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Liebe geht DOCH durch den Magen: Küchensolo

Archivmeldung vom 21.06.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.06.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Grafik: Herbert Jost-Hof
Grafik: Herbert Jost-Hof

Für andere zu kochen, bedeutet mehr als die Zubereitung wohlschmeckender Speisen. Und schöne Erinnerung haben – auch ohne kühle Lagerung – eine fast unbegrenzte Haltbarkeit.

„Gestern bin ich an Ihrer Tür vorbeigegangen“, sagt Deine Nachbarin, Frau Geck, strahlend und während Du diese Aussage in Gedanken mit einem tief empfundenen „Dankeschön!“ quittierst, fährt sie fort: „Am späten Vormittag. Und es hat so gut gerochen. - Ich hab' neulich gerade der Frau Fischer aus der 18 gesagt: 'Frau Fischer', hab ich zu ihr gesagt, wir sind ja nicht 'per Du', dabei kennen wir uns schon fast vierzig Jahre ... Also 'Frau Fischer', hab ich gesagt, die Frau Weinbrenner, die kann SOOO gut kochen. Da krieg ich immer richtig Appetit, wenn ich da mittags bei ihr an der Tür vorbeigeh, so gut riecht das da.“ Und sie nickt bestätigend mit dem Kopf.
Du bedankst Dich bescheiden und artig für das Kompliment.

„Und dann hab ich gesagt“, redet Frau Geck nun wieder, „dass ich das so bewundernswert finde, Frau Weinbrenner, wirklich. Ja.“ Erneutes Nicken, mit zusammengepressten Lippen und aufgerissenen Augen, um zu zeigen, WIE ernst sie das meint. „Wo Sie doch ganz alleine sind. Ich bin ja auch jetzt schon seit drei Jahren allein“, erklärt Deine Nachbarin und verzieht ihr leicht knautschiges Gesicht so, dass sie nun ein wenig wie ein Bassett aussieht, wenn auch nicht halb so niedlich, „... und ich koche nicht jeden Tag.“

„Ich auch nicht,“ wendest Du ein, „das ist für eine Person kaum möglich. Wenn Sie zum Beispiel nachher wieder an meiner Tür vorbeigehen sollten, dann werden Sie den gleichen Geruch feststellen wie gestern: Eine Lauchtorte … aufgewärmt. Ich lebe immer wenigstens zwei Tage von allem, einiges frier ich auch ein, wenn's zu viel geworden ist. Sonst kommt's mir noch zu den Ohr'n raus.“
Frau Geck lacht. Es klingt nicht ehrlich, ist dafür aber laut.
„Aufgewärmt ist doch oft besser als frisch“, weiß sie und lächelt hoheitsvoll.
„Ja, da haben Sie aber mal ganz schön recht. - Und jetzt, entschuldigen Sie mich, bitte. Ich muss noch eine Kleinigkeit einkaufen. Für morgen. Manni kommt mit der Familie.“ So schiebst Du Dich an ihr vorbei. Den Abschiedsgruß erwiderst Du, ohne Dich umzudrehen.
Es tut gut, das Haus zu verlassen und auf der Straße zu sein, in der frischen Luft.

Ist das denn so etwas Besonderes, dass man kocht, auch wenn man allein ist? - Vielleicht. Deine Tage sind länger geworden und Du bist froh über jede sinnvolle Beschäftigung. Kochen hat Dir schon immer Spaß gemacht.

Du erinnerst Dich noch: Das erste, was Du als Kind „gekocht“ hattest, war eine Schale Haferflocken gewesen, mit Kakaopulver darauf und mehreren Löffeln Zucker, damit es nicht zu bitter war. Das war eine fürchterlich trockene Angelegenheit gewesen und wenn Du aus Versehen an der falschen Stelle eingeatmet hast, hat Dir das einen Hustenanfall eingetragen, von dem Dir die Augen tränten.

Dann hatte Deine Mutter damit begonnen, Dich ernsthaft an ihrer Arbeit in der Küche zu beteiligen. Sie war eine hervorragende Köchin gewesen, viel besser als Du jemals sein könntest – findest Du zumindest.
Von ihr hast Du nicht nur Rezepte und viele nützliche kleine Dinge gelernt, sondern vor allem die Freude daran, anderen ein gutes Essen zuzubereiten.

Das hast Du dann später für Reinhard gemacht. Er hat Dein Essen so sehr geliebt wie Dich … und wie Du ihn. In den nicht besonders häufigen Fällen, wenn Du ihn wirklich abstrafen wolltest, hast Du ihn einfach hungern lassen. Manchmal aber gab es auch ganz besondere Leckerbissen.
„Das ist mit Liebe gekocht“, sagte er dann mitunter, „das schmeckt man.“
„Eigentlich sind es eher sieben Kräuter, die den Geschmack ausmachen“, hattest Du einmal erwidert.
Er hatte gelacht und gesagt: „Nein, es kommt nicht auf die Kräuter an und auch nicht darauf, wie viel man nimmt und wann man sie reinrührt. Es kommt auf das Warum an.“
Da hattest Du ihm zugestimmt.

Und dann Manfred und Karsten … Manni, der immer völlig unkompliziert gewesen war, was das Essen betraf und Karsten, der ewige Schneuber, ein fürchterlich mäkeliger Fratz. Aber das hatte sich zum Glück im Laufe der Jahre verwachsen.
Dann waren die beiden aus dem Haus und Ihr hattet gedacht, Reinhard und Du, es könnte noch einmal eine gemütliche Zeit kommen. Sie kam ja auch. Doch sie war sehr kurz.

Ja, denkst Du, warum soll ich denn nicht weiter kochen, auch wenn ich die meiste Zeit über allein bin? Es macht Spaß, neue Dinge auszuprobieren. Und es macht Spaß, alte zu wiederholen, denn mit allem sind Erinnerungen verbunden.

Wenn Du dann in Deiner Küche arbeitest und wenn Du an Deinem Esstisch sitzt mit dem, was Du zubereitet hast, dann bist Du vielleicht allein. Aber Du bist nie einsam.

Text von Herbert Jost-Hof

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