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Außenminister Gabriel im stern über die Türkei-Krise: "Mir blutet das Herz dabei"

Archivmeldung vom 02.08.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.08.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Sigmar Gabriel (2016)
Sigmar Gabriel (2016)

Bild: Eigenes Werk /OTT

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat im Gespräch mit dem Magazin stern, das an diesem Donnerstag erscheint, die türkische Regierung ungewöhnlich scharf kritisiert. "Das Kernproblem bleibt, dass sich die Türkei von der Demokratie entfernt", erklärt Gabriel gegenüber stern-Chefredakteur Christian Krug, "und dass dort Unschuldige in Haft sitzen.

Darunter neun deutsche Staatsbürger." Die wiederholte Ankündigung der Türkei, die Todesstrafe wieder einzuführen, so Gabriel weiter, sei "das Ende der bisherigen Beziehungen zwischen Europa und der Türkei. Das ist völlig eindeutig." Derzeit sei zu sehen, so der Außenminister im stern, "dass die türkische Regierung auf wirtschaftlichen Druck reagiert". Oft brauche es diesen Druck, sagt Gabriel, "und das freut mich nicht. Mir blutet das Herz dabei." Denn die Reisehinweise des Außenministeriums für die Türkei träfen vor allem die Hotelbetreiber und Strandbudenbesitzer im Westen des Landes. Das seien "die deutschfreundlichsten Türken", die es gebe.

Angesichts der Flüchtlingskrise, die er für "eine der entscheidenden Fragen der kommenden Monate und vermutlich Jahre" hält, kristisierte der Außenminister die mangelnde europäische Solidarität in dieser Frage. "Europa ist keine Zugewinngemeinschaft, in der man nur dann mitmacht, wenn man Geld bekommt", so Gabriel gegenüber dem stern.

"Man muss die belohnen, die sich um Flüchtlinge kümmern, und denen Geld streichen, die sich der europäischen Solidarität entziehen. Dennoch sei Europa "Deutschlands Zukunft", erklärt der Außenminister und Vizekanzler, "mit all den Veränderungen, die nötig sind. Und der nationalkonservative Teil der CDU/CSU will diese Veränderung nicht, sondern setzt auf Deutschland als Vormund der Europäer." Vor allem wegen der Unstimmigkeiten mit dem nationalkonservativen Teil der Union hält Gabriel hält das Ende des schwarz-roten Regierungsbündnisses nach der Bundestagswahl für unausweichlich. "Deshalb ist es gut, diese Große Koalition zu beenden".

Nationalkonservative in der Union wie Jens Spahn wollte "den Rüstungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben und dafür die Sozialausgaben kürzen", kritisiert Gabriel. "Das ist mit der SPD nicht zu machen. Deshalb werden wir uns trennen." Bundeskanzlerin Angela Merkel greift Gabriel in dem Gespräch persönlich an: "Angela Merkel war und ist immer so lange eine gute Kanzlerin, solange die SPD auf sie aufpasst", erklärt er, "es ist nur auf die Dauer etwas anstrengend, immer auf die Kanzlerin aufzupassen. Ich kann die SPD verstehen, dass sie das nicht mehr will."

Im Verlauf des Gesprächs, das während seines Familienurlaubs auf Sylt stattfand, spricht Gabriel auch über seine seine persönliche Zukunft. Er habe "keine Existenzängste" und könne sich auch vorstellen, nach der Wahl am 24. September im Bundestag in einer der hinteren Reihen Platz zu nehmen: "Das höchste demokratische Amt ist das des frei gewählten Abgeordneten", so Gabriel, "es ist wichtiger als jedes Regierungsamt und auch wichtiger als das Amt des Bundespräsidenten."

Dennoch würde ihm der Abschied vom Posten des Außenministers nicht leicht fallen, räumt er gegenüber stern-Chefredakteur Christian Krug ein: "Glauben Sie mir, dieses Amt gibt niemand gerne auf."

Quelle: Gruner+Jahr, STERN (ots)

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