Union befürwortet offenen Brief zu Menschenrechtskonvention
Die Unionsfraktion hat sich Forderungen mehrerer europäischer Regierungschefs nach einer Debatte über die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention angeschlossen. "Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein wichtiges Element unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Und gerade deshalb muss sie so ausgelegt werden, dass Staaten ihre innere Sicherheit gewährleisten und ihre Grenzen wirksam schützen können", sagte Fraktionsvize Günter Krings (CDU) der "Welt".
"Die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) macht es an einigen Stellen faktisch unmöglich,
irreguläre Migration rechtssicher zu steuern. Und das, obwohl die
Konvention ein explizites Asyl- oder Flüchtlingsrecht überhaupt nicht
enthält. Gerade weil wir Entscheidungen des EGMR ernst nehmen, muss es
den Vertragsstaaten auch möglich sein, mit den Organen des Europarates
in Dialog zu treten." Er könne es deshalb "sehr gut nachvollziehen, dass
mehrere EU-Staaten eine Diskussion über die Auslegungsspielräume der
Europäischen Menschenrechtskonvention anstoßen wollen", sagte Krings
weiter. Es gehe hier "um eine Rückführung der Rechtsprechung auf das
Fundament der Vertragsdokumente und damit zur ursprünglichen Balance
zwischen individueller Freiheit und staatlicher Schutzverantwortung".
Ralf
Stegner, Ob-Mann der SPD im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags,
hingegen kritisierte den Vorstoß, der unter anderem von Italiens
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrer dänischen Kollegin Mette
Frederiksen kam: "Politik muss sich an Menschenrechten orientieren,
nicht umgekehrt. Die Menschen und Grundrechte gelten immer und für alle.
Das ist ein Grundpfeiler unserer europäischen Gemeinschaft. Das ist
keine Frage für Tagespolitik, sondern das ist eine Grundsatzfrage."
An
"Masseneinwanderungen" sei gar nicht zu denken gewesen, als die
Konvention entwickelt worden sei, sagte der europapolitische Sprecher
der AfD-Fraktion, Peter Boehringer. Die Europäische
Menschenrechtskonvention wurde 1950 unterzeichnet, kurz zuvor hatte es
durch den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust massive Flucht- und
Verteibungsbewegungen gegeben. Die AfD sei offen für eine Überarbeitung
beziehungsweise Reform der Konvention speziell an diesem, von den neun
EU-Staaten thematisierten Punkt. Die richterliche Unabhängigkeit werde
dadurch "noch nicht tangiert", sagte er.
Max Lucks,
Grünen-Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, kritisierte den
Vorstoß scharf: "Ein Angriff auf die Europäische
Menschenrechtskonvention, und das ist dieser Vorstoß zweifellos, ist ein
Angriff auf alle Bürgerinnen und Bürger Europas", sagte der
Grünen-Politiker der "Welt". "Der Vorstoß stellt eine skandalöse
Verschiebung der Paradigmen dar: Weil einige Mitgliedstaaten sich nicht
an das Recht halten, wollen sie nun das Recht ändern. Zuerst auf dem
Rücken Schutzsuchender, aber letztendlich auch zulasten der
Rechtsstaatlichkeit insgesamt."
Clara Bünger, Obfrau der
Linksfraktion im Bundestags-Innenausschuss, nannte es "beunruhigend",
wie gerade im Bereich der Migrationspolitik Grundrechte infrage gestellt
würden. In keinem anderen Rechtsgebiet würden Staaten es wagen, so
offen die eigenen Verpflichtungen zu brechen. "Wer den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte angreift, stellt die Gewaltenteilung
selbst infrage. Es ist die Aufgabe von Gerichten, auch das Handeln von
Regierungen zu prüfen. Wer das unterbinden will, stellt sich außerhalb
rechtsstaatlicher Prinzipien."
Quelle: dts Nachrichtenagentur