Teure und gefährliche Symbolpolitik: Geflüchtete aus der Ukraine bald ohne Krankenversicherung?
Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen Geflüchtete aus der Ukraine bald ohne Krankenversicherung dastehen. Die medizinische Hilfsorganisation Ärzte der Welt kritisiert dieses Vorhaben.
Statt Bürgergeld sollen die Ukrainer*innen in Zukunft soziale Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Dann bestünde nur noch im Fall von akuten Erkrankungen, bei Schmerzen und bei einer Schwangerschaft beziehungsweise Geburt Anspruch auf medizinische Versorgung. Die Änderung soll rückwirkend zum 1. April 2025 in Kraft treten.
"In der Praxis zeigt sich: Die Gesundheitsversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist nicht ausreichend. Das führt in der Regel dazu, dass sich zum Beispiel chronische und psychische Krankheiten verschlimmern", sagt Dr. Johanna Offe, Leiterin Advocacy bei Ärzte der Welt. "Wenn Krankheiten zu Notfällen werden, kommt es dem Gesundheitssystem teurer zu stehen, als wenn man die Menschen präventiv oder bei den ersten Symptomen behandeln würde. Das haben Studien erwiesen."
Die Ministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas hat eingeräumt, dass die Gesetzesänderung kein Geld einsparen würde. Sie umzusetzen würde im Gegenteil zu deutlich höheren Kosten und Bürokratie für die Kommunen führen. Zudem würde sie es geflüchteten Ukrainer*innen schwerer machen, eine Arbeit aufzunehmen. Denn nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind die Jobcenter nicht mehr dafür zuständig, sie zu vermitteln. "Der Gesetzentwurf ist nichts als gefährliche - und teure - Symbolpolitik", so Dr. Offe.
Ärzte der Welt geht zudem davon aus, dass das geplante Gesetz zu erheblichen Lücken in der Versorgung führen würde. In den vergangenen Monaten haben immer mehr Patient*innen aus der Ukraine die von ehrenamtlichen Ärzt*innen durchgeführten Sprechstunden von Ärzte der Welt aufgesucht. Viele hatten auch bei schweren Erkrankungen mehrere Monate keine andere Möglichkeit, sich ärztlich behandeln zu lassen. Die Ursache waren bürokratische Verzögerungen. Denn während die Ukrainer*innen auf ihre Aufenthaltserlaubnis warteten, bekamen sie noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Im Anschluss mussten sie sich für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, also das Bürgergeld, anmelden. Bis der Antrag bewilligt war, blieben auch chronisch kranken Patient*innen und Kindern nur Angebote wie das von Ärzte der Welt, um medizinisch versorgt zu werden. Diese können die Nachfrage aber bei Weitem nicht decken. Für den Fall, dass das neue Gesetz in Kraft tritt, ist mit ähnlichen, potenziell lebensgefährlichen Verzögerungen zu rechnen.
Für die Leiterin der Ärzte der Welt-Advocacy-Abteilung Dr. Johanna Offe ist klar: "Gesundheitsversorgung ist ein Grundrecht und muss für jeden Menschen in Deutschland zugänglich sein. Deshalb fordern wir Politiker*innen dringend dazu auf, das geplante Gesetz zu stoppen!"
Quelle: Ärzte der Welt e.V. (ots)