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Nahrungsmittelspekulation: Schäuble vollzieht Kurswechsel bei EU-Verhandlungen zu Finanzmarktregulierung - foodwatch veröffentlicht vertrauliches Ministeriumspapier

Archivmeldung vom 01.10.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.10.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo von foodwatch
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Die Bundesregierung hat bei den EU-Verhandlungen zur Finanzmarktregulierung einen Kurswechsel vollzogen. Anders als bislang vertreten, macht sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble nun gegen wesentliche Ausnahmeregeln und Schlupflöcher stark, die einer effektiven Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation im Wege stehen würden. Das geht aus einem vertraulichen Positionspapier hervor, das die Verbraucherorganisation foodwatch heute veröffentlicht hat. Das vertrauliche Papier wurde vom Bundesfinanzministerium Ende August an die anderen EU-Regierungen verbreitet. Es trägt keinen Briefkopf, foodwatch konnte seine Echtheit jedoch in einer Korrespondenz mit dem Ministerium verifizieren.

Seit einigen Wochen laufen die so genannten "Trilog"-Verhandlungen zwischen Europäischem Finanzministerrat, Europaparlament und EU-Kommission über eine Reform der Finanzmarktrichtlinie MiFID. Noch im Juni hatte Wolfgang Schäuble einem Entwurf des Ministerrats zugestimmt, der weitreichende Ausnahmeregeln für Finanzspekulanten enthält und die Nahrungsmittelspekulation kaum begrenzen würde. Davon weicht er nun ab; in dem Papier vertritt sein Ministerium eine deutlich schärfere Haltung und will wesentliche Ausnahmen verhindern.

"Herr Schäuble muss erklären, dass die neue Linie aus dem Papier tatsächlich gilt - wenn die Bundesregierung ernsthaft etwas gegen exzessive Nahrungsmittelspekulation tun will, darf sie dahinter nicht zurückfallen", erklärte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. Er kritisierte jedoch die wenig nachvollziehbare Verhandlungstaktik: "Der Öffentlichkeit hat sich der Bundesfinanzminister zwar schon immer als energischer Kämpfer gegen Agrarspekulation präsentiert. Im Widerspruch dazu hatte er aber einem völlig untauglichen Gesetzentwurf zugestimmt, der den Zockern ein 'Weiter so' erlauben würde - nur um zwei Monate später dann doch Forderungen nach einer schärferen Regulierung in die Verhandlungen einzubringen. Ich hoffe, Herr Schäuble weiß: Das Thema ist zu ernst, um nur zu bluffen."

Der von den EU-Finanzministern mit ausdrücklicher Zustimmung Schäubles vorgelegte Gesetzentwurf enthält so viele Schwachstellen und Ausnahmeregelungen, dass er die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln praktisch nicht begrenzen würde. An den meisten entscheidenden Punkten hat sich das Bundesfinanzministerium dem vertraulichen Papier zufolge nun neu positioniert und der Haltung von Nichtregierungsorganisationen wie foodwatch oder Oxfam angeschlossen. Im Kern geht es um die Einführung umfassender Positionslimits ohne Ausnahmeregeln, mit der die Zahl der zu rein spekulativen Zwecken abgeschlossenen Warenterminverträge auf Agrar-Rohstoffe begrenzt würde:

  • Das Schäuble-Ministerium will jetzt die Positionslimits auch für den bisher weitgehend unregulierten "Schattenhandel" außerhalb der Rohstoff-Börsen (OTC-Handel) durchsetzen - im EU-Finanzministerentwurf beziehen sich die Positionslimits dagegen nicht explizit auf den außerbörslichen Handel.
  • Die Höhe der Positionslimits soll dem Positionspapier aus dem Bundesfinanzministerium zufolge von der Europäischen Aufsichtsbehörde ESMA für alle Länder verbindlich festgesetzt werden. Im EU-Ministerentwurf sollen dies die Nationalstaaten selbst festlegen dürfen - was als Instrument der Standortpolitik einen Unterbietungswettbewerb um möglichst laxe Obergrenzen zur Folge hätte.
  • Anders als im Gesetzentwurf vorgesehen, sollen die Positionslimits nicht mehr nur auf einzelne Händler, sondern konzernübergreifend auf ganze Gruppen von Händlern angewandt werden ("aggregierte Positionslimits"). Dadurch könnte verhindert werden, dass Konzerne wie die Deutsche Bank Positionslimits einfach umgehen, indem sie ihre Investmentgesellschaften und deren Rohstofffonds als separate Händler mit jeweils einem eigenen Limit betrachten.

Sollte dieser Kurswechsel ernst gemeint sein, so wäre dies nach Auffassung von foodwatch ein Schritt in die richtige Richtung, dem allerdings weitere folgen müssten. Denn ein weiterer, entscheidender Knackpunkt sind aus Sicht der Verbraucherorganisation die nach wie vor unzureichenden Transparenz-Vorgaben für Banken und Finanzdienstleister bei der Berichterstattung an die Aufsichtsbehörden. "Die europäischen Aufsichtsbehörden müssen zeitnah und umfassend Informationen über den weit verzweigten Handel mit Rohstoffderivaten erhalten. Nur dann können die unmoralischen Wett-Geschäfte auf die Preise von Lebensmitteln effektiv reguliert und die fatalen Folgen für die Ärmsten der Welt gemindert werden", kritisierte Thilo Bode.

Mit einer heute gestarteten E-Mail-Aktion unter www.foodwatch.de können Bürgerinnen und Bürger Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auffordern, auf europäischer Ebene eine wirksame Eindämmung der Agrar-Spekulation durchzusetzen.

Quelle: foodwatch e.V. (ots)

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