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Merkel „ahnungslos“ bei Einwanderung: Flüchtlingsforscher geben Nachhilfe

Archivmeldung vom 08.09.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: European Union/ECHO/Mathias Eick, on Flickr CC BY-SA 2.0
Bild: European Union/ECHO/Mathias Eick, on Flickr CC BY-SA 2.0

Migrationsforscher kritisieren drastisch die Asyl- und Einwanderungspolitik Deutschlands und der EU. Die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik" schreibt: "Abschottung werde die Flüchtlingskrise nicht lösen, sondern noch verschärfen. Merkel (CDU) und Schulz (SPD) werfen sie „Ahnungslosigkeit beim Thema“ vor. Laut den Experten profitieren Diktaturen und Kriminelle an den Außengrenzen von EU-Geldern."

Weiter heißt es in dem Bericht: "Vier renommierte Flüchtlingsforscher stellten am Freitag in der Bundespressekonferenz in Berlin ihr „Manifest für eine zukunftsfähige Migrations-, Flüchtlings- und Integrationspolitik“ vor. Dabei warfen sie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) beim TV-Kanzlerduell „Ahnungslosigkeit“ vor.

„Wir haben uns zu dieser Stellungnahme entschieden, weil nicht zuletzt das TV-Duell deutlich gemacht hat, dass die Debatte über Migration in der Politik oft ohne große Sachkenntnis und laienhaft geführt wird“, so Professor Werner Schiffauer, Sozialanthropologe und Vorsitzender vom Rat für Migration, der auch die Pressekonferenz einberufen hatte.

Laut den Forschern gibt es in der Asyl- und Einwanderungspolitik von Deutschland und der EU massive Kernprobleme. Die Regierungen hätten letztlich eine falsche Strategie gewählt:

„Abschreckung um jeden Preis“. Die deutsche Politik zeige sich widersprüchlich. „Der Integrationspolitik des Familien- und Arbeitsministeriums und auch der Integrationsbeauftragten des Kanzleramts, steht eine integrationsfeindliche Abwehrpolitik des Innenministeriums entgegen“, so Schiffauer weiter.

Die mache gelungene Integration „leider nicht“ zum Maßstab für ihren Erfolg. „Diese Politik geht davon aus, dass man über Grenzkontrollen, über Ausgrenzung und Abschottung, die Migrationsprozesse in den Griff bekommen kann. Dies ist nach Einsicht der Migrationsforschung äußerst unwahrscheinlich“, erklärte der Professor für vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie an der Europa-Universität „Viadrina“ in Frankfurt (Oder).

„Das Problem der Migration wird weit von den deutschen Außengrenzen weggeschoben“, sagte Prof. Dr. Sabine Hess, Professorin für Europäische Ethnologie, auf der Veranstaltung. Das Sterben und das Elend finde mittlerweile woanders statt, weit weg von Deutschland: Entlang der Balkanroute, in der Türkei , entlang der syrischen Grenze, in Libyen, in der Sahelzone. „Diese Politik der Abschottung als alleinige Strategie der Migrationssteuerung ist alles andere als nachhaltig.“ Das führe letztendlich zu einer Politik des Sterbenlassens und fördere zudem kriminelle Banden, darunter Schleuser und Schlepperbanden, sowie Aufrüstung an den Ländergrenzen.

„Was wir aber in der Sahel-Zone aktuell sehen, ist eine massive militärische Aufrüstung von Deutschland, von Frankreich. Wo dann auch Gelder aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika und aus der Entwicklungsarbeit hergenommen werden, um vor allem Grenzschutz zu finanzieren.“

Ihr Kollege Schiffauer ergänzte: „Wenn Grenzen aufgerüstet werden, dann ermutigt dies den Aufbau mafiöser Strukturen von Schlepperdiensten. Nur diese sind dann noch in der Lage, die Abwehrmaßnahmen auf der anderen Seite zu durchbrechen.“ Es erhöhe auch die Erpressbarkeit der EU-Regierungen durch verbrecherische Regime.

Hess kommentierte leicht zynisch. „Auch wenn die Kanzlerin es im TV-Duell schaffte, das Bild einer offenen und liberalen Gesellschaft für Deutschland aufrechtzuerhalten, ist Europa bei weitem weit davon entfernt, eine offene Gesellschaft zu sein. Europa ist wieder geprägt durch Zäune, Gräben und Sicherheitsanlagen. 2.000 Kilometer neue Grenzzäune durchziehen unseren Kontinent – und das nur 27 Jahren nach Ende des Ost-West-Konflikts“, so die Professorin für Europäische Ethnologie von der Georg-August-Universtität in Göttingen.

Sie behauptete: Obwohl führende Politiker Deutschlands und Brüssels von den Machenschaften in diktatorisch und autoritär geführten Ländern wissen, arbeiten sie mit ihnen zusammen. Um Grenzen zu sichern. „Wir setzen immer noch auf die Türkei und tun so, als wäre sie ein sicherer Drittstaat oder ein sicheres Erst-Asylland.“ Doch das sei keineswegs so, die Türkei sei kein verlässlicher Partner. „Die Türkei hat letztes Jahr 450.000 Syrer nach Syrien zurückgeschoben. Das ist hier nicht bekannt, das wird hier nicht diskutiert.“ Wir bekämen falsche Bilder von der europäisch-türkischen Grenze.

„Der EU-Türkei-Deal wurde uns ja als humanitäre Lösungsstrategie durchaus verkauft“, sagte Hess. Laut Eigenaussage ist sie grade erst von einer Reise an der bulgarisch-serbischen Grenze zurückgekehrt. Sie hatte auch schon längere Forschungs-Auftenthalte in der Türkei und von daher einen guten Zugang zu den „wahren Verhältnissen“ in der Türkei. „ Die Türkei hat alle Syrer aus Asylverfahren grundsätzlich ausgeschlossen.“ Dadurch hätten diese Syrer keinen Zugang zu Asylverfahren des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR gehabt. Das habe der UNHCR mitgemacht. Der UNHCR handle nicht selbständig, sondern sei der Willkür politischer Interessen, beispielsweise Ankaras, ausgesetzt.

Hess forderte eindringlich auf der Bundespressekonferenz: „Also: Wenn man es wirklich mit der Bekämpfung von Fluchtursachen ernst meinen würde, müsste man als erstes diese Politik verändern.“ Das sei schon eine alte Weisheit. Ihr Kollege, Prof. Dr. Albert Scherr, saß neben ihr und nickte. „Die EU kriegt es ja noch nicht mal hin, im Augenblick die vereinbarten Rücknahmequoten von Griechenland zu realisieren“, sagte der Direktor des Instituts für Soziologie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg.

Professor Schiffauer warnte abschließend: „Wir sehen Abschottungs-Tendenzen im Augenblick in Ungarn, in Polen, auch in der deutschen Politik. Und das bedeutet das Ende des europäischen Einigungsprozesses.“"

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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