um unter den ESM schlüpfen zu können.

Aber die Wirkung scheint sich ja doch etwas langfristiger zu entfalten. Am Morgen nach dem Referendum sind Dax und Euro jedenfalls noch nicht abgeschmiert. Tauziehen um Flüchtlinge: Rom droht mit Veto gegen EU-Haushalt

Es ist einfach so viel Geld im Umlauf, dass man nicht weiß, wohin damit. Das Gleiche hatten wir ja auch nach dem Wahlsieg von Trump, dass geunkt wurde, dass die Börsen zusammenbrechen und dann hatte der Dow Jones einen neuen Höchststand erreicht. Ich glaube, das ist alles voneinander entkoppelt. Es ist unglaublich viel Geld im System und das sucht nach Anlagemöglichkeiten und insofern denke ich, dass solche Geschichten wie ein Referendum, das nicht im Sinne der Befürworter ausgegangen ist, da nicht viel ändern wird. Das ändert aber nichts daran, dass wir natürlich mit unserem ganzen Finanzsystem mittlerweile in eine Schieflage geraten sind.

Warum kommt Italien nicht auf die Beine? Hohe Jugendarbeitslosigkeit, Schulden…

Renzi ist ja vor zwei Jahren angetreten als Verschrotter, der die verkrusteten Strukturen abschaffen wollte. Ich glaube aber, dass die Probleme Italiens weiter zurückreichen. Als Italien dem Euro beigetreten ist, hat das nicht dazu geführt, dass die Schulden abgebaut, sondern nur kreativ versteckt wurden. Das heißt, man hat diese Probleme eigentlich immer weiter verschleppt und die Bankenkrise schwelt jetzt seit 2007 so vor sich hin.

Wäre eine EU ohne das Kernland Italien denkbar?

Das glaube ich nicht, aber man sollte hier unterscheiden zwischen Euro und EU-Zugehörigkeit. Der Euro liegt ja inzwischen schon seit mehreren Jahren auf der Intensivstation, und wir sollten schauen, wenn wir Europa retten wollen, dass wir das voneinander entkoppeln.

Man müsste jetzt Konzepte haben, wie man mit so einer Währungsunion umgeht. Ich denke mal, wenn wir Europa retten wollen, müssen wir das Korsett ein bisschen lockern, dass der Euro Italien auferlegt. Insofern müsste man schauen, dass man die Sachen getrennt voneinander diskutiert mit dem Ziel, Europa in der einen oder anderen Form retten und bewahren können."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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