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Krisendiplomatie – Ukraine, Russland, Europa

Archivmeldung vom 15.02.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.02.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Militärstützpunkte der NATO (USA) und Russland im Vergleich.
Militärstützpunkte der NATO (USA) und Russland im Vergleich.

Bild: SIPER / Eigenes Werk

Die Ereignisse überschlagen sich. Die Interessenlage der Akteure ist unterschiedlich. Bisher konnte man sich noch nicht einmal einigen, worin die Krise genau besteht. Bei aller Unübersichtlichkeit gibt es aber auch die Chance, dass Europa zu sich selbst aufwacht. Dies analysiert Gert-Ewen Ungar im Magazin "RT DE".

Weiter analysiert Ungar auf RT DE: "Manch einer mag bereits den Überblick verloren haben, wer in den letzten Wochen wann zu wem gereist ist, wer mit wem telefoniert hat, wer mit welchen Vokabeln bei welcher Gelegenheit gedroht hat und welche Ergebnisse dabei erzielt wurden – oder eben auch nicht.

Es ist wieder einmal Krise in Europa, wobei die Krise so umfassend ist, dass selbst darüber Uneinigkeit herrscht, worin sie genau besteht. Für den Westen besteht sie in russischer Truppenpräsenz an der ukrainischen Grenze. Wobei der Begriff Grenze hier sehr weit gefasst wird, denn auch Truppen mehrere hundert Kilometer in Russland werden als Bedrohung der ukrainischen Grenze und damit der territorialen Integrität der Ukraine gewertet. Die USA sagen seit November einen unmittelbar bevorstehenden Angriff voraus, der bisher allerdings nicht stattgefunden hat. Der nächste Termin für den von den USA vorhergesagten Überfall Russlands auf die Ukraine ist der 16. Februar.

Für Russland besteht die Krise viel weiter in einer allgemeinen Bedrohung der eigenen Sicherheit durch die immer weitergehende Ausweitung der NATO, die einseitige Kündigung von Abrüstungsverträgen durch die USA und die Stationierung von Truppen an der russischen Grenze. Russland fordert einen Stopp dieser Ausdehnung, was die NATO und die USA allerdings ablehnen.

Worin die Krise für die Ukraine besteht, bleibt etwas unklar. Sie sieht die unmittelbare russische Bedrohung nicht. Sie sei nicht größer geworden, als sie es bisher schon war, meinte der ukrainische Präsident Selenskij. Dessen ungeachtet fordert die Ukraine jedoch Waffenlieferungen und bereitet allem Anschein nach einen Sturm auf den Donbass vor. Sie kann bei diesem Schritt auf Rückhalt von den USA und auch von Deutschland rechnen, denn beide Länder signalisieren, die Minsker Abkommen für die Ukraine nicht weiter für bindend zu halten. Lediglich Frankreich sieht das noch anders.

Die Gemengelage ist schwierig. Es liegt ein Hauch von Gleiwitz in der Luft. Die tagesgenaue Ankündigung des russischen Angriffs durch die USA wirkt wenig vertrauenserweckend und deutet eher auf einen bevorstehenden False-Flag-Angriff hin. Vor allem vor dem Hintergrund der bisherigen Beweisführung der USA in anderen Kontexten, die dann immer den Anfang eines Krieges auf der Basis von Lügen und falschen Anschuldigungen bedeuteten, sollten bei der internationalen Gemeinschaft alle Alarmglocken läuten.   

In diesem Umfeld werden die Antrittsbesuche des deutschen Personals gleich zu diplomatischen Herausforderungen. Bundeskanzler Scholz reiste in die USA, dann in die Ukraine und heute nach Moskau. Der französische Präsident Macron reiste nach Russland, Baerbock ebenfalls nach Moskau und dann gleich zweimal in die Ukraine, die britische Außenministerin Liz Truss zog es für einen recht peinlichen Auftritt nach Moskau. Außerdem trafen sich Scholz, Macron und der polnische Präsident Duda im Weimarer Format. Es wird zudem auch noch viel telefoniert.

Der Grund für diese ausgesprochen dynamische Krisendiplomatie ist insbesondere für die EU ein gleich zweifacher. Zum einen hat sich die Kriegsgefahr in Europa deutlich erhöht. Allerdings weniger wegen einer möglichen russischen Aggression gegen die Ukraine, sondern vielmehr wegen der laufenden Aufrüstung der Ukraine durch westliche Staaten. Zudem gibt es deutliche Signale, dass ein Ausstieg Kiews aus den Minsker Abkommen im Westen Rückhalt finden würde. Das macht einen Angriff auf die autonomen Republiken im Donbass wahrscheinlicher. Sollte das tatsächlich eintreten, wird Russland darauf reagieren. Es ist zu erwarten, dass sich der Donbass dann abspaltet.

Für einen möglichen Überfall Russlands auf die Ukraine gibt es nach wie vor keine Belege. Es sind lediglich Behauptungen seitens der USA. Selbst die Ukraine sieht diese Bedrohung nicht und bittet die USA, Beweise vorzulegen. Es ist generell nicht plausibel, warum Russland diesen Schritt unternehmen sollte. Er wäre nicht rational. Es gibt seitens Russlands keinen formulierten Machtanspruch auf die Ukraine. Es fehlt in Russland darüber hinaus alles, was es an medialer Mobilmachung bedürfte, um für eine derartige Aktion Rückhalt in der eigenen Bevölkerung zu haben. Es spricht alles dagegen. Vom bevorstehenden Überfall sprechen vor allem die USA unter Verweis auf Erkenntnisse der Geheimdienste. Warum dies von der EU ernst genommen wird, bleibt rätselhaft. Zu oft wurde dieses Szenario von den USA schon benutzt, um mit frei erfundenen Behauptungen Kriege zu beginnen.

Dass Russland eine Schlinge um den Hals der Ukraine gelegt haben soll, wie der deutsche Bundespräsident bei seiner Antrittsrede nach seiner Wiederwahl meinte, ist ausgesprochener Blödsinn. Die Schlingen, die um den Hals der Ukraine liegen, wurden alle im Westen geknotet: die Schuldenfalle, in der das Land sitzt, der Ausverkauf der Ukraine, die Durchführung von "Reformen", um das Land für Investoren interessant zu machen, und schließlich die dauernde Schädigung der Wirtschaft durch Kriegsrhetorik. Das BIP der Ukraine liegt heute auf dem Niveau von 1990. An dieser wirtschaftspolitischen Schlinge um den Hals jedes einzelnen Bürgers der Ukraine aber hat Russland keinerlei Anteil. Das ist das Werk der EU und des Westens.

Diese Krise ist zudem noch eine Krise der EU. Aus dem Anspruch eine geeinte, starke außenpolitische Position zu formulieren und zu vertreten, wurde bisher nichts. Die EU wird in Fragen zur Sicherheit auf dem eigenen Kontinent marginalisiert und international nicht gehört. Das hat mehrere Ursachen.

Die wichtigste ist, dass die politischen Führer der Länder der EU und die EU selbst bisher keinen Vorschlag formuliert haben, der für Europa als Ganzes den Aufbau einer stabilen Sicherheitsarchitektur ermöglichen würde. Die Positionen bleiben in der Rhetorik der Konfrontation stecken und stellen im Kern lediglich die Wiederholung der Position der USA dar.

Dass die Außenpolitik der Länder der EU in Washington gemacht wird, wurde beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Scholz in den USA besonders deutlich formuliert. Falls Russland die Ukraine überfallen sollte, wird Nord Stream 2 abgestellt, ließ US-Präsident Biden die Weltöffentlichkeit wissen. Wer glaubt, Deutschland hätte außenpolitisch etwas zu melden, sollte sich diese Pressekonferenz in Erinnerung rufen. Deutschland hat keine eigene außenpolitische Position, sondern folgt dem transatlantischen Diktat. Die ritualisierte Phrasendrescherei von den gemeinsamen Werten kann man sich eigentlich sparen. Die Rede von der regelbasierten Ordnung ebenfalls. Denn die Regeln werden allesamt in Washington gemacht und stellen das Völkerrecht in Frage. Es war unter anderem die aktive Sabotage des Völkerrechts durch westliche Staaten mit der Hinwendung zur sogenannten regelbasierten Ordnung, die zu dem Sicherheitsdefizit führte, das den aktuellen Konflikt mit ausgelöst hat.

Etwas eigenständiger und unabhängiger, dafür aber mehr im Interesse Europas formulierte der französische Präsident Macron nach seinem Treffen mit Putin. Im Gegensatz zur deutschen Außenministerin hält Macron an Minsk II fest und zeigt sich offen für einen Dialog zu strategischen Themen. Macron hat begriffen, dass die von Moskau geforderten Sicherheitsgarantien Sicherheitsgarantien für ganz Europa bedeuten. Von dieser Erkenntnis ist man in Deutschland noch weit entfernt.

Die deutsche Außenministerin machte bei ihrem letzten Besuch in Kiew deutlich, dass die Deutschen bereit seien, wirtschaftlich einen hohen Preis zu zahlen, um der Ukraine zur Seite zu stehen. Wie Baerbock auf die Idee kommt, dies wäre eine Position, die in Deutschland auf Rückhalt treffen würde, bleibt ihr Geheimnis. In den sozialen Netzwerken distanzierte man sich unmittelbar von Baerbocks Aussage. Das macht aber gleichzeitig auch deutlich, wie sich die deutsche Außenministerin der transatlantischen Solidarität mehr verpflichtet fühlt als den Menschen in Deutschland und dem Frieden in Europa. Baerbock macht Politik im Interesse der USA und nicht im Interesse der Deutschen und der Europäer. Da war es nur konsequent, dass der russische Außenminister Lawrow seiner deutschen Kollegin bei ihrem Antrittsbesuch in Moskau deutlich machte, dass man an einer engeren Zusammenarbeit mit ihr kein Interesse hat. Es ist aus russischer Sicht reine Zeitverschwendung.

Selbst bei Themen, wie der Ausstrahlung des Senders RT in Deutschland, verweigerte sich die deutsche Außenministerin. Sie hat damit verpasst, ihren Bekenntnissen an diplomatischen Lösungen interessiert zu sein, Taten folgen zu lassen. Das Thema RT DE fällt in deutschen Hoheitsbereich. Baerbock hätte hier zeigen können, dass es ihr ernst ist mit der Suche nach diplomatischen Lösungen. Sie hat es nicht getan. Im Gegenteil hat sie deutlich gemacht, dass sich deutsche Politik nicht um die Gewährung der Pressefreiheit bemüht. Die Ausflüchte Baerbocks waren offensichtlich vorgeschoben. Es gibt eine politische Verantwortung der Bundesregierung, aktiv für die Grundrechte einzutreten. Baerbock hat das unterlassen. Sich hinter einer regionalen Medienaufsicht zu verstecken, war zudem ein Akt der Feigheit der deutschen Außenministerin.

Auch die britische Außenministerin war in Moskau. Sie glänzte erneut durch geografische Unkenntnis. Das schadet nicht nur dem Image der Außenministerin, sondern gleich dem ganzen Land, für das sie spricht.

Vor diesem Hintergrund sollte die Praxis überdacht werden, wichtige Posten nach anderen Kriterien als ausschließlich nach Qualifikation zu vergeben. Außenminister, die die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verwechseln, haben auf dem Posten genauso wenig zu suchen wie Außenminister, die sich hinter den Entscheidungen einer kleinen Regionalbehörde verstecken und damit ihr diplomatisches Gestaltungspotenzial ungenutzt lassen. Das wirkt hochgradig unprofessionell.

Die nächsten Tage werden auf jeden Fall spannend. Es ist zu hoffen, dass die Außenpolitik der EU aus ihrem transatlantischen Dornröschenschlaf aufwacht und zu einer gemeinsamen Haltung in Bezug auf die Sicherheit in Europa findet. Diese gibt es aber – das macht dieser Konflikt ganz deutlich – nur mit Russland und ohne die USA. Für die USA ist der europäische Kontinent lediglich Spielball im Hinblick auf eigene geostrategische Interessen. An der Stärkung des europäischen Wohlergehens und dem Aufbau einer paneuropäischen Sicherheitsarchitektur haben die USA kein Interesse. Das sollten die Europäer daher endlich selbst in die Hand nehmen."

Quelle: RT DE

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