EU-Rekordhaushalt? Kürzungen bei Biodiversität und nachhaltiger Landwirtschaft gefährden Wirtschaftsstandort Europa

Bild: Unbekannt / Eigenes Werk
Der vorgestellte mehrjährige Finanzrahmen der EU sieht zwar vor, dass 35 Prozent des Haushalts für Klima-, Umwelt- und Naturschutz eingesetzt werden sollen, lässt aber offen, was darunterfällt und kürzt zentrale Programme.
Der BNW fordert von der EU-Kommission, dass sie Haushaltsgelder verbindlich für nachhaltige Investitionen verwendet und beispielsweise den Umbau hin zu einer resilienten Landwirtschaft gezielter unterstützt. Von der Bundesregierung erwartet der Verband eine konstruktive Beteiligung. Die bisherige ablehnende Haltung unter Verweis auf die Konsolidierung der nationalen Haushalte sei mit Blick auf die Pendlerpauschale & Co. in Deutschland nicht haltbar.
"Die EU will ab 2028 mehr investieren. Das ist ein wichtiges Signal, wenn es darum geht, den europäischen Markt auszubauen und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Zukunftsfähiger Wettbewerb gelingt aber nur, wenn Umwelt und Klima nicht hinten runterfallen. Der Erhalt von Biodiversität, intakten Ökosystemen und konstanten Grundwasserpegeln ist zentral für große Bereiche der gesamten Wirtschaft - und existenziell für die europäische Land- und Ernährungswirtschaft" so Prof. Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V.
Geschrumpfter Agrarhaushalt
Zwischen 2028 und 2034 will die EU nur noch 300 Milliarden für die Landwirtschaft bereitstellen. Besonders problematisch ist die Aushöhlung gemeinsamer Umwelt- und Klimastandards innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik. Insbesondere die zweite Säule, die zentrale Förderinstrumente für Biodiversität, den Erhalt von Grünland und die Stärkung ländlicher Regionen umfasst, verliert an Verbindlichkeit. Statt verlässlicher und einheitlicher Rahmenbedingungen droht dann ein unübersichtlicher Flickenteppich nationaler Einzelregelungen.
Subventionen ohne Mehrwert für das Gemeinwohl
"Für eine zukunftsfähige, resiliente Landwirtschaft braucht es langfristige Planungssicherheit, einheitliche ökologische Standards und gezielte Anreize für umwelt- und klimafreundliches Wirtschaften - das weiß auch die Kommissionspräsidentin", so Reuter. Ohne verbindliche Kriterien für Klima- und Umweltschutz würden nicht nur bisherige Fortschritte in Gefahr geraten, sondern auch neue Unsicherheiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen. "Es wäre fatal, wenn künftig Direktzahlungen nicht mehr an öffentliche Leistungen gebunden sind", erklärt Reuter.
Für die langfristige Sicherheit im Agrarsektor braucht es aus Sicht des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft eine Stärkung des Ökolandbaus, der Bio-Forschung und der Bio-Absatzmärkte. Das Ziel der EU, bis 2030 den Anteil des Ökolandbaus auf 25% zu steigern, muss im Finanzrahmen entsprechend gespiegelt und die Bäuer:innen beim Umstieg auf ökologische Landwirtschaft unterstützt werden. "Sicherheit in der Landwirtschaft sind nicht allein Direktzahlungen und Flächenprämien. Sicherheit bedeutet, die Lebensgrundlage der Bäuer:innen zu erhalten - durch mehr Biodiversität, Ökolandbau und Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Landwirtschaft und Umweltschutz müssen einander stärken - nicht schwächen" so Reuter weiter.
Schmerzgrenze 35% für Klima- und Umweltschutz
Der mehrjährige Finanzrahmen sieht vor, mindestens 35% der Mittel für den Klima- und Umweltschutz einzusetzen, lässt aber offen, was darunterfällt und kürzt zentrale Programme. Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft kritisiert den Wegfall von Biodiversität als eigenen Posten. Auch die geplante Auflösung bzw. Überführung des LIFE-Programms in andere Haushaltspläne ist aus Sicht des Verbandes kritisch. "35 Prozent für den Klima- und Umweltschutz - das ist die Schmerzgrenze. Denn erstens reicht das nicht und zweitens fehlen Kriterien für die Mittelverwendung" erklärt Reuter. "Die Förderung der Kreislaufwirtschaft, der Ausbau der europäischen Energieinfrastruktur und der Erneuerbaren sowie eine sozial-gerechten Klimaschutzpolitik - das sind die großen Aufgaben mit Blick auf Europas Wettbewerbsfähigkeit."
Konstruktive Achse Berlin-Brüssel
Für die anstehenden Verhandlungen fordert der Verband die Bundesregierung auf, eine konstruktive Haltung einzunehmen. "Deutschland muss seine Rolle als Netto-Zahler nutzen. Nicht, um das Budget möglichst weit zu drücken und den eigenen Beitrag so gering wie möglich zu halten - sondern um in den kommenden Verhandlungen auf eine ambitionierte und zukunftssichere Wettbewerbspolitik mit mehr Umwelt- und Klimaschutz zu drängen. Dafür braucht es eine konstruktive Achse Berlin-Brüssel, die um die besten Inhalte ringt und so die Wettbewerbsfähigkeit von Europa sicherstellt" so Prof. Dr. Katharina Reuter abschließend.
Quelle: Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (ots)