Direkt zum Inhalt Direkt zur Navigation
Sie sind hier: Startseite Berichte Politik "Es muss Änderungen geben, sonst gibt's keine Zustimmung"

"Es muss Änderungen geben, sonst gibt's keine Zustimmung"

Archivmeldung vom 16.12.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Spitze der Großen Koalition droht Ungemach, denn die Gesundheitsreform bleibt höchst umstritten. Gerade aus den Reihen der CDU/CSU wollen sich immer mehr Abgeordnete, insbesondere der jüngeren Generation, dem Kompromissvorschlag entgegenstemmen. Unterstützung finden sie unter anderem beim renommierten Verfassungsrechtler Prof. Helge Sodan und dem Gesundheitsökonomen Prof. Peter Oberender.

Philipp Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union, hat sich schon frühzeitig darauf festgelegt, gemeinsam mit anderen jüngeren Bundestagsabgeordneten seiner Fraktion, dem Gesetz die Zustimmung zu verweigern. Er lehnt die Gesundheitsreform ab, "weil sie weder demographiefest noch generationengerecht ist". Da Wettbewerbsanreize fehlten, könnten die Kosten nicht nachhaltig gesenkt werden. Mißfelders Fazit fällt entsprechend negativ aus: "Die Gesundheitsreform beseitigt nicht die generellen Webfehler im System."

Der Chef des CSU-Nachwuchses, der Europaabgeordnete Manfred Weber, hält den Vorschlag der Koalitionsspitzen zudem für nicht langfristig zukunftsfähig. Bisher hätten Gesundheitsreformen darin bestanden, Leistungen zu kürzen, um die Kosten in den Griff zu bekommen. "Diese Methode ist definitiv am Ende", so Weber. Die notwendigen Maßnahmen gäbe der "gesunde Menschenverstand" vor: "Wenn man weiß, dass Kosten auf uns zukommen, muss Geld zurückgelegt werden." Er fordert, mit der Reform ernsthaft Demographievorsorge zu treffen.

Und auch die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU meldet Bedenken an. Der Vorsitzende der Kommission Gesundheit, Dr. Rolf Koschorrek, verlangt, die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens ernst zu nehmen, 26 Stunden Anhörung dürften "nicht zur Farce verkommen". Der Bundestagsabgeordnete schätzt die Chancen der Kritiker als gut ein. "Es muss Änderungen geben, sonst gibt's keine Zustimmung", so Koschorrek.

Unterstützt werden die Unionspolitiker von namhaften Wissenschaftlern, die Ende November im "Weißbuch der ZahnMedizin" zur Gesundheitsreform Stellung genommen haben. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Berlin, Prof. Dr. Helge Sodan, hat die Einigung der Koalitionsspitzen auf den Prüfstand der Verfassung gestellt. Sein Urteil: Wesentliche Regelungen sind mit dem Grundgesetz unvereinbar. Sodans seit einem halben Jahr geäußerte Bedenken werden nun auch von Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach gestützt, der ein weiteres Scheitern an verfassungsrechtlichen Fragen vermeiden will. Sodan erkennt in den einzelnen Gesetzesteilen eine Missachtung der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, systemwidrige Regelungen und diverse Grundgesetzverstöße. Sein Kollege Peter Oberender, Volkswirtschafts-Professor in Bayreuth, ist von der Regierung enttäuscht, da sie keine wirkliche Reform vorgelegt habe.

Mit dem Umlageverfahren würden die Jüngeren gegenüber den Älteren benachteiligt. Denn wer heute 25 Jahre alt ist, zahlt in seinem Leben 132.000 Euro mehr ins soziale Sicherungssystem ein, als er herausbekommt. Ein heute 65-Jähriger aber erhält 228.000 Euro mehr, als er eingezahlt hat. Der Gesundheitsökonom kritisiert auch das Wettbewerbstärkungsgesetz, "das eigentlich ein Wettbewerbschwächungsgesetz ist". Prof. Oberenders Prognose: Die Gefahr der Einheitskasse besteht, "in der Reform ist mehr Staat als Markt".

Hintergrundinformationen: Beispiele für Gesetzeswidrigkeit der Reform

Beispiel AVWG: Das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung sorgt dafür, dass Ärzte, die wenig Medikamente verschreiben, belohnt werden. Für Professor Helge Sodan, Direktor des Instituts für Gesundheitsrecht, der Weg ins klassische Dilemma. Hält ein Arzt den vorgegebenen Finanz-Rahmen ein, macht er sich eventuell gegenüber seinem Patienten wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar und gleichzeitig schadensersatzpflichtig. Überschreitet er wegen therapeutischer Notwendigkeiten den Schwellenwert, nimmt ihn die Krankenkasse in Regress. Außerdem sieht der Wissenschaftler die grundgesetzlich geschützte ärztliche Therapiefreiheit als Teil der Beraufsausübungsfreiheit bedroht.

Beispiel GKV-WSG: Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz sieht die verpflichtende Einführung eines Basistarifs vor. Dieser Basistarif sorgt dafür, dass die Versicherten, die in eine private Versicherung wechseln, dies ohne die obligatorische Risikoprüfung tun können. Die Privatversicherer sind jedoch darauf angewiesen, das "Risiko", das ein Versicherter mitbringt, so gut abzuschätzen, dass im Falle von Krankheiten der Versicherte nicht mehr kostet, als er einbezahlt. Wer aber per Basistarif ohne Prüfung in eine Private Krankenkasse kommt, kann letztlich den anderen Versicherten schaden, die für die Kosten aufkommen müssen.

Kinder sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung kostenlos mitversichert. Das dazu notwendige Geld soll künftig teilweise aus Steuermitteln aufgebracht werden - im Gegenzug sinken die Tarife. Im Klartext: Ein gesetzlich Versicherter zahlt über den Umweg Steuer mehr Geld, kann aber beim Tarif sparen. Privat Versicherte müssen für ihre Kinder weiterhin einen ganz normalen Beitrag bezahlen. Und zusätzlich bezahlen sie per Steuer die gesetzlich versicherten Kinder mit. "Diese Ungleichbehandlung ist nicht verhältnismäßig", so der Berliner Verwaltungsrechtler Sodan. Das Grundgesetz fordere, alle Kinder zu fördern - ohne zwischen gesetzlich und privat Versicherten zu unterscheiden.

Es ist auch noch umstritten, ob der Gesetzgeber den ausgehandelten Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenkassen überhaupt erheben darf. Laut Sodan handelt es dabei nämlich um keine Steuer, sondern um eine Sonderabgabe, die allerdings nicht gruppennützig ist.

Quelle: Pressemitteilung politikerscreen.de

Videos
Daniel Mantey Bild: Hertwelle432
"MANTEY halb 8" deckt auf - Wer steuert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Mantey halb 8 - Logo des Sendeformates
"MANTEY halb 8": Enthüllungen zu Medienverantwortung und Turcks Überraschungen bei und Energiewende-Renditen!
Termine
Newsletter
Wollen Sie unsere Nachrichten täglich kompakt und kostenlos per Mail? Dann tragen Sie sich hier ein:
Schreiben Sie bitte unten in folgendes Feld um den Spam-Filter zu umgehen

Anzeige