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Europas historische Lehren: Einschätzung: „Ungenügend“?

Archivmeldung vom 18.03.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.03.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Flickr.com/coda/cc-by-nc-sa 3.0
Bild: Flickr.com/coda/cc-by-nc-sa 3.0

Die Kriegsdämonen könnten in Europa erneut erwachen. Mit dieser extravaganten, jedoch durchaus motivierten Mahnung ist der Ex-Chef der Eurogruppe und Luxemburgs Premier, Jean-Claude Juncker, aufgetreten. Seiner Meinung nach erinnere die jetzige Situation in der Alten Welt frappierend an Anfang des vergangenen Jahrhunderts, an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, der zu einer radikalen Umgestaltung der ganzen Welt geführt habe. Und zwar nicht gerade in einer besseren Richtung.

Ilja Charlamow analysiert in einem Beitrag für Radio "Stimme Russlands" die Aussagen von Jean-Claude Juncker. Darin heißt es: "Immer häufiger treten europäische Politiker wenn nicht mit apokalyptischen, doch zumindest ziemlich lauten und beunruhigenden Erklärungen auf. Jean-Claude Juncker, einer der anerkannten Intellektuellen und einer der besonders erfahrenen Politiker der Alten Welt, würde wohl kaum diese Worte ohne triftigen Grund fallen lassen. Dafür ist er ein zu versierter Mann. Das heutige Europa werde bei allem äußeren Glanz und Wohlergehen von Gegensätzen zerfleischt. Und was besonders gefährlich ist: Diese Gegensätze haben einen Systemcharakter aufzuweisen. Können sich die dramatischen Ereignisse eines der blutigsten Kriege in der Geschichte der Menschheit wiederholen? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Voraussetzungen für ein negatives Szenarium gibt es jedoch genug.

Nach Junckers Ansicht seien die wichtigsten Gefahren eine Kollision der nationalen Interessen der miteinander konkurrierenden europäischen Schlüsselmächte, eine riesige Nichtausgeglichenheit der wirtschaftlichen und der sozialpolitischen Entwicklung der EU-Länder sowie die fortschreitende Schichtung der Gesellschaft. Ein solches Bild veranlasse einen, sich von Zeit zu Zeit die Möglichkeit für einen Zerfall der Europäischen Union in Erwägung zuziehen, der unvorsehbare Folgen haben würde. Das wichtigste Megaprojekt der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts würde im Falle seines Scheiterns definitiv zu einer kardinalen Umstellung der weltweiten Kräfte führen. Übrigens wäre es nach Auffassung von Jewgenija Wojko, Expertin des Zentrums für politische Konjunktur, verfrüht, in Panik zu verfallen: Die jetzige Situation unterscheide sich doch etwas von dem, was vor 100 Jahren gewesen ist:

„Damals stand der potentielle Aggressor, das Land, welches gegen die anderen europäischen Staaten losziehen kann, fest. Es ging um Deutschland, das sich stürmisch militarisierte. Und daher ließ sich der Spannungsherd gut durchblicken. Heute zählen die EU-Länder ganz bestimmt nicht zu den sich militarisierenden Staaten. Im Gegenteil, es liegt eine Tendenz vor, die Gewaltkomponente innerhalb der EU auszuschließen.“

Nichtsdestoweniger sieht Juncker in den Bestrebungen jetziger europäischer Politiker eine gefährliche Verteidigung der engen nationalen Interessen. Auch der alltägliche Nationalismus wächst. Solche zentrifugale Tendenzen rufen bei ihm die größte Besorgnis hervor. Die separatistischen Stimmungen in Bezug auf die EU wurden durch die jüngsten Wahlkampagnen in Griechenland und Italien anschaulich demonstriert, bei denen die deutschlandfeindliche Rhetorik zum „Hit der Saison“ wurde. Wenn man berücksichtigt, dass Deutschland die anerkannte Wirtschaftslokomotive der EU ist, bezeichnet der luxemburgische Premier die Ausfälle gegen dieses Land als europafeindlich. Er erinnert ferner an die Konflikte in Bosnien und Kosovo, bei denen Berlins Rolle alles andere als passiv gewesen sei. Nun seien die Europäer auch jetzt, wie in jener Zeit, zu abgespannt und sich der engen Wechselbeziehungen der Staaten der Alten Welt sicher. Doch in einem Moment könnte sich das als ein unverzeihlicher Irrtum erweisen.

Die Epochen des Wohllebens bergen stets verdeckte Gefahren in sich, meint Alexander Täwdoj-Burmuli, Dozent am Moskauer staatlichen Institut für internationale Beziehungen (MGIMO):

„Heutzutage fällt es schwer, von einem Krieg in mittelfristiger Perspektive zu sprechen, aber die krisenhaften Tendenzen nahmen in den letzten Jahrzehnten unter dem Deckmantel des scheinbaren Überflusses und Wohlstandes unterschwellig zu. Und nun sind sie zutage getreten. Der Integrationsprozess verlangsamt sich, innerhalb der Integrationsgruppierung zeichnet sich eine Trennungslinie ab, was die weitere Annäherung anbelangt. Doch wird der verdeckte Antagonismus wohl kaum zu einem Krieg im Rahmen der EU führen.“

Man sollte feststellen, dass Juncker nicht nur vom Krieg im direkten zwischenstaatlichen Sinne spricht. Und in erster Linie gehe es um die Kontrolle über die Ressourcen. Genauso dramatische Auswirkungen würden auch soziale Explosionen haben. Gerade zu ihnen könnte der Verzicht auf die Politik der Haushaltseinsparungen führen. Die nicht enden wollende Vervielfältigung von neuen Schulden und das Wachstum der Erwerbslosigkeit riskierten, früher oder später die Ursache für eine Revolution in Europa zu werden, fasst Juncker zusammen. Die Massenunruhen der Immigranten in einer Reihe von europäischen Ländern hätten bereits gezeigt, dass diese Besorgnis nicht grundlos sei. Und im gleichen Atemzug teilt er auch sein Rezept mit, wie das vermieden werden könnte: Es komme darauf an, sich nach dem Beutel zu richten und unpopuläre Reformen umzusetzen. Doch hat dieses Modell einen wesentlichen Mangel, nämlich den, dass die funktionierenden Politiker daran nicht interessiert sind. Sind ja Versprechungen von gutem Auskommen und Gedeihen eine bewährte Methode, die Zuneigung der Wähler zu gewinnen. Wenn auch für fremde Rechnung."

Quelle: Text Ilja Charlamow - „Stimme Russlands"

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