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Thierry Messan: Der Saudische Selbstmord

Archivmeldung vom 02.11.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.11.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bandar bin Sultan im Juli 2008
Bandar bin Sultan im Juli 2008

Foto: Kremlin.ru
Lizenz: CC-BY-3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Während Saudi-Arabien den katarischen Plan des Sturzes des säkularen syrischen Regimes übernommen hat, scheint Riyad nicht in der Lage, sich an den plötzlichen Rückzug der USA anpassen zu können. Es lehnt nicht nur das russisch-amerikanische Abkommen ab, sondern setzt den Krieg fort und kündigt Vergeltungsmaßnahmen an, um die Vereinigten Staaten zu “bestrafen”. Für Thierry Meyssan entspricht diese Sturheit einem Massenselbstmord der Saud-Familie.

Thierry Meyssan schreibt: "Wird das von den USA in Syrien im Stich gelassene Saudi-Arabien Selbstmord begehen, da es nicht siegen kann? Das könnte sich aus den folgenden Ereignissen schließen lassen: Am 31. Juli 2013 besuchte Prinz Bandar Ben Sultan Russland, wo er nicht nur von seinem Kollegen, dem Leiter des Geheimdienstes, sondern auch von Präsident Wladimir Putin empfangen wurde. Es gibt zwei Versionen dieses Treffens. Die saudische Seite vertritt die Ansicht, Bandar habe im Namen des Königreichs und der USA gesprochen. Bandar habe vorgeschlagen, russische Waffen für 15 Milliarden Dollar zu kaufen, falls Moskau Syrien fallen ließe. Aus russischer Sicht habe er in arrogantem Ton gesprochen und gedroht, Dschihadisten zu schicken, um die Olympiade in Sotchi zu stören, falls Moskau das säkulare Regime in Damaskus dauerhaft unterstützen sollte, und dann auch noch versucht, Moskau zu bestechen. Wie auch immer, Präsident Putin empfand die Worte seines Gesprächspartners als Beleidigung für Russland.

Am 30. September war Prinz Saud Al-Faisal als Sprecher der allgemeinen Debatte der 68. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeschrieben, aber da er über die Erwärmung der iranisch-amerikanischen Beziehungen verärgert war, blieb der Saudi-Minister für auswärtige Angelegenheiten aus, ohne sich zu entschuldigen. In seinem Zorn verweigerte er die Verteilung seiner im Voraus vorbereiteten und gedruckten Rede an die Delegationen.

Am 11. Oktober empfing der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und ehemalige Leiter des US-State-Department für den Nahen Osten, Jeffrey Feltman, eine libanesische Delegation. Er sprach im Namen von Mr. Ban, aber wahrscheinlich noch mehr im Namen von Präsident Obama und kritisierte mit harten Worten die saudische Außenpolitik, die aus “Groll” bestehe und unfähig sei, sich an die verändernde Welt anzupassen.

Am 18. Oktober wählte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 176 von 193 Stimmen Saudi-Arabien ab dem 1. Januar 2014 zum nichtständigen Mitglied des Sicherheitsrates für zwei Jahre. Botschafter Abdallah El-Mouallemi begrüßte diesen Sieg, der “die Wirksamkeit der durch Mäßigung gekennzeichnete saudischen Politik” (SIC!) widerspiegele.

Wenige Stunden später jedoch veröffentlichte Prinz Saud Al-Faisal ein Kommuniqué im Nasserischem Ton über die Unfähigkeit des Sicherheitsrates und die Weigerung des Königreichs, diesem beizusitzen. Auch wenn der zitierte offizielle Hauptgrund das syrische Problem war, hatte der Minister sich den Luxus geleistet, die Palästina-Frage und jene der Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten anzuschneiden und Iran und Israel als Feinde des Friedens zu bezeichnen. Obwohl er sehr wohl wusste, dass die Kritik an der syrischen Politik der Vereinten Nationen eine direkte Infragestellung von Russland und China ist, die ja dreimal ihr Vetorecht angewendet hatten, war dieses Kommuniqué eine Beleidigung für Peking, obwohl China der wichtigste aktuelle Käufer von saudischem Öl ist.

Trotz dieser Kehrtwendung, welche die Organisation bestürzte, wurde sie von den Präsidenten der Türkei und Frankreich stürmisch begrüßt, die erklärten, die “Frustrationen” von Saudi-Arabien über Syrien zu teilen.

Am 21. Oktober schrieb das Wall Street Journal, dass Prinz Bandar Ben Sultan europäische Diplomaten in sein Haus eingeladen habe, die in Riad stationiert sind. Der Leiter des Geheimdienstes hätte mit ihnen von der Saudischen Empörung über die Iranisch-amerikanische Versöhnung und den Abzug des US-Militärs von Syrien gesprochen. Vor den fassungslosen Gästen habe er angekündigt, dass das Königreich als Vergeltung seine Investitionen in Amerika einstellen würde. In Anlehnung an die Vorgänge im Sicherheitsrat wies die Zeitung darauf hin, dass laut Prinz Bandar das Kommuniqué nicht gegen Beijing gerichtet sei, sondern gegen Washington; ein umso interessanterer Hinweis, als er der Situation nicht entspricht.

Angesichts des ungläubigen Staunens, welche Prinz Bandars Kommentare hinterließen, und angesichts der besänftigenden Kommentare aus dem State Department erklärte Prinz Turki Ben Faisal der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Worte seines persönlichen Feindes Bandar sehr wohl dem Standpunkt des Königsreichs entsprächen und dass die neue Politik nicht in Frage gestellt werde. Es geht also nicht mehr um eine Teilung der Macht zwischen den zwei rivalisierenden Zweigen der Herrscherfamilie, den Sudairi und den Schuraim, sondern um ihre gemeinsame Sicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Saudi-Arabien im Juli Russland, vor zwei Wochen China und jetzt die USA beleidigt hat. Das Königreich kündigt an, dass es seine Investitionen in Amerika zurückziehen werde, um sich wahrscheinlich der Türkei und Frankreich zuzuwenden, auch wenn kein Experte versteht, wie das möglich sein sollte. Es gibt zwei mögliche Erklärungen für dieses Verhalten: entweder täuscht Riad Wut vor, damit Washington weiter Krieg in Syrien führen kann, ohne die Verantwortung darüber zu übernehmen, oder die Familie Saud begeht einen politischen Selbstmord.

Die erste Hypothese scheint durch die vor den europäischen Botschaftern geäußerten Worte von Prinz Bandar wenig wahrscheinlich zu sein. Wenn er heimlich für die Vereinigten Staaten spielte, würde er es ja unterlassen, die Revolution bei seinen Verbündeten zu predigen.

Die zweite Hypothese erinnert an das Verhalten der Kamele, die Lieblingstiere der saudischen Beduinen. Sie sind gut dafür bekannt, dass sie sich jahrelang von ihrem Groll treiben lassen und keine Ruhe finden, bevor sie Rache nehmen können, egal um welchen Preis.

Nun steht seit der Ernennung von John O. Brennan zum CIA-Chef im März 2013 das Überleben Saudi-Arabiens auf dem Spiel. Einst in Saudi-Arabien im Amt, ist er ein entschlossener Gegner des Systems, das von seinen Vorgängern mit Riad eingesetzt wurde: Der internationale Dschihadismus. Brennan meint, dass diese Kämpfer jetzt zu zahlreich und schwierig zu handhaben sind, wenngleich sie gute Arbeit damals in Jugoslawien, Afghanistan und Tschetschenien geleistet hatten.

Was zunächst nur ein paar arabische Extremisten waren, die gegen die Rote Armee kämpften, wurde eine Konstellation von Gruppen, die von Marokko bis nach China reicht. Letztlich kämpfen sie mehr für das saudische Gesellschaftsmodell, als für die Vereinigten Staaten. Bereits im Jahr 2001 dachten die USA daran, Al-Kaida zu beseitigen, indem sie es für die Anschläge des 11. September verantwortlich machten. Mit der offiziellen Ermordung von Osama Ben Laden im Mai 2011 haben sie jedoch beschlossen, das System zu rehabilitieren und machten davon auch in Libyen und Syrien umfangreichen Gebrauch. Muammar el-Gaddafi hätte niemals ohne Al-Kaida gestürzt werden können, wie die Gegenwart von Abdelhakim Belhadsch, ehemalige Nummer 2 der Organisation, als Militärgouverneur von Tripolis heute beweist.

Wie dem auch sei, der internationale Dschihadismus soll in den Augen von John O. Brennan zu einem kleinen Ausmaß reduziert werden und nur mehr bei manchen Gelegenheiten als Aushilfskraft für die CIA benutzt werden.

Der Dschihadismus ist nicht nur die einzig wirksame Streitkraft von Saudi-Arabien, dessen zweigeteilte Armee den beiden Clans der Saud-Familie gehorcht, sondern er ist auch seine einzige Daseinsberechtigung. Washington braucht das Königreich aber wegen des Öls nicht mehr und auch nicht, um sich für die Sache des Friedens mit Israel einzusetzen. Daher die Rückkehr des Pentagons zum alten neokonservativen Plan, “die Saudis aus Arabien hinausschmeißen”, nach dem Titel einer Powerpoint-Präsentation im Juli 2002 vor dem politischen Ausschuss des Verteidigungsministeriums. Dieses Projekt sieht die Balkanisierung des Landes in fünf verschiedene Teile vor, aus denen drei voneinander unabhängige Staaten entstehen sollen. Die anderen beiden Gebiete werden anderen Staaten zugeschlagen.

Da die Familie Saud die Kraftprobe mit den USA gewählt hat, gibt es keine andere Wahl. Es ist unwahrscheinlich, dass Washington sich sein Verhalten von einigen wohlhabenden Beduinen diktieren lässt, aber wohl eher vorhersehbar, die es sie zur Ordnung rufen wird. 1975 zögerten sie nicht, König Faysal ermorden zu lassen. Diesmal könnten sie noch radikaler sein.

Quelle: Al-Watan (Syrien) "politaia.org" (Übersetzung: Horst Fröhlich)

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