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Zwangsarbeiterurteil in Rom: Deutschland drohen mehr als 100.000 Klagen

Archivmeldung vom 06.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Auf Deutschland kommen möglicherweise mehr als 100.000 Klagen früherer italienischer Zwangsarbeiter zu. Den im Zweiten Weltkrieg verschleppten Soldaten stünde Schadensersatz zu, urteilte das oberste Zivilgericht in Rom. Die Klagen könnten das deutsch-italienische Verhältnis stark belasten.

Das Außenministerium in Berlin will sich nicht äußern und auch die deutsche Botschaft in Rom gibt sich wortkarg. Zunächst, heißt es, müsse man das Urteil übersetzen und es juristisch genau prüfen. Deutschland ist vom Spruch des obersten italienischen Zivilgerichts offensichtlich kalt erwischt wurde. Die italienischen Richter haben mehreren Dutzend ehemaligen italienischen Zwangsarbeitern und griechischen Naziopfern Recht gegeben, die von Deutschland Schadensersatz für ihre Leidenszeit am Ende des Zweiten Weltkriegs verlangen. Die Deportationen, heißt es in dem Urteil, seien ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Rom ist es überraschend und bislang einmalig in der internationalen Rechtssprechung, dass Deutschland sich in dem Verfahren nicht auf seine Staatenimmunität berufen durfte. Nach diesem völkerrechtlichen Grundsatz können Staaten, wenn sie hoheitlich handeln, nicht von Bürgern anderer Staaten belangt werden. Nach Ansicht des höchsten italienischen Zivilgerichts gilt dieser Grundsatz aber nicht bei Kriegsverbrechen.

Deutscher Besitz beschlagnahmt

Durch das Urteil in Rom drohen Deutschland nun Klagen von mehr als 100.000 ehemaligen italienischen Zwangsarbeitern. Um die Ansprüche durchzusetzen, könnte deutscher Besitz in Italien beschlagnahmt werden. In dem Verfahren zum Fall der griechischen Naziopfer in Italien ist bereits eine Zwangshypothek gegen das deutsche Kulturzentrum Villa Vigoni am Comer See eingetragen. Dieses Schicksal droht auch anderen deutschen Objekten, wie beispielsweise den Goethe-Instituten, sollten weitere ehemalige Zwangsarbeiter und Naziopfer Klagen einreichen. Nur Botschaften und Konsulate wären vor dem Zugriff der Justiz geschützt.  

Berliner Gericht sprach 2001 von Kriegsgefangenen

Der Konflikt, ob italienische Zwangsarbeiter von Deutschland entschädigt werden, schwelt schon seit Jahren. 2001 hatte Berlin nach einem juristischen Gutachten festgelegt, dass die Italiener kein Geld aus der Zwangsarbeiterstiftung bekommen. Hintergrund dieser Entscheidung: Nazi-Deutschland hatte nach dem Sturz Mussolinis 1943 ehemalige verbündete Soldaten aus Italien verschleppt. Laut Gutachten der Bundesregierung seien sie völkerrechtlich als Kriegsgefangene und nicht als Zwangsarbeiter zu werten.

Schwieriger Fall für deutsch-italienisches Verhältnis

Diese Position Berlins ist durch das Urteil des obersten italienischen Zivilgerichts gekippt. Die Innenexpertin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, fordert bereits, dass die Bundesregierung umdenken und schnellstens Geld für die Entschädigung bereitstellen müsse. Manfred Gentz, Kuratoriumsmitglied der Zwangsarbeiterstiftung, dagegen nennt das Urteil aus Rom „nicht verbindlich“.

In der Tat steht Deutschland juristisch noch eine Tür offen. Die Bundesregierung könnte vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ziehen. Die Chancen dort stünden nicht schlecht, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Rom. Erst im Februar 2007 habe der internationale Gerichtshof das Prinzip der Staatenautonomie bekräftigt, dass im aktuellen Verfahren die italienischen Richter Deutschland abgeschlagen hätten. Trotz möglicherweise juristisch guter Aussichten dürfte der Bundesregierung ein Ja zur Klage nicht leicht fallen. Ein Prozess Deutschland gegen Italien vor dem internationalen Gerichtshof würde das deutsch-italienische Verhältnis schwer belasten.

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