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Liebe geht DOCH durch den Magen: Die Wahrheit über Pflaumen

Archivmeldung vom 08.09.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Grafik: Herbert Jost-Hof
Grafik: Herbert Jost-Hof

Sie sind klein und rund und süß oder quietschesauer, man hat sie gern auf dem Kuchen oder zerkocht als leckeren Brotaufstrich: die Pflaume. Man nimmt sie gern zu sich. Aber man möchte nicht als eine tituliert werden – dabei kann man Pflaumen auch von einer ganz anderen Seite sehen.

Es sind die kleinen und oft auch alltäglichen Dinge, die, über die man sich eigentlich nie Gedanken macht, die dann, wenn man es tut, plötzlich zu etwas Wichtigem werden. Pflaumen zum Beispiel. Über sie hattest Du nie wirklich nachgedacht. Es hatte sie immer gegeben und sie waren in Deiner Familie bestens eingeführt gewesen: Das unschlagbare selbstgemachte Pflaumenmus Deiner Großmutter und das Rezept für ihren wunderbaren Pflaumenkuchen, das Generation für Generation weitergegeben worden war … immer etwas vage, denn niemand hatte es je aufgeschrieben, was ihm tatsächlich den Ruch eines Geheimnisses vermittelt hatte.
Alle, die eingeweiht wurden, erhielten nur eine grobe Anweisung, was zu tun war, wie viel in etwa von Diesem und Jenem Verwendung finden und wie lange alles zusammen gebacken werden sollte.
Dadurch waren alle, die dem Rezept folgten, darauf angewiesen, das teils staunende und teils zweifelnde Publikum zunächst mit diversen mehr oder minder gelungenen Variationen zu beglücken, bis endlich das ideale Gleichgewicht von allem gefunden war.

Natürlich hätte es vermutlich des sogenannten Rezepts gar nicht bedurft, sondern nur gesunden Menschenverstands und einer ausreichenden Portion Geduld, um zum gleichen Resultat zu gelangen, aber so hatte die Angelegenheit doch etwas Verschworenes und Verbindendes und irgendwie Bewegendes und Erhabenes, das sonst gefehlt hätte.
Ja, genau betrachtet, scheint es Dir, als taugten diese kleinen Früchtchen wahrhaftig zum Heroischen, in jedem Fall aber dazu, Traditionen zu schaffen und damit – wenigstens in einem privaten Umfeld – Geschichte zu schreiben.

Doch trotz dieser Historie der Pflaumen in Deiner Familie war Dir das lange Zeit verborgen geblieben. Und tatsächlich hatte selbst der wunderbare Kuchen Deiner Großmutter zumindest seitens Deines kleinen Bruders ein gewisses Maß an Missachtung erfahren, indem er ihn stets wahlweise als „Bauchwehkuchen“ oder als „Wespenfraß“ bezeichnete. Wobei die Sache mit den Blähungen seine eigene Schuld war, da er immer viel zu viel davon aß - vermutlich, weil er schneller sein wollte als die Wespen.

Überhaupt scheint unter all den Früchten die Pflaume eher geringgeschätzt zu werden. Oder wieso benutzt man sonst ihren Namen als Schmähwort? - Was uns zur Pflaume und ihrer geschichtlichen Bedeutung zurückbringt … und zu dem Tag, an dem Du Dir zum ersten Mal ernsthafte Gedanken über diese Früchte gemacht hast.

Inzwischen ist es fünf Jahre her. Fünf von diesen schnellen Jahren, deren wirkliche Geschwindigkeit man nur erkennen kann, wenn man Kinder um sich hat und Zeuge wird, wie sehr sie sich während dieser Zeitspanne verändern.
Es war ein Kind, dass Dich zum Nachdenken brachte und heute ist es keines mehr, doch sein Name ist immer noch Ralf, was in dieser Generation eher ungewöhnlich ist.

Damals war Ralf der Sohn der Familie aus dem Nachbarhaus gewesen. Ein angenehmes Kind – mit anderen Worten: höflich, wenn man ihm begegnete, und ansonsten für Dich nicht weiter hör- und sichtbar. Du hattest es nicht mit Kindern, nicht wirklich. Andernfalls hättest Du ja auch selbst welche haben können in Deinem Alter.

Ralfs Anwesenheit war eigentlich die meiste Zeit über für Dich nur anhand von Requisiten zu erahnen gewesen. Da war das Fahrrad gewesen, das nicht selten hastig zurückgelassen worden war an irgendeiner Stelle, wo es nicht unbedingt gestört, aber auch nicht wirklich hingehört hatte. Und zwei oder dreimal war der Ball in Deinem Garten gewesen; dann war sein Besitzer nicht sehr viel später gekommen und hatte ihn abgeholt, immer in dieser angenehmen, freundlichen und respektvollen Art.
Wenn Ralf mit anderen Kindern gespielt hatte, dann hatte das nie Formen angenommen, die Dich gestört hätten. Denn warum sollte es Dich stören, dass es da draußen Menschen gab, die noch Phantasie hatten und sie benutzten und damit Spaß hatten?
Kurz gesagt: Es hatte für Dich keinen Anlass gegeben, einen zusätzlichen Gedanken an Deinen Nachbarn zu verschwenden, so wie es keinen gegeben hatte, über Pflaumen nachzugrübeln. Bis sich das plötzlich eines Tages endete.

Es war Spätsommer gewesen, irgendein schöner, ruhiger, noch recht sonniger Tag mitten in der Woche. Dir war Deine Küchenuhr stehengeblieben und wie Du feststellen musstest, gab es keine passende Batterie mehr in Deinem Haushalt, um sie wieder in Gang zu setzen. Das war nun wirklich kein Problem … aber es war ein willkommener Grund, das Haus zu verlassen und ein wenig durch den Sonnenschein zu spazieren, was Du deshalb auch tatest, nachdem Du Dir selbst versichert hattest, dass die noch zu erledigenden Arbeiten für Deine Auftraggeber diese Pause verkraften konnten.

Als Du aus dem Haus kamst und um die Ecke bogst, wärst Du fast mit dem rechten Fuß in den Speichen von Ralfs Fahrrad gelandet, das auf dem Gehsteig lag. Und er selbst hockte nicht weit davon entfernt, mit dem Rücken an den Zaun gelehnt.
„Räum' mal Dein Rad, beiseite, bevor jemand drüber fällt“, rietst Du ihm.
Da sah er Dich an und murmelte „Tut mir leid“ und erhob sich langsam, um Deiner Aufforderung zu folgen.
Es war nicht zu übersehen, dass dieses Kind Kummer hatte und niedergeschlagen war. Er war zu dem Zeitpunkt vielleicht zwölf Jahre alt. Und auch wenn Du im Prinzip nicht der Meinung warst, Dich mit Kindern auszukennen, wolltest Du trotzdem einen Versuch starten, herauszufinden, was los war und vielleicht zu helfen.

Also wartetest Du, bis er das Rad an den Zaun gelehnt und sich wieder niedergelassen hatte. Er zupfte Grashalme, die durch die Maschen wuchsen und zerpflückte sie zu kleinen Schnipseln.
„Kann ich mich mal zu Dir setzen?“ fragtest Du ihn. Er sah an Dir hoch, nicht wirklich erfreut, überlegte einen Moment und zuckte dann die Schultern.
Also hocktest Du Dich neben ihn.
„Jetzt tut's MIR leid“, fingst Du an, „ist vielleicht blöd und aufdringlich und Du musst auch nicht antworten, aber … Du siehst aus, als wär' irgendwas.“
Er zuckte wieder mit den Schultern.
„Okay. Geht mich wirklich nichts an. Entschuldige“, und damit wolltest Du Dich wieder erheben.
„Is' wegen Fußball“, sagte der Junge leise.
„Fußball? Was ist damit?“
„In der Schule. Da ham wir gespielt. Und wie die Mannschaften aufgestellt worden sind, da hat der Markus … das is' so einer, der nur Sport kann … der hat gesagt, ich soll zu der andern Mannschaft gehen, damit die verliern. Weil ich 'ne Pflaume bin.“

„So ein Idiot!“ entfuhr es Dir spontan. „Hör mal, das musst Du doch nicht ernst nehmen. Ich hab' natürlich keine Ahnung, aber wenn ich Dich mal mit dem Ball sehe, dann kannst Du doch toll damit umgehn.“
Es schien ihn nicht zu überzeugen. Ralf betrachtete seine Schuhspitzen und zerriss einen weiteren Grashalm.
„Also“, fuhrst Du fort, „schau mal: Dieser Markus hat das erstens nicht gesagt, weil er das wirklich meint, sondern nur, um die andere Mannschaft zu ärgern. Dass er Dich dazu benutzt hat, zeigt, was er für ein Vollidiot ist. Und auch, dass er 'Pflaume' gesagt hat. Der hat doch gar keine Ahnung von Pflaumen.“
Ralf sah Dich an, ein Auge wegen der Sonne zugekniffen. In diesem Moment wurde Dir erstens klar, dass er Dir zuhörte und Du noch etwas sagen musstest. Und zweitens, dass Du selbst keine Ahnung von Pflaumen hattest und nicht wirklich wusstest, was Du sagen solltest.
„Pflaumen ...“, begannst Du, noch ohne eine Idee, wohin das führen könnte, „ … also ich mag Pflaumen.“
Aber das war ein ziemlich sinnloses und schwaches Argument; der Junge schickte sich an, sich wieder abzuwenden.

„Ich meine, nicht nur wegen des Geschmacks oder so. Pflaumen sind eigentlich so, wie man sich seine Freunde wünscht. Oder nicht?“
Ein erneutes Schulterzucken war die Antwort. Aber immerhin hörte er noch zu.
„Schau mal: Die sind doch manchmal süß und manche sind sauer. Und die sind weich. haben aber einen knallharten Kern. Das heißt, die haben Persönlichkeit. Und Charakter. - Ich weiß ja nicht, wie Du das siehst, aber so wünsche ich mir meine Freunde. Und deshalb gibt’s in unserer Familie jedes Jahr ein fest mit Pflaumenkuchen, zu dem wir all unsere Freunde einladen.“ Womit Du gerade eine Tradition erfunden und damit Geschichte geschrieben hattest.

Du weißt bis heute nicht, ob Du Ralf damals wirklich überzeugen konntest. Aber Du konntest zumindest Dich selbst überzeugen, dass es ein solches Fest unbedingt geben sollte.
Natürlich benötigtest Du dazu das überaus geheime Rezept Deiner Großmutter und erwartungsgemäß gelangen die ersten Backversuche noch nicht so richtig.
Die kleine Kostprobe, die Du Ralf und seiner Familie angedeihen ließest, war allerdings durchaus essbar.

Das ist inzwischen fünf Jahre her. Seitdem haben in jedem Jahr Deine Freunde beim Pflaumenkuchenfest vom Ergebnis Deines Versuchs profitiert, einen Zwölfjährigen trösten zu wollen. Und Seit letztem Jahr ist auch Ralf selbst unter den Gästen.

Text von Herbert Jost-Hof

Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgt hier nun das Rezept (das Zweite ist vegan).

Pflaumenkuchen nach altdeutscher Art mit Hefeteig

Zutaten für 6 Portionen
20 g Hefe (einen Würfel)
1 EL Rohrohrzucker
200 ml Milch, lauwarme
½ kg Mehl
80 g Rohrohrzucker , evtl. bis 120 g
1 Pck. Vanillerohrohrzucker
1 EL Zimt
1 bio Ei
1 ½ kg Pflaumen (Zwetschgen)
200 ml Sahne und 3 - 6 EL Rohrohrzucker
1 Ei
evtl. Mandel(n), gehobelt

Zubereitung
Den Hefewürfel in eine große Rührschüssel zerbröseln, mit einem Esslöffel Rohrohrzucker mischen und die lauwarme Milch unterrühren. Alles gut mit dem Schneebesen verrühren und ca.15 Minuten an einem warmen Ort gehen lassen. Die Hälfte des Mehls (200g) untermengen und ein Ei, Rohrohrzucker, Zimt, Bourbon-Vanillezucker dazugeben und vermengen. Nun das restliche Mehl dazugeben und mit einem Knethaken (Küchenmaschine oder Mixer) kräftig durchkneten, bis sich der Teig von der Schüssel löst. Evtl. muss noch etwas Mehl dazugegeben werden. Den Teig nun nochmals 30 Minuten an einem warmen Ort gehen lassen. In der Zwischenzeit die Pflaumen entkernen und am oberen Rand dreimal mit einem scharfen Küchenmesser einschneiden. Den Teig mit einem Nudelholz auf einem mit Mehl bestäubten Tisch ausrollen und anschließend auf ein vorgefettetes Backblech geben. Nun die vorbereiteten Pflaumen nebeneinander / evtl. etwas überlappend auf den Teig verteilen. Zum Schluss die Sahne (200 ml) und das Ei verquirlen, mit etwas Zimt und 3 Eßl. Rohrohrzucker abschmecken und über den Pflaumenkuchen gießen. Nach Belieben mit Mandelblättchen bestreuen.

Bei ca. 190 Grad Umluft ca. 30 Minuten backen.

Dazu passt hervorragend frisch geschlagene Sahne und eine gute Tasse Kaffee mit Milchschaum.

Pflaumenkuchen aus schwarzen Bohnen (glutenfrei, vegan)

Zutaten für 1 Portionen
200 g Sonnenblumenkerne
500 g Mineralwasser, kohlensäurehaltiges
400 g Bohnen (schwarze), mahlen
1 EL Kaffeebohnen, mit mahlen
2 Körner Piment, mit mahlen
1 Prise Meersalz
150 g Rohrohrzucker , o. mehr
1 Tüte/n Backpulver, f. 500 g Mehl
1 Tüte/n Vanillerohrohrzucker, Bourbon
20 Pflaumen Soft, vierteln
6 EL Schnaps, (Pflaumenbrand)

Zubereitung
Sonnenblumenkerne leicht rösten, mahlen (Mandelmühle) mit Pürierstab fein pürieren bis das Eigenfett heraustritt, mit etwas Mineralwasser zu einem klumpenfreien Brei verrühren und mit Rest des Wassers und dem Pflaumenbrand in die Rührschüssel der Küchenmaschine geben. Rührhaken langsam laufen lassen. Die restlichen trockenen Zutaten vermischen und langsam in die laufende Rührschüssel geben, verrühren lassen. Wenn alles gut vermischt ist, den Rührhaken wenigstens 3 min auf Höchststufe den Teig verrühren lassen, Rührhaken raus und die geviertelten Soft Pflaumen unterheben.
In eine 30 cm mit Backpapier ausgelegte Kastenbackform gießen, glatt schütteln, in den kalten Backofen und bei ca. 150°C Heißluft ca. 85 – 90 min backen, Nadelprobe. Ganz abkühlen lassen vorm Anschneiden.

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