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Ein Tibeter, der in dem neuen Gefängnis Chushul inhaftiert war, erreicht das Exil

Archivmeldung vom 26.06.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

In seinem Newsletter "Human Rights Update" vom April bringt das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), tchrd.org, ein Interview mit Sonam Dorjee, der kürzlich ins Exil floh.

Der heute 38jährige wurde im Dorf Dasher, Gemeinde Gyama, Kreis Meldro Gungkar, TAR, geboren. Aus einem bäuerlichen Milieu stammend ging er einige Jahr zur Grundschule im Dorf, mußte sie aber später verlassen, um zu Hause bei der Bestellung der Felder zu helfen.

Am 30. Juni 1992 beriefen die Behörden auf dem Gelände der Gemeindeverwaltung von Gyama eine Versammlung ein, zu der über 1.200 Leute kamen. Plötzlich entrollten Thupten Yeshi, Lhundup, Sonam Rinchen, KunchokLodroe und Sonam Dorjee eine tibetische Nationalflagge und riefen "Freiheit für Tibet, China raus aus Tibet, Lang lebe S.H. der Dalai Lama". Die Menschenmenge geriet in Panik, und Chaos brach aus. Nachdem die fünf etwa eine Viertelstunde ihre Parolen gerufen und die tibetischeNationalflagge entrollt hatten, trafen neun Polizisten ein und nahmen alle Protestierenden fest. Zusätzlich wurden zwei Militär-Lastwagen geschickt, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Nach ihrer Festnahme wurden die fünf Tibeter zu dem Kreis-Haftzentrum gebracht, wo jeder einzeln verhört und dabei mit elektrischen Folterwerkzeugen, Stöcken und Seilen mißhandelt wurde. Die Polizeibeamten wollten wissen, wer der Anführer sei, wer den Anschlag geplant und sie zu dem Protest angestiftet habe. Außerdem wurden sie gefragt, ob irgendeine spalterische Gruppe ihre Hand bei dieser Sache im Spiel gehabt habe. Die Festgenommenen gaben an, der Hauptgrund für ihren Protest sei ihre Empörung darüber gewesen, daß die Bauern gezwungen werden, Düngemittel zu überhöhten Preisen zu kaufen. Um eine gute Ernte zu erzielen, müssen sie zweimal im Jahr düngen, deshalb müßten sie dann exorbitante Preise bezahlen. Jeder Sack Düngemittel koste über 200 Yuan. Außerdem, so sagten sie, ichtete sich ihr Protest gegen den massiven Zuzug von Chinesen nach Tibet, was zu einer stets wachsenden Arbeitslosigkeit unter den Tibetern führe. Denn in Tibet reißen die chinesischen Zuwanderer die Märkte an sich, so daß den Tibetern nur sehr wenig Spielraum bleibt, um Geschäfte zu machen.

Alle nannten dieselben Gründe für ihren Protest, was die Ermittler der Polizei stutzig und wütend machte. Sie schlugen die fünf halbtot und traktierten sie am ganzen Körper mit elektrischen Schlagstöcken. Sonam Dorjee wurde so heftig auf den Magen getroffen, daß er kaum mehr atmen konnte. Mit einem Brett um den Hals, auf dem ihre Namen standen, wurden die Häftlinge photographiert und dann am 30. Juni 1992 nach Gutsa verlegt. Dort wurde Sonam jeden Morgen um neun Uhr und jeden Nachmittag um halbvier verhört, wobei er schwer geschlagen und häufig gefoltert wurde.

Während der Verhöre wurden ihm die Arme mittels eines Stricks auf dem Rücken gefesselt und die Finger mit den Elektroschockern traktiert. Die Peiniger steckten zudem Glassplitter zwischen die Fesseln, um die Schmerzen zu vergrößern. Manchmal schlugen sie solange mit Eisenstangen auf die Häftlinge ein, bis sie dessen überdrüssig wurden. Zwölf Tage lang dauerten diese von Folter begleiteten Vernehmungen in Gutsa.

Am 28. Oktober 1992 klagte der Mittlere Volksgerichtshof von Lhasa die fünf Tibeter der "konterrevolutionären Propaganda" an und verurteilte Sonam Dorjee und Konchok Lodroe zu je 13 Jahren Gefängnis mit Entzug der bürgerlichen Rechte für weitere vier Jahre. Sonam Rinchen, Thupten Yeshi und Lhundup wurden zu 15 Jahren Haft und Verlust der bürgerlichen Rechte auf fünf Jahre verurteilt. Am 20. September 1992 wurden alle ins Drapchi-Gefängnis verlegt. Dort wurden sie jeden Morgen wie das Militär gedrillt, indem man sie in einer Reihe rennen ließ. Danach mußten sie in den Gemüse-Gewächshäusern arbeiten. Im Drapchi Gefängnis können die Häftlinge einmal monatlich ihre Angehörigen sehen, aber manchmal wurden ihnen sogar diese Familienbesuche ohne ersichtlichen Grund gestrichen.

Am 1. und 4. Mai 1998, als es in Drapchi zu den bekannten Protesten kam, wurden alle politischen Häftlinge dermaßen gefoltert, daß das ganze Gefängnisgelände blutüberströmt war, und trotzdem wurde jeder einzelne Häftling die ganze Nacht weiter unter Mißhandlungen vernommen. Seit diesen grausamen Folterungen und ununterbrochenen Befragungen hatte Sonam Dorjee ein schweres Herzleiden und verlor von da an täglich mindestens zweimal das Bewußtsein. Am 23. November 1998 wurde er aus medizinischen Gründen auf Bewährung entlassen, damit der Staat nicht für die Ausgaben für seine Behandlung aufzukommen brauchte. Doch nach der Entlassung konnte er sich aus finanziellen Gründen nicht in ärztliche Behandlung begeben und mußte zu Hause bleiben. Am 22. November 2000 wurde er wieder ins Gefängnis geholt, wo er seine Strafe weiter zu verbüßen hatte.

Am 13. April 1994 wurde auch Kunchok Dorjee aus medizinischen Gründen entlassen, denn durch die brutale Folterung und das lange Leiden war er sehr schwach geworden. Auch Sonam Rinchen war infolge der Folter und der unmenschlichen Behandlung lange Zeit krank, aber er erhielt keine ärztliche Versorgung im Gefängnis, so daß sein Zustand schließlich lebensbedrohlich wurde. Erst dann beförderten sie ihn ins Krankenhaus, wo er jedoch zehn Tage später starb. Bei den postmortalen Befunden [vermutlich bei der Himmelsbestattung] stellte sich heraus, daß sein Gehirn durch die Elektrofolterung in Mitleidenschaft gezogen war, seine Rippen gebrochen und seine Lunge schwer geschädigt war. Sein Tod ist der unmenschlichen Behandlung, die er im Gefängnis erlitten hatte, zuzuschreiben.

Am 12. April 2005 wurden alle politischen Häftlinge aus Drapchi, 100 an der Zahl, unter strengster Bewachung nachts in das neu gebaute Gefängnis Chushul transferiert, wobei für jeden Häftling ein Aufseher abgestellt wurde. Die Bedingungen in dieser Haftanstalt sind noch entsetzlicher als in Drapchi, und in jeder Zelle gibt es Überwachungskameras. Die Zellen für die politischen Häftlinge sind sehr klein und niedrig, durch ein winziges Fenster können sie nur ein Stück Himmel und die Spitze eines Berges sehen. Abgesehen von fünf Minuten, die man sie täglich ins Freie läßt, sind die Häftlinge die meiste Zeit in ihren kleinen dunklen Zellen eingesperrt.

Im Chushul Gefängnis wurden die Häftlinge in drei Einheiten eingeteilt: A, B und C. In der Einheit A sind solche, die der Gefängnisobrigkeit Gehorsam leisten und die sich gut benehmen. Sie bekommen ein grünes Schildchen mit ihrem Namen und ihrer Einheit darauf, das sie auf der Brust tragen. Sie werden den anderen gegenüber bevorzugt, indem sie den ganzen Tag in der Sonne sitzen dürfen und bei den Verwandtenbesuchen eine halbe Stunde Zeit zur Verfügung haben. Die Häftlinge der Einheit B, zu denen Sonam Dorjee zählte, dürfen nur einmal täglich und nur für fünf Minuten ihre Zellen verlassen, sie tragen ein gelbes Abzeichen mit ihrem Namen und ihrer Einheit darauf. Bei den Familienbesuchen dürfen sie nur fünf Minuten über Telefon mit ihren Angehörigen sprechen und von diesen nur 1 kg Obst oder Speisen annehmen.

In der Einheit C werden jene Häftlinge gehalten, die sich den Behörden zufolge am schlechtesten benehmen, sie haben ein rotes Abzeichen auf ihrer Brust. Sie dürfen ihre Zellen niemals verlassen und ihre Angehörigen überhaupt nicht treffen.

Die Gefängnisbedingungen in Chushul sind äußerst hart. Obwohl der Tagessatz pro Häftling fünf Yuan beträgt, ist die Kost, die man den Gefangenen gibt, weniger als zwei Yuan wert. Die restlichen drei Yuan werden denjenigen Aufsehern, die am strengsten sind, zur Belohnung gegeben. Das Essen, das die politischen Gefangenen bekommen, ist äußerst dürftig, es wird kein Fett oder Öl zur Zubereitung verwendet. Wegen dieser minderwertigen Kost und der kalten Zellen haben die meisten Gefangenen Probleme mit Magen und Nieren. Sie haben sich wiederholt mit der Bitte um gehaltvolleres Essen und ärztliche Versorgung an die Gefängnisleitung gewandt, aber die chinesischen Aufseher gestehen ihnen diese nur unter der Bedingung zu, daß sie Kritik am Dalai Lama üben. Sonam Dorjee erzählte, man habe sie aufgefordert, sich vom Dalai Lama loszusagen, aber weil sie sich weigerten, dies zu tun, versuchten die Wachen auf jede nur mögliche Weise, Argwohn und Feindschaft unter den Gefangenen zu stiften.

Am 29. Juli 2005 hatte er schließlich seine 13jährige Gefängnisstrafe hinter sich gebracht und wurde entlassen. Die fortwährenden Einschränkungen, denen er selbst nach der Entlassung unterworfen war, machten sein Leben unerträglich. Er holte sich eine Genehmigung, um seinen Wohnort für eine medizinische Untersuchung verlassen zu können, und benutzte die Gelegenheit, um heimlich ins Exil zu fliehen, wo er wohlbehalten eintraf. Seine Freunde Thupten Yeshi und Lhundup befinden sich noch im Chushul Gefängnis, vermutlich bis zum 29. Juni 2007, denn dann geht ihre 15jährige Haftstrafe zu Ende.

Quelle: Pressemitteilung Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)

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