Diakonie rät von "Drohkulisse" bei Sozialreform ab
Die Diakonie Deutschland, einer der größten Wohlfahrtsverbände des Landes, hat sich grundsätzlich hinter die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gestellt, die sozialen Sicherungssysteme "zukunftsfest" zu machen. Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch warnte Merz aber zugleich davor, eine "Drohkulisse" aufzubauen. "Der Kanzler braucht am Ende nicht nur eine politische Mehrheit für seine Reformen, sondern auch eine gesellschaftliche", sagte Schuch der "Süddeutschen Zeitung".
Ohne den Rückhalt der Menschen könne ein Umbau nicht gelingen. "Merz
sollte den Leuten keine Angst machen", so Schuch. "Mit dem Ziel des
Bundeskanzlers sind wir absolut einverstanden. Ob die Herangehensweise
die richtige ist, daran habe ich allerdings meine Zweifel", sagte
Schuch.
Er kritisierte zudem, dass die Regierung die
Wohlfahrtsverbände nicht in ihre verschiedenen Kommissionen zur Reform
der sozialen Sicherungssysteme berufen habe. "Wir sind diejenigen, die
täglich vor Ort Sozialarbeit leisten und deshalb aus der Praxis
berichten können, was funktioniert und was nicht", so der
Diakonie-Präsident. "Stattdessen haben wir das Gefühl, dass der Kanzler
und seine Koalition einen eher paternalistischen, bevormundenden Ansatz
bevorzugen, bei dem der Staat Reformen von oben verordnet."
Zu
den Spitzenvereinigungen der freien Wohlfahrtspflege zählen neben der
Diakonie mit ihren fast 630.000 Festangestellten unter anderem auch die
Caritas und das Rote Kreuz. Zusammen genommen betreibt die Branche rund
105.000 soziale Einrichtungen in Deutschland, darunter etwa
Krankenhäuser, Kindergärten sowie Alten- und Pflegeheime. Mit einem
jährlichen Umsatz von mehr als 200 Milliarden Euro tragen die Verbände
gut fünf Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Leistung des Landes bei.
Schuch
plädierte dafür, insbesondere das bestehende Dickicht aus zahllosen,
sich teilweise überschneidenden Angeboten zu lichten und
Sozialleistungen zu bündeln. "Dieses bürokratische Wirrwarr ist nämlich
wahnsinnig teuer und führt zudem dazu, dass alle den Überblick
verlieren. Ergebnis ist, dass Menschen Leistungen nicht nutzen, auf die
sie eigentlich einen Anspruch haben. Das kann nicht im Ernst gewollt
sein", sagte er.
Grundsätzlich gelte: "Der Staat darf neben der
äußeren und der inneren Sicherheit die soziale Sicherheit nicht
vergessen." Wenn die Menschen kein Vertrauen hätten, dass ihnen in der
Not geholfen wird, "machen alle Reformen keinen Sinn", so der
Verbandschef.
Der Kanzler hatte am vergangenen Wochenende
behauptet, der Sozialstaat sei in der bisherigen Form nicht mehr
finanzierbar. Deshalb seien Reformen unumgänglich.
Quelle: dts Nachrichtenagentur