Wehrbeauftragter fordert konsequentes Vorgehen gegen Gewaltrituale
Nachdem in Berlin drei Ex-Soldaten des Wachbataillons wegen gewalttätiger sexueller Aufnahmerituale zu Haftstrafen auf Bewährung und Geldstrafe verurteilt worden sind, haben sich führende Vertreter aus Politik und Streitkräften grundsätzlich zu solchen Praktiken und Umgangsformen in den Streitkräften geäußert. Wie die FAS berichtet, wurde dabei deutlich, dass junge Wehrdienstleistende zwar weiterhin grundsätzlich mit rauen Formen der Kameradschaft und des Korpsgeistes zu rechnen haben, dabei jedoch klare Grenzen nicht überschritten werden dürften.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) stellte in der "Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung" klar: "Gewalt, Extremismus und Sexismus
haben in unserer Bundeswehr nichts verloren." Und weiter: "Wir wollen
erreichen, dass möglichst alle Fälle gemeldet werden. Dabei nehmen wir
jeden Verdacht ernst, wir untersuchen und handeln konsequent."
Pistorius
hob die Bedeutung einer modernisierten Ausbildung innerhalb des neuen
Wehrdienstes hervor. Der Minister sagte der FAS: "Dabei drehen wir
vereinfacht ausgedrückt jeden Stein um. Es geht nicht nur darum, dass
wir neue Module einführen, etwa die Drohnenausbildung." Man wolle
selbstbewusste Rekruten, denen von Anfang an auf Augenhöhe begegnet
werde. Denn klar sei: Alle Soldaten müssten sich aufeinander verlassen
können. "In jeder Situation. Kameradschaft hält die Truppe zusammen und
stärkt die Einsatzbereitschaft."
Bei Vorfällen und Verstößen
gelte umgekehrt: "Wer aus falsch verstandener Kameradschaft Vorfälle
nicht meldet, schadet dem Zusammenhalt." In den vergangenen Jahren seien
Vorschriften angepasst und die gesetzlichen Grundlagen geschärft
worden, "um Täter schneller aus den Streitkräften zu entfernen".
Der
Vorsitzende des gewerkschaftsähnlichen Bundeswehrverbandes, Oberst
André Wüstner, verteidigte in der FAS grundsätzlich, dass es Rituale der
soldatischen Gemeinschaften gibt, sprach aber auch von klaren Grenzen.
Wörtlich sagte Wüstner: "Aufnahmerituale können eine gute Sache für
Geist und Gemeinschaftsgefühl sein. Sie finden ihre Grenzen dort, wo sie
gegen die Menschenwürde, die körperliche Unversehrtheit, Gesetze oder
gegen Vorschriften der Bundeswehr verstoßen. Wenn Menschen diese Grenzen
überschreiten, werden sie zu Recht zur Verantwortung gezogen."
Der
Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte, sagte der "Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung": "Praktiken oder vermeintliche Rituale, die
auf Entwürdigung und Gewalt setzen, sind inakzeptabel. Sie dürfen in
unserer Bundeswehr keinen Platz haben und müssen durch die
Dienstaufsicht unterbunden werden."
In dem abgeurteilten Fall
hatten mehrere ältere Soldaten das Wachbataillons einen jüngeren
Rekruten gemeinschaftlich sexuell gequält und erniedrigt. Nach Angaben
der Verurteilten war das "Zäpfchen-Ritual" in ihren Kompanien ebenso
üblich, wie andere Aufnahmeübungen anderswo. Ein weiterer Soldat war
vorige Woche zudem wegen schwerer Körperverletzung und unterlassener
Hilfeleistungen gegenüber seinem Untergebenen angeklagt und verurteilt
worden. Mehrere Mittäter blieben unentdeckt oder sind auf der Flucht.
Derzeit ermitteln Bundeswehr und Staatsanwaltschaft wegen eines oder
mehrerer Vorfälle im Zusammenhang mit Aufnahmeritualen beim
Panzergrenadierbataillon in Marienberg.
Quelle: dts Nachrichtenagentur