Deutschlandtrend: Beck muss sich Steinmeier geschlagen geben
Archivmeldung vom 06.06.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakIn der Kanzlerkandidatenfrage wagt sich Hamburg als erster SPD-Landesverband aus der Deckung.
Wegen der miserablen Umfragewerte für Parteichef Kurt Beck und die Bundespartei fordert der SPD-Vorsitzende der Hansestadt, Ingo Egloff, eine rasche Klärung der K-Frage: „Wir werden dafür sorgen müssen, dass langsam mal Klarheit in den Laden kommt, in welche Richtung man marschiert.“ Noch im Sommer müsse klar sein, wer die Partei als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl führt. Man dürfe sich „keine Hängepartie“ erlauben.
Ein
Teil der Partei erklärt den Vorstoß damit, dass der Frust über Beck in
Hamburg am tiefsten sitzt. Die Sozialdemokraten an der Elbe würden dem
Pfälzer immer noch nachtragen, dass er ihnen mit seinem Linksschwenk
kurz vor der Bürgerschaftswahl angeblich den Sieg vermasselt hat. Dass
sich mit Egloff das Hamburger Anti-Beck-Zentrum nun erneut zu Wort
meldet, wollen andere in der SPD aber nicht einfach als verspätete
Rache abtun. Egloff repräsentiert danach eine weitverbreitete Stimmung:
gegen Beck und für Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Die
Bundesbürger tun sich vor dem Hintergrund der Profilschwäche der SPD
und ihres unklaren Verhältnisses zur Linkspartei demgegenüber
unverändert schwer, in der Kanzlerfrage auf einen Sozialdemokraten zu
setzen, heißt es in der Analyse des neuesten Deutschlandtrends von
Infratest Dimap. Selbst Steinmeier habe als derzeit populärster
Parteipolitiker bei der Frage nach dem nächsten Kanzler gegenüber
Angela Merkel das Nachsehen. Dennoch werden ihm von den aktuellen
SPD-Spitzenpolitikern die vergleichsweise größten Chancen eingeräumt,
eines Tages Bundeskanzler zu werden.
Wegen seines sehr hohen
persönlichen Rückhalts in der Bevölkerung überrascht es nicht, dass 38
Prozent in Steinmeier auch den besten SPD-Kanzlerkandidaten für das
kommende Jahr sehen. Erstaunlich ist, dass der Berliner Regierende
Bürgermeister Klaus Wowereit mit 17 Prozent an zweiter Stelle genannt
wird, noch vor Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Beck räumen
dagegen lediglich sieben Prozent Chancen ein.
In
der Sozialdemokratie sind 44 Prozent davon überzeugt, dass Steinmeier
der beste Kanzlerkandidat für den Urnengang 2009 wäre. Knapp jeder
Fünfte setzt hier auf Steinbrück, aber nur etwa jeder Zehnte auf
Wowereit oder Beck.
Steinmeier und Merkel haben sich vom
Negativtrend ihrer Parteien abgekoppelt. Ihnen werden die aktuellen
koalitionsinternen Querelen offensichtlich nicht zugerechnet. So legen
der Vizekanzler und seine Chefin gegenüber dem Vormonat um sieben
beziehungsweise um drei Prozentpunkte zu. Die Liste der beliebtesten
Parteipolitiker führt der SPD-Vize an, mit dem 73 Prozent zufrieden
sind. Steinmeier löst damit Merkel an der Spitze ab, die mit 71 Prozent
folgt. Beliebter als alle Parteipolitiker ist Bundespräsident Horst
Köhler, der 86 Prozent Zustimmung erreicht. Beck landete mit 21 Prozent
erstmals hinter Linken-Chef Oskar Lafontaine.
Beck
will mit seinem Vorschlag, wer die SPD als Kanzlerkandidat in die
Bundestagswahl führen soll, noch bis zum Herbst warten. Er möchte sich
erst nach der bayerischen Landtagswahl Ende September erklären. Doch
dies dauert vielen Sozialdemokraten zu lange. Sie setzen nicht mehr auf
Beck, weil er seit fast einem Jahr für den Absturz seiner Partei in den
Umfragen steht.
Das stärkste Anti-Beck-Zentrum ist die
SPD-Bundestagsfraktion. Viele Abgeordnete fürchten, dass die Wähler sie
2009 für Becks unklaren Kurs abstrafen und sie ihre Mandate verlieren.
Als Erster hatte der einflussreiche Parteirechte Gerd Andres aus
Niedersachsen Beck offen zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur
aufgefordert. Auch der Sprecher der konservativen Seeheimer, Johannes
Kahrs aus Hamburg, sah die Kanzlerfrage für Beck bereits als „erledigt“
an.