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NSA überwacht pro Monat 500 Millionen Verbindungen in Deutschland

Archivmeldung vom 01.07.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.07.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Oleg Rosental / PIXELIO
Bild: Oleg Rosental / PIXELIO

Die Überwachung Deutschlands durch den US-Geheimdienst NSA ist offenbar viel umfangreicher als bislang angenommen: Geheime Dokumente der NSA, die der "Spiegel" einsehen konnte, offenbaren, dass der Geheimdienst systematisch einen Großteil der Telefon- und Internetverbindungsdaten kontrolliert und speichert, allein in der Bundesrepublik werden laut einer internen Statistik des Geheimdienstes monatlich rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen überwacht.

Darunter versteht die NSA sowohl Telefonate als auch Mails, SMS oder Chatbeiträge. Gespeichert werden in Fort Meade, dem Hauptquartier der Organisation, die Metadaten, also wann welcher Anschluss mit welchem Anschluss verbunden war. Die Statistik, die der "Spiegel" eingesehen hat, weist für normale Tage bis zu 20 Millionen Telefonverbindungen und um die zehn Millionen Internetdatensätze aus.

An Heiligabend 2012 überprüften und speicherten die Amerikaner rund 13 Millionen Telefonverbindungen und halb so viele Daten von Internetverbindungen. An Spitzentagen wie dem 7. Januar 2013 spioniert der Geheimdienst bei rund 60 Millionen Telefonverbindungen.

Damit ist die NSA in Deutschland so aktiv wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Zum Vergleich: Für Frankreich verzeichneten die Amerikaner im gleichen Zeitraum täglich im Durchschnitt gut zwei Millionen Verbindungsdaten. Aus den geheimen NSA-Unterlagen geht auch hervor, dass Frankfurt im weltumspannenden Netz eine wichtige Rolle einnimmt, die Stadt ist als Basis in Deutschland aufgeführt.

Aus einer vertraulichen Klassifizierung geht hervor, dass die NSA die Bundesrepublik zwar als Partner, zugleich aber auch als Angriffsziel betrachtet. Demnach gehört Deutschland zu den sogenannten Partnern dritter Klasse. Ausdrücklich ausgenommen von Spionageattacken sind nur Kanada, Australien, Großbritannien und Neuseeland, die als zweite Kategorie geführt werden. "Wir können die Signale der meisten ausländischen Partner dritter Klasse angreifen – und tun dies auch", brüstet sich die NSA in einer Präsentation, die der "Spiegel" eingesehen hat.

Giegold bringt deutsche Hilfe für Whistleblower Snowden ins Spiel

Der finanz- und wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, hat die Hilfe Deutschlands für den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden ins Spiel gebracht. Hintergrund sind jüngste, auf Snowdens Informationen basierende Meldungen, nach denen der US-Geheimdienst NSA auch EU-Einrichtungen ausgespäht hat.

Mit seinem Geheimnisverrat habe Snowden keine Persönlichkeitsrechte verletzt, sagte Giegold "Handelsblatt-Online": "Er hat uns aber allen einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Denn nun werden Regierungen erklären müssen, was ihre Geheimdienste gegen Bürger und Verantwortliche sogar befreundeter Staaten unternehmen." Wie andere Whistleblower verdiene er den Schutz des Staates.

"Snowden hat deshalb verdient, Asyl in Deutschland gewährt zu bekommen. Die Bundesregierung sollte ihm ein Asylangebot machen." Giegold würdigte den Nutzen von Enthüllungen nach dem Beispiel Snowdens: "Ich wurde in das Europaparlament gewählt, um gegen Exzesse im Finanzsystem und Steueroasen zu streiten. Ohne den Kontakt zu Whistleblowern in Banken und Fondsgesellschaften wie auch Behörden wäre meine Arbeit gar nicht effektiv möglich", erläuterte der Grünen-Politiker. Die Weitergabe geheimer Informationen sei gerade in Brüssel weit verbreitet. Die formellen Informationswege ins Parlament seien hingegen viel zu schwerfällig.

Umfrage: Jeder Dritte würde Snowden bei sich Unterschlupf bieten

Für jeden zweiten Deutschen (50 Prozent) ist der weltweit gesuchte Datenskandal-Enthüller Edward Snowden ein Held. Für 20 Prozent ist er eher ein Verräter. 30 Prozent der Deutschen sind unentschlossen. Das ist das Ergebnis einer Emnid-Umfrage im Auftrag von "Bild am Sonntag". 35 Prozent der Deutschen würden ihn sogar bei sich zu Hause verstecken. 61 Prozent würden das nicht tun.

Gleichzeitig sind 59 Prozent der Deutschen der Meinung, dass Snowden Asyl gewährt werden sollte, 27 Prozent halten es für besser, ihn an die USA auszuliefern. Trotz der Enthüllungen fürchten aber nur 29 Prozent der Deutschen, dass ihre persönlichen Daten von amerikanischen oder britischen Geheimdiensten gesammelt und ausgewertet werden. 70 Prozent fürchten das nicht. Emnid befragte am Mittwoch 504 Personen.

Steinmeier: Bundesregierung muss "Datensammelwut" unterbinden

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier fordert die Bundesregierung auf, die Datensammelwut britischer und amerikanischer Geheimdienste zu unterbinden. Steinmeier sagte "Bild am Sonntag": "Die Dimensionen sind unvorstellbar. Niemand hat eine Trennlinie gezogen zwischen dem, was zur Sicherheit notwendig ist, und dem, was die Freiheit der Bürger beschädigt. Bis es darüber eine dauerhafte Verständigung insbesondere mit unseren amerikanischen und britischen Partnern gibt, muss die Bundesregierung darauf bestehen, dass die Datensammelwut spürbar eingeschränkt wird."

Für Steinmeier geht es bei der Datenkontrolle um "die zentrale Bürgerrechtsfrage dieses Jahrhunderts". Ob es sich bei Eduard Snowden, der als Geheimdienstmitarbeiter den Datenskandal enthüllte, um einen Verräter oder einen Helden handelt, entscheide im Zweifel die Geschichte."

Unzweifelhaft ist, dass Snowdens Handeln erst eine öffentliche Debatte ermöglicht hat", so Steinmeier. Der ehemalige Geheimdienstkoordinator trifft Vorsichtsmaßnahmen, um ein Ausspähen seiner Daten zu verhindern: "Ein Abschöpfen von Daten kann niemand – auch ich nicht – völlig ausschließen. Deshalb schreibe ich meine SMS und Mails so, dass sie auch das Risiko des Mitlesens aushalten. Wenn es wirklich wichtig ist, bevorzuge ich das persönliche Gespräch."

Stasi-Beauftragter Jahn: Sammeln von Daten durch USA nicht mit Stasi-Methoden zu vergleichen

Die Sammlung privater Daten durch demokratische Staaten wie die USA und Großbritannien ist nach Ansicht des Leiters der Stasi-Unterlagen-Behörde, Roland Jahn, nicht mit den Methoden des ehemaligen DDR-Geheimdienstes zu vergleichen. Das sei "Hysterie", schreibt Jahn in einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin "Focus".

Der Vergleich bagatellisiere die Diktatur. In der DDR habe der Staat "menschenrechtswidrig Informationen gesammelt und damit seine eigenen Bürger kaltgestellt - aus Angst vor deren Freiheitswillen". Heute würden zwar auch in demokratischen Staaten massenhaft Informationen über die Kommunikation der Bürger gesammelt, doch "zumindest dem Anspruch nach will eine Demokratie den Bürgern Sicherheit geben und handelt aus diesem Motiv heraus".

Der Vergleich von dem Sammeln privater Daten durch demokratische Staaten mit dem der DDR "hält uns davon ab, das zu tun, was notwendig ist: nämlich in der offenen Informationsgesellschaft Kriterien zu entwickeln, nach denen wir einen Umgang mit Daten organisieren", so Jahn. Die Flut an Informationen wecke Begehrlichkeiten. Das sei "auch eine Gefahr in der Demokratie, zumal, wenn verbündete Staaten mit dem Sammeln von Daten nationale Interessen verfolgen".

Jahn plädierte für eine "qualifizierte Diskussion darüber, wie sich Staat und Bürger in diesem Feld miteinander ins Benehmen setzen". Der Staat müsse sorgsam mit Daten umgehen und die Persönlichkeitsrechte der Bürger respektieren. "Und er muss sich der offenen Diskussion über das Sammeln von Daten stellen. In dieser Diskussion hilft auch der Blick auf die Stasi, denn er schärft die Sinne, um Gefahren für die Demokratie zu erkennen. Hysterie und Stasi-Vergleiche helfen nicht".

Spähprogramme: Rösler fordert Aufklärung von USA und Großbritannien

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat von den Amerikanern und Briten Aufklärung darüber gefordert, ob ihre Spähprogramme auch der Wirtschaftsspionage dienen. "Als Bundesminister für Wirtschaft und Technologie sei mir der Hinweis gestattet: Ich gehe davon aus, dass die Informationsbeschaffung ausschließlich das Ziel hat, den Terrorismus zu bekämpfen", sagte der FDP-Vorsitzende der "Welt".

Wirtschaftsspionage sei "zumindest eine Frage, die es auszuschließen gilt". Auch deshalb fordere er Transparenz. Zugleich rief Rösler die Verbündeten dazu auf, die Tätigkeit ihrer Geheimdienste an eine "umfassende parlamentarische Kontrolle" zu knüpfen. In Deutschland klappe das vergleichsweise gut, in anderen Ländern "oft nicht". Darüber müsse man diskutieren, mindestens unter europäischen Partnern. Es sei nachvollziehbar, dass Staaten an Informationen interessiert seien, um Terrorismus zu bekämpfen. "Aber dabei muss man sich an ein rechtsstaatliches Regelwerk halten, die Informationsbeschaffung muss verhältnismäßig sein und transparent gemacht werden."

Künast: USA betreiben "unvorstellbar umfassende Spionageaktion"

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast hat den USA vorgeworfen, "unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung" eine "unvorstellbar umfassende Spionageaktion gegen befreundete demokratische Staaten" zu betreiben. "Offenbar ist niemand vor Ausspähung sicher und für die USA gilt: Wir alle sind für sie Verdächtige", sagte Künast am Sonntag mit Blick auf neuerliche Berichte über die Spionagepraxis der Vereinigten Staaten.

Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssten unverzüglich und ernsthaft die Rechte ihrer Bürger, Unternehmen und Institutionen vertreten, forderte Künast. "Wenn Angela Merkel jetzt noch behauptet, dies gehöre in bilaterale und geheime Gespräche, dann gibt sie sich der Lächerlichkeit preis."

Die Grünen-Fraktionschefin forderte die Kanzlerin zudem dazu auf, "ernsthaft die Einleitung eines Klageverfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof" zu prüfen und "die Abstellung dieser illegalen Praktiken" zu fordern. "Und Verhandlungen über ein sogenanntes Freihandelsabkommen, dessen Inhalt vor den eigenen Bürgerinnen und Bürgern geheim gehalten wird, während die USA Inhalt und Strategie systematisch ausspähen, darf die EU jetzt getrost vergessen", so Künast. "Wenn wir uns angesichts dieser massiven Aushöhlung unserer Rechte nicht wehren, sind die Menschen- und Bürgerrechte insgesamt und weltweit infrage gestellt."

Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert US-Spähprogramm scharf

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat mit scharfer Kritik auf neuerliche Berichte über die Spionagepraxis der Vereinigten Staaten in Deutschland und Europa reagiert. "Wenn die Medienberichte zutreffen, erinnert das an das Vorgehen unter Feinden während des Kalten Krieges. Es sprengt jede Vorstellung, dass unsere Freunde in den USA die Europäer als Feinde ansehen", sagte die Justizministerin am Sonntag. "Es muss endlich, sofort und umfassend von amerikanischer Seite erklärt werden, ob Medienberichte über vollkommen unangemessene Abhörmaßnahmen der USA in der EU zutreffen oder nicht."

Ein "Rundherumausspionieren der Europäer durch die Amerikaner" dürfe es nicht geben, betonte Leutheusser-Schnarrenberger. Die Aufklärung sämtlicher Vorwürfe über die Überwachungsmaßnahmen der Vereinigten Staaten in der EU sei auch eine Angelegenheit für Kommissionspräsident José Manuel Barroso, "der sich dessen sofort und persönlich annehmen muss".

Sollten die EU-Vertretungen in Brüssel und Washington vom amerikanischen Geheimdienst tatsächlich abgehört werden, könne dies wohl kaum mit dem Argument der Terrorismusbekämpfung erklärt werden, so Leutheusser-Schnarrenberger weiter. 

CSU-Spitzenpolitiker Ferber wirft USA "Stasi-Methoden" vor

Der Chef der CSU-Abgeordneten im Europaparlament, Markus Ferber, hat die USA scharf für die Abhöraktionen in EU-Gebäuden kritisiert: "Ein demokratischer Rechtsstaat, der mit Stasi-Methoden arbeitet, macht sich selbst als moralische Instanz höchst unglaubwürdig", sagte Ferber der "Welt". "Das hat Vertrauen zerstört."

Ferber sieht jetzt Amerika am Zug: "Es ist jetzt die Aufgabe der USA, das Vertrauen der Europäer wiederzugewinnen. Die anstehenden Freihandelsgespräche wären ein guter Anlass dafür", sagte er der Zeitung. Die USA und die EU haben erst kürzlich die Verhandlungen für ein Handels- und Investitionsabkommen gestartet.

Grüne wollen Untersuchungsausschuss wegen Datenskandal

Als "unfassbar" und "absolut erschreckend" hat Katrin Göring-Eckardt die neuesten Enthüllungen im NSA-Datenskandal bezeichnet. "Ich finde, im Europa-Parlament muss es einen Untersuchungsausschuss geben, der das klärt, der das aufklärt", sagte sie im ersten Sommerinterview des ARD-Berichts aus Berlin. Gefragt sei auch die deutsche Bundesregierung, "die sehr deutlich gegenüber den USA, auch Großbritannien klar machen muss, was sie von solchen Überwachungsaktionen hält".

Für Bundesinnenminister Friedrich sei der Moment gekommen, "dass er mal sagen muss, wie man eigentlich die deutschen Bürgerinnen und Bürger vor so etwas bewahren kann".Die Grünen-Spitzenkandidatin forderte außerdem, die Verhandlungen über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen auszusetzen."Ich kann mir nicht vorstellen, dass Verhandlungen geführt werden, über die die europäischen Bürgerinnen und Bürger nichts wissen dürfen, aber die USA hört permanent mit."

Ein Zustandekommen des Freihandelsabkommens könnte sie sich "unter diesen Bedingungen nicht vorstellen". Göring-Eckardt bekräftigte auch ihr Nein zu einer schwarzgrünen Koalition, falls es nach der Bundestagswahl nicht für eine rotgrüne Mehrheit reiche. Für die Inhalte, die die Grünen anstrebten, gelte: "Das wird mit der Union nicht gehen." Auch ein rotrotgrünes Bündnis nach der Wahl schloss sie aus.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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