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Staatschulden mit Bürgerspenden tilgen?

Archivmeldung vom 10.07.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.07.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Seit 2006 können Bundesbürger mit Geldspenden helfen, die Schulden der Bundesrepublik abzutragen. Dem Bundesfinanzministerium ist nicht ganz wohl bei der Sache. Es will dieses staatsbürgerschaftliche Engagement aber auch nicht rüde abwürgen. Im Freistaat Thüringen war man da weniger rücksichtsvoll. Dort wurde ein Spendenkonto wieder geschlossen, berichtet Andreas Peter beim russischen online Magazin "Sputnik".

Weiter heißt es hierzu auf der deutschen Webseite: "Wer demnächst der Bank seines Vertrauens einen Besuch abstattet oder beim Blick auf seinen Online-Kontoauszug mit Erschrecken feststellt, dass sie oder er obszön viel Geld auf der hohen Kante liegen hat und nicht schon wieder einen Lamborghini oder ein Rembrandt-Gemälde kaufen möchte, der kann sein Geld auch für etwas anderes ausgeben. Einfach eine Überweisung tätigen an die

Bundeskasse Halle/Saale bei der Deutschen Bundesbank, Filiale Leipzig

IBAN: DE17 8600 0000 0086 0010 30

BIC: MARKDEF1860

Im Verwendungszweck noch das Stichwort „Schuldentilgung“ einfügen. Und schon hat man oder auch frau die Schulden der Bundesrepublik Deutschland ein Stück kleiner gemacht. Allerdings – um ehrlich zu sein – nur ein sehr kleines Stück kleiner. Denn im Dezember 2018 hatte die Bundesrepublik mehr als 1,2 Billionen Euro Schulden. Das ist eine Zwölf mit elf Nullen. Oder noch anders ausgedrückt: Das sind fast dreieinhalb Bundeshaushalte des Jahres 2019. Und dabei sind das nur die Schulden des Bundes. Rechnen wir die Schulden von Bundesländern, Kommunen und Sozialversicherungen noch hinzu, dann kommen noch einmal mehr als 700 Milliarden Euro oben drauf.

Überschaubare Spendenbereitschaft der Bürger für den Schuldenabbau

Nach Informationen des Bundesfinanzministeriums gingen 2018 etwas mehr als 609.000 Euro auf dem Spendenkonto ein, in 150 Einzelüberweisungen. Dazu muss man wissen, dass 2018 ein echtes Rekordjahr gewesen ist, denn in der Zeit seit Eröffnung des Kontos 2006 bis 2017 verbuchte die Bundesbank etwas mehr als 554.000 Euro an Spenden für die Schuldentilgung. 2008 und 2009 ging kein einziger Cent auf dem Konto ein. Sprich, allein 2018 kam mehr Geld zusammen als in den zwölf Jahren zuvor. Selbst für Menschen, die mit Mathematik auf Kriegsfuß stehen, ist klar ersichtlich, dass die Bürgerspenden die Schuldenlast in einem nicht wirklich messbaren Maße verringern.

Drängt sich umgehend die Sinnfrage für ein solches Konto auf. Doch die Bundesregierung hat nicht vor, das Konto zu schließen. In einer Antwort auf eine Anfrage von FDP-Bundestagsabgeordneten vom 19. Dezember 2018 verneinte die Bundesregierung eine entsprechende Frage, offenbarte bei der Gelegenheit aber auch, warum das Kanzlerinnenamt und das Bundesfinanzministerium nicht wirklich glücklich sind mit dem Spendenkonto, ihm aber so etwas wie einen wohlwollend geduldeten Aufenthaltsstatus zubilligen:

„Das des Bundes wird durch die Bundesregierung nicht beworben und soll auch in Zukunft nicht beworben werden. Aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen sollte der Staat nicht durch aktives Werben um Spenden zum Beispiel für gemeinnützige Zwecke mit gemeinnützigen Einrichtungen bzw. Vereinen konkurrieren. Dem Staat steht das Mittel der Steuererhebung zur Verfügung, um notwendige Ausgaben zu decken und seine Schulden zu tilgen. Zur Finanzierung des Bundeshaushalts ist der Staat nicht auf Spenden angewiesen, und er sollte diesen Eindruck auch nicht durch aktives Werben für Spenden vermitteln. Wenn Bürgerinnen und Bürger einen freiwilligen Beitrag zur Schuldentilgung leisten möchten, sollte diese Möglichkeit aber offenstehen.“

Spenden von Bürgern zusätzlich zu den Steuern zu erwarten, erscheint auch dem Staat zu viel

Denn die Bundesregierung weist daraufhin, dass sie das Spendenkonto nicht aus eigenem Antrieb, sondern aufgrund von hartnäckigem Drängen von spendenwilligen Bundesbürgern eingerichtet hat. Jedoch rechtfertigt das aus Sicht der Bundesregierung nicht die Ausstellung von Spendenbescheiden. Die Argumentation klingt logisch. Steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (AO) sind „gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche“ Zwecke. Dafür gibt es eine Liste im Paragraphen 52 der AO, die 25 Positionen umfasst. Doch die Bundesregierung befindet schnörkellos:

„Der Zweck lässt sich nicht in diesen einordnen. Somit dienen die Zahlungen auf das Schuldentilgungskonto nicht gemeinnützigen Zwecken im steuerlichen Sinne.“

Dem Autor dieses Artikels erscheine es auch einigermaßen seltsam, um nicht zu sagen widersinnig, dem Staat Geld zu spenden, damit er die Schulden abbaut, die er ja nur hat, weil er vorher mehr ausgegeben als an Steuern eingenommen hat, um mit dieser Spendenquittung genau diese Steuerpflicht der Spender zu senken.

Spendenkonto für Schuldentilgung in Thüringen schon wieder Geschichte

Die Frage der prinzipiellen Sinnhaftigkeit eines solchen Spendenkontos zum Zwecke der Schuldentilgung war der Dreh- und Angelpunkt für die derzeit amtierende Regierung des Freistaates Thüringen, das eigene Spendenkonto, das 2012 eingerichtet worden war, Anfang 2018 wieder zu aufzulösen. Das Finanzministerium in Erfurt teilte Sputniknews auf Anfrage mit, am Ende seien „nur noch niedrige Centbeträge mit pseudohumoristischen Überweisungsgründen“ zusammengekommen. 2014 verbuchte die Finanzverwaltung des Freistaates allerdings noch Zahlungseingänge von immerhin mehr als 55.000 Euro. Es sei aber an dieser Stelle an die geschilderten erheblichen Schwankungen der Zuwendungen auf dem Spendentilgungskonto des Bundes erinnert.

Die Idee für das thüringische Spendenkonto hatte 2012 die seinerzeitige Fraktion der Freiheitlich Demokratischen Partei Deutschlands (FDP) im Erfurter Landtag. Die Abgeordneten wollten „ein Zeichen setzen, gegen die zum damaligen Zeitpunkt ausufernde Staatsverschuldung“, wie die FDP Thüringen Sputniknews auf Nachfrage mitteilte. Das Konto war ein „Symbol“, heißt es in der Mitteilung. Dass die in Erfurt regierende Koalition aus Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen das Spendenkonto aufgelöst hat, kritisiert die FDP, die aktuell nicht mehr im Landtag sitzt, nicht per se, denn auch sie registriert, dass praktisch keine seriösen Zahlungseingänge mehr zu verzeichnen waren. Die Kritik ist grundsätzlicher Art. Rot-Rot-Grün nehme das Thema der Haushaltsdisziplin nicht ernst, meinen die thüringischen Liberalen und teilen Sputniknews außerdem mit:

„Der Schuldenberg ist nach wie vor zu hoch. Der Landesregierung ist es nicht gelungen, die sprudelnden Einnahmen aus Steuermitteln ausreichend zu investieren und zugleich Schulden zu tilgen.“

Was die Schuldentilgung angeht, stehen diesem Vorwurf Zahlen des Statistischen Bundesamtes gegenüber, das zumindest für 2018 konstatiert, dass der Freistaat seine Schulden um immerhin 7,5 Prozent verringerte. Damit habe Thüringen nach Bayern und Sachsen auf Rang der Bundesländer mit dem höchsten Schuldenabbau gelegen.

Nordrhein-Westfalen lässt ohne Extra-Konto Spenden zu und weiß offenbar warum

Davon ist das bevölkerungsreichste Bundesland, Nordrhein-Westfalen (NRW) noch weit entfernt. Das Land hat 2018 sogar seinen ohnehin beträchtlichen Schuldenberg von mehr als 167 Milliarden Euro um noch einmal 3,4 Prozent erhöht, wie der Bund der Steuerzahler kritisierte. Nordrhein-Westfalen allein schultert fast 30 Prozent aller Schulden, die von den 16 Bundesländern inzwischen angehäuft wurden.

Die Wirtschaftskraft Nordrhein-Westfalens ist beträchtlich. Sie ist größer als die aller ostdeutschen Länder, inklusive Berlins, zusammengenommen. Wäre NRW ein eigener Staat könnte es Mitglied der G20-Staatengruppe werden. Doch selbst für ein ökonomisch so potentes Land sind Schulden in Höhe von derzeit mehr als 220 Prozent seines Haushaltes auf Dauer ein ernsthaftes Problem. Das war wohl auch die Motivation für einen Bürger, eine Initiative zu starten, um die Landesregierung davon zu überzeugen, Spenden ihrer Bürger anzunehmen, die im ordentlichen Haushalt des Landes verbucht werden können. Diesem Wunsch folgte die Düsseldorfer Landesregierung im Jahr 2015. Allerdings können diese Bürgerspenden für jeden beliebigen Haushaltszweck verwendet und an jede beliebige Zahlstelle des Landes gerichtet werden, so dass in NRW kein explizites Schuldentilgungskonto auf Spendenbasis existiert, stellte das Ministerium der Finanzen  des Landes auf eine entsprechende Nachfrage von Sputniknews klar.

Das Schreiben aus Düsseldorf klingt in einem Punkt ähnlich wie die schon erwähnte Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Das NRW-Finanzministerium schreibt uns:

„Die Sicherstellung der Finanzierung staatlicher Aufgaben ist einer der Kernbereiche exekutiven Handelns. Hierzu leisten die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen mit ihren Steuerzahlungen einen ganz wesentlichen Beitrag. Die Landesregierung beabsichtigt daher nicht, um Beiträge der Menschen und Unternehmen im Land über ihre Steuerpflicht hinaus zu werben.“

Das wäre möglicherweise auch eine enttäuschende Erfahrung. NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) musste unlängst auf eine Kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Herbert Strothebeck einräumen, dass die Spendenbereitschaft für den Haushalt des Landes ausgesprochen dürftig ist. Demnach wurden 2015 ganze zwei Cent verbucht, ein Jahr später 3500 Euro, gefolgt von 2000 Euro im Jahr 2017. 2018 bis zur Kleinen Anfrage im Mai 2019 war der Spendeneingang gleich Null.

Das Ministerium der Finanzen von Nordrhein-Westfalen sieht das gelassen und stellte auch in seiner Antwort an Sputniknews klar, dass es keine besonderen Erwartungen an die Bürger des Landes über die bereits bestehenden Steuerlasten hinaus richte:

„Die bisher eingegangenen Spenden wurden zur Deckung der Ausgaben im Landeshaushalt verwendet. Das Land hat mit der Schaffung der Verbuchungsmöglichkeit keine Erwartung an ein bestimmtes Spendenaufkommen geknüpft. Folglich wird die Höhe der bisherigen Einnahmen neutral betrachtet.“

Und bislang hat die NRW-Landesregierung auch keine Pläne, die Spendenmöglichkeit der Landeskinder für den Haushalt, gleich ob zur Schuldentilgung oder allgemeinen Finanzierung öffentlicher Aufgaben, wieder abzuschaffen. Allerdings dürfte es angesichts der Erfahrungen der Bundesregierung und der Landesregierungen von Thüringen und Nordrhein-Westfalen nicht überraschen, dass die anderen Bundesländer bzw. andere administrative Körperschaften der Bundesrepublik über etwaige Spendenmöglichkeiten ihrer Bürger für Schuldentilgung oder Haushalts-Ko-Finanzierung auch nur einen ernsthaften Gedanken verschwenden.

Doch selbst wenn, sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Selbst als die so genannte Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler noch mit einer Geschwindigkeit von 94 Euro pro Sekunde (statt der aktuellen 66), also mehr als 2,9 Milliarden Euro pro Jahr rückwärts zählte, hätte es bei dem Tempo mehr als 400 Jahre gedauert, um die Schuldenlast der gesamten Republik, also von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen, zu tilgen. Es wären also ganz erhebliche Spendensummen erforderlich, um die Schulden der öffentlichen Hand in Deutschland signifikant abzuschmelzen.

Selbst wenn jeder Bundesbürger vom Säugling bis zum Greis jeden Monat 100 Euro für die Schuldentilgung spenden würde, müsste die deutsche Bevölkerung das mindestens 20 Jahre durchhalten, um 75 Prozent des Schuldenberges abzutragen. Wie Hartz-4-Empfänger und Rentner mit Grundsicherung das bewerkstelligen sollen, ist nur eine der vielen Unsicherheitsfaktoren. Selbst wenn ein Wunder geschähe und die 200 reichsten Familien Deutschlands einen erheblichen Teil ihrer gigantischen Vermögen für den Schuldenabbau des Staates spenden würden, wäre damit ein anderes Problem auf dem Tisch. Denn der Großteil der großen und übergroßen Vermögen steckt in Immobilien sowie Firmenanteilen und müsste also erst einmal zu Geld gemacht werden. Das wiederum würde sehr wahrscheinlich zu einigen Verwerfungen führen, um es mal höflich auszudrücken.

Dass diese Szenarien also einigermaßen unrealistisch sind, verstehen oder mindestens ahnen wohl selbst unverbesserliche Optimisten. Weshalb wohl kaum etwas an der nüchternen Erkenntnis vorbeiführt, dass selbst großzügigste Spenden nicht verhindern werden, dass auch noch die Urenkel-Generation der heute Lebenden sich am Schuldenberg abarbeiten werden. Andererseits, schrieb die thüringische FDP, sie wollte ein Symbol setzen, als sie das Spendenkonto vorschlug. Symbole sind zwar keine Lösung, aber auch keine schlechte Motivierung."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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