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Fußball WM, Finanzkrise, Koalitionskrach und ein Sparpaket - Worum geht es wirklich?

Archivmeldung vom 16.06.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.06.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der amtierenden Regierung wird vorgeworfen, sie habe nicht nur keine Vision, keine erkennbare Gestaltungsabsicht, sie habe nicht einmal einen vernünftigen Plan. Ich will das nicht so platt übernehmen. Es könnte ja doch sein, dass es eine Vision, eine Gestaltungsabsicht und einen dazu passenden Plan gibt, nur gelingt es der Regierung offenbar sehr gut, dies alles vor dem Großteil der Menschen in diesem Lande zu verbergen. Das ist aber nicht erst seit Merkel/Westerwelle so, es war schon bei Merkel/Steinmeier so - und bei Schröder/Fischer, wo uns mit der Agenda 2010 zwar ein Plan präsentiert wurde, die Gestaltungsabsicht und die Vision hinter vorgeschobenen Begründungen jedoch vollkommen unsichtbar blieben.

Müßig noch anzuführen, dass es sich auch bei 16 Jahren Kohl, samt der ihm dazwischengekommenen Wiedervereinigung, allem Anschein nach um eine Kombination aus zwangsläufigen Reaktionen und reflexhaftem Aussitzen gehandelt hat, nicht aber um die geradlinige Verfolgung einer übergeordneten politischen Zielsetzung.

Wer wissen will, worum es geht, darf also nicht den Sirenengesängen aus dem Kanzleramt, nicht den polternden Tönen aus der Höhle des Zyklopen in München lauschen, noch sich von den Zaubersprüchen der Circe zum Anhänger Milton Friedmans machen lassen. Wer wissen will, worum es geht, muss eine Gerade ziehen, vom Zustand der Republik vor 50 oder 60 Jahren, zum Zustand der Republik heute - und dann diese Linie schlicht in die Zukunft verlängern. Das erscheint so pauschal kaum möglich, doch wenn man den "Zustand" in "Einzelzustände" zerlegt, sich deren Entwicklung, die bereits durchlaufene und die absehbar zukünftige, vor Augen hält und am Ende die Einzelteile wieder zu einem Ganzen zusammenfügt, werden Vision, Gestaltungsabsicht und Plan erkennbar. Die Auswahl der hier dargestellten "Einzelzustände" ist willkürlich und folgt meiner persönlichen Prioritätenreihe, daher ist es jedermann unbenommen, die Darstellung zu ergänzen, zu erweitern, zu vertiefen. Ich stelle diese Ergänzungen gerne online.

Die Verfassung

Vor einem halben Jahrhundert war unsere Verfassung noch fast jungfräulich. Die Grundrechte waren Grundrechte, wenn auch schon 1954 die erste wesentliche Grundgesetzänderung durch die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik Deutschlands erforderlich geworden war. 1955 trat die Bundesrepublik der NATO bei und musste dafür das Grundgesetz erneut ändern, insbesondere, um die Grundrechte der Soldaten so zu beschneiden, dass der drohende Konflikt zwischen den Grundrechten der Staatsbürger in Uniform und dem Prinzip von Befehl und Gehorsam damit vorsorglich aufgelöst wurde. Aber das Wissen darum, dass Deutschland nicht ewig unbewaffnet bleiben konnte, und die Einsicht der Verfassungsdesigner, dass die Rechte von Soldaten beschnitten werden müssen, wenn sie funktionieren sollen, verletzte das schöne Gesamtkonzept "Grundgesetz" noch nicht wirklich - damit konnte man sich arrangieren.

Erst 1967 wurde im Grundgesetz die Ermächtigung des Gesetzgebers festgeschrieben, Maßnahmen zur Abwehr des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu treffen und die Regierung zu konjunkturpolitischen Maßnahmen zu ermächtigen. Damit wurde - in bester Absicht - der Startschuss für die bis heute nicht gebändigte Staatsverschuldung abgefeuert.

1968 wurden die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Notstandsgesetzgebung geschaffen und damit erhebliche Eingriffe in die Rechtspositionen aller Bürger vor dem Hintergrund eines "Notstands" ermöglicht. Der Widerstand der Intellektuellen im Lande und der Studenten auf der Straße war gewaltig, wurde jedoch ignoriert. Teile der außerparlamentarischen Opposition verfielen auf die Idee, die Republik nur noch aus dem Untergrund und nur noch gewaltsam verändern zu können, was sich als Irrtum erwies.

1972 wurde der Weg zur Umwandlung des Bundesgrenzschutzes in eine Bundespolizei geebnet, indem die Unterstützung der zuständigen Landespolizei durch den Bundesgrenzschutz ermöglicht wurde. Heute verfügt der Innenminister wieder über eine gar nicht so kleine Privatarmee, die mit Schild, Helm und Knüppel, Tränengas und Wasserwerfern, aber auch "richtigen Schusswaffen" ausgerüstet ist und die Nachfolge des ehemaligen BGS angetreten hat. Seither ist es BGS bzw. Bundespolizei im Verein mit der ggfs. zur Amtshilfe herbeigerufenen Bundeswehr stets gelungen jede "Demonstration" - vom Wendland über die Startbahn West bis zur WAA Wackersdorf, vom G7-Gipfel in München bis zum G8 Gipfel in Heiligendamm - unter Kontrolle zu halten, um nur einige wenige Einsätze der Friedenstruppe zu erwähnen. 

Ab 1976 ist der Gesamtvolksentscheid (Artikel 29 Abs. 5 Satz 3 GG) im Grundgesetz nicht mehr vorgesehen.

1990 mit der sog. "Wiedervereinigung" sind erhebliche Änderungen des Grundgesetzes vorgenommen worden, u.a. wurde im Grundgesetz die Vollendung der Einheit als Tatsache festgeschrieben.

1992 wird privaten Unternehmen per Grundgesetzänderung die Übernahme der Flugsicherung erlaubt, und ebenfalls 1992 erfolgt die freiwillige Unterwerfung Deutschlands unter die Rechtssetzung der EU. Der Vertrag von Maastricht darf ratifiziert werden, die europäische Integration wird zum Staatsziel und die Abgabe hoheitlicher Rechte an die EU wird zum verfassungsmäßigen Recht der Regierung, womit der Staat beschlossen hat, seine staatliche Identität Schritt für Schritt aufzugeben. Zudem wird die bisherige Bundesbankaufgabe, Geldmenge, Konjunktur und Währungsstabilität zu koordinieren aufgegeben und die EZB einzig der Währungsstabilität verpflichtet.

1993 erfolgt die De-facto-Aufhebung des Asylrechts per Drittstaatenklausel, im gleichen Jahr wird die Privatisierung der Bahn grundgesetzlich erlaubt.

1994 wird die Privatisierung des Post- und Telekommunikationswesens ins Grundgesetz geschrieben. Dass gleichzeitig ein neuer (untauglicher) Anlauf zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern genommen und die Benachteiligung Behinderter per Grundgesetz verboten wurde, war demgegenüber ein genauso substanzloses Beruhigungspflaster wie die Selbstverpflichtung des Staates zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, bei der vorsorglich versäumt wurde, deren Privatisierung zu verhindern.

1998 wird mit dem Großen Lauschangriff die Unverletzlichkeit der Wohnung endgültig als schützenswertes Rechtsgut aufgegeben.

2000 wird das generelle Auslieferungsverbot Deutscher an fremde Justiz ausgehöhlt. Deutsche dürfen jetzt an internationale Tribunale oder an die Justizbehörden anderer EU-Mitglieder ausgeliefert werden, genießen also nicht mehr den Schutz, nach deutschem Recht von deutscher Gerichtsbarkeit behandelt zu werden. Ebenfalls 2000 wird Frauen der Dienst an der Waffe in der Bundeswehr gestattet.

2006 kommt es zur hinlänglich bekannten und beklagten Föderalismusreform mit der Festschreibung des zersplitterten Schulsystems.

2009 wurde die Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben, und dies nur mit dem Ziel, den Staat weiter zu schwächen, Sozialleistungen abzubauen und die Privatisierung zu forcieren - sonst hätte nämlich neben der Schuldenbremse auch die unveräußerliche Substanz staatlicher Aufgaben und die Pflicht zur Steuerfinanzierung dieser Aufgaben in das gleiche Grundgesetz aufgenommen werden müssen, was nicht geschehen ist.

Soweit die wichtigsten der insgesamt 57 Änderungen des Grundgesetzes seit 1949.

Zusammengefasst:
Grundrechte wurden aufgeweicht, Volksvermögen privatisiert, eine Bundespolizei installiert und hoheitliche Aufgaben in einem Maße an die EU abgegeben, dass die eigene Staats- und Rechtsordnung dadurch ganz erheblich beschädigt wurde. Der Bundestag setzt infolge dieser Grundgesetzänderungen ganz überwiegend nur noch EU-Recht in nationales Recht um - und der Rest der eigenständigen Gesetzgebung wird zu einem großen Teil von Lobbyisten vorgeschlagen und ausgearbeitet. Erschwerend hinzu kommt die merkwürdige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts. Vieles, was dem Normalbürger bei verständiger Würdigung der Texte des Grundgesetzes als grundgesetzwidrig erscheint, hat das Verfassungsgericht letztlich doch gebilligt - und wenn es um das Verhältnis zwischen Deutschland und der EU geht, zieht es seine Zuständigkeit gerne selbst in Zweifel.

Und die Extrapolation?
Wenn der Entwicklung nicht Einhalt geboten wird, geht das komplette Grundgesetz sang- und klanglos in den Regelungen des EU-Vertrags unter. Regelungen, zu denen das Deutsche Volk weder gehört noch gefragt wurde. Regelungen, deren Weiterentwicklung fernab demokratischer und parlamentarischer Kontrolle von Kommissaren und Räten betrieben wird. Der Boden der Verfassung, auf dem die junge Bundesrepublik stand (auch wenn schon 1963 der damalige Bundesinnenminister Hermann Höcherl zu einer Abhöraffäre erklärte, er könne nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen) ist kein fester Grund mehr, auf den man bauen könnte. Die Gefahr, von einer Kommissions- und Räte-Union, die wir schon haben, in ein Europa des Kommissions- und Räte-Despotismus abzugleiten, das nur noch den Interessen des Kapitals und der Wirtschaft dient, steht als Menetekel an der Wand.

Der Wohlstand

"Wohlstand" ist ein schillernder Begriff, der - genauso wie der "Mittelstand" - von jedem anders gemeint und/oder verstanden wird. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen sei vorangestellt, dass hier "Wohlstand" als das Maß der verfügbaren "Kaufkraft" der Bevölkerung verstanden wird, und mit dem Bezug auf die dafür aufzuwendende Zeit (Leistung) eine Präzisierung vorgenommen wird, ohne dabei schon auf den Begriff "Lebensqualität" einzugehen. Denn "Lebensqualität" hängt um so weniger von der verfügbaren Kaufkraft ab, je höher diese ist. Gehen wir noch einmal ein halbes Jahrhundert zurück, finden wir (West-)Deutschland mitten im überschäumenden Glücksgefühl des Wirtschaftswunders. 1960 war die Not des verlorenen Krieges praktisch überwunden. Es herrschte annähernd Vollbeschäftigung, die Löhne stiegen schneller als die Preise und die Arbeitszeiten wurden reduziert. Die meisten Haushalte verfügten bereits über Radiogerät, Staubsauger und Kühlschrank, Waschmaschinen waren auf dem Vormarsch und die Zahl der Automobile auf den deutschen Straßen wuchs, wie die Zahl der per Bausparvertrag anbezahlten Eigenheime. Jede Gemeinde, die auf sich hielt, begann mit den Planungen für ein neues Freibad oder Hallenbad, es wurde Rathäuser und Schulen errichtet, öffentliche Bibliotheken vergrößerten ihre Bestände, der Öffentliche Nahverkehr wurde zügig ausgebaut. Die Menschen waren zwar nicht wirklich reich, aber es herrschte Aufbruchstimmung, man genoss den erreichten Wohlstand, den man sich mit 42 oder 41 Wochenstunden erkaufte. Die Gewissheit, dass es uns Jahr für Jahr nur immer besser gehen könne, hatte - bis auf wenige Bedenkenträger - die gesamte Bevölkerung erfasst.

1970 hatte sich die Lage verändert. Millionen von Gastarbeitern waren ins Land geholt worden. Einerseits um die aus dem In- und Ausland hereinbrechende Nachfrage nach "Made in Germany" befriedigen zu können, andererseits aber auch, um den Wettbewerb unter den Arbeitskräften zu fördern, sprich: Um die Löhne im Bereich der unteren Lohngruppen drücken zu können, was selbstverständlich nicht ohne Wirkung auf das gesamte Lohn- und Gehaltsgefüge blieb. Dennoch war der Wohlstand gewachsen. Die Arbeitszeit war verkürzt, die 40-Stunden-Woche erreicht, die 38-Stunden-Woche im Visier und die 35-Stunden-Woche stand als Vision bereits auf der Agenda.

Nun verfügte jeder Haushalt über die große Stereoanlage, mehrere kleinere Rundfunkgeräte und mindestens ein Fersehgerät. Die Waschmaschine war in allen Haushalten angekommen, die ersten Zweitwagen sorgten für die notwendige Mobilität und ermöglichten der berufstätigen Ehefrau das Familieneinkommen aufzustocken. Die jährliche Urlaubsreise ins nahe europäische Ausland war die Regel und mit 16 bekam der Filius sein Moped, mit 18 den Führerschein und die erste eigene Rostlaube.

1980 war der Traum ausgeträumt. Die Bundesrepublik erlebte den Übergang von der Vollbeschäftigung in die Dauer- und Massenarbeitslosigkeit. Waren es 1980 noch knapp 1 Million Arbeitsloser, so wurden im Jahr der Amtsübernahme Helmut Kohls bereits 1,8 Millionen gezählt und als Kohl 1998 die Kanzlerschaft an Gerhard Schröder abgab, zählte das Heer der Arbeitslosen bereits 4,3 Millionen Köpfe. Gleichzeitig verschärfte sich die Situation in den Betrieben. Die Vokabel "Mobbing" wurde populär, die flächendeckende Einführung von Gleitzeit und Arbeitszeitkonten führte zur stillen Aushebelung der Arbeitszeitverkürzung. Wer nicht bereit war, das Gleitzeitkonto bis zum Rand zu füllen und Stunden über der vom Betriebsrat erkämpften Kappungsgrenze ersatzlos entfallen ließ, der musst befürchten, bei nächster Gelegenheit selbst beim Arbeitsamt vorstellig werden zu dürfen. Die reale Kaufkraft der Beschäftigten stagnierte, doch die Arbeitslosen konnten noch darauf vertrauen, mit Arbeitslosengeld und anschließender Arbeitslosenhilfe vor den gröbsten Folgen für den eigenen Wohlstand gefeit zu sein.

2002 trug Gerhard Schröder die Agenda 2010 vor und veränderte das Wohlstandsgefüge der Republik massiv. Am unteren Ende der Gesellschaft entstand ein bis dahin in Deutschland nicht gekanntes Prekariat, dem heute ungefähr 10 Millionen Deutsche zugerechnet werden können. Die reale Kaufkraft der abhängig Beschäftigten ist gesunken, wozu nicht zuletzt auch die inflationäre Wirkung der Währungsumstellung auf den Euro und die rigorose Ausnutzung der Wirtschaftsmacht der Oligopole im Einzelhandel und in der Energieversorgung beigetragen haben.

Zusammengefasst:
Nach einer kurzen Phase des wachsenden Wohlstands in der Breite der Bevölkerung brach die stabil erscheinende Aufwärtsentwicklung ab. Die Bevölkerung wurde von der Produktivitätssteigerung, vom Wachstum des Sozialprodukts und vom Wachstum der Gewinne Schritt für Schritt abgekoppelt und steht, was den Wohlstand betrifft, längst nicht mehr an der Spitze der Länder der EU. Eine hauchdünne, superreiche Oberschicht, die sich selbst als Elite versteht, rahmt ab. Ein Kader skrupelloser Manager lässt sich fürstlich für die Anwendung immer mehr verfeinerter und wirksamerer Ausbeutungsstrategien bezahlen und die Politik bemüht sich darum, dieses System am Leben zu erhalten, weil sie es vorsätzlich mit Deutschland verwechselt.

Und die Extrapolation?
 Es ist nicht schwer, die Zukunft vorherzusagen. Die hunderte von Milliarden teure Rettung von Banken und Euro-Staaten wird den Verteilungsspielraum weiter einengen. Soeben wurden wir über ein auf vier Jahre gestrecktes 80-Milliarden-Sparpaket informiert, das fast ausschließlich zu Lasten des Wohlstands der Normalbevölkerung geht. Weder wird den Gewinnerwartungen des Kapitals ein Riegel vorgeschoben, noch versucht der Staat ernsthaft, sich durch Steuern dort zu finanzieren, wo die Gewinner der Krise sitzen, im Gegenteil: Dass es Gewinner gibt, wird totgeschwiegen. Die Rede ist immer nur davon, dass Banken sich verzockt und Staaten über ihren Verhältnissen gelebt hätten. Wir werden also in den nächsten Jahren einen weiteren, brutalen Rückbau des Sozialstaats erleben, wir werden weitere Privatisierungen, einen weiter schrumpfenden, nicht mehr als Korrektiv im Verteilungskampf eingreifenden Staat erleben, was uns - wohlstandsmäßig - innerhalb von 10 bis 15 Jahren auf das Niveau von 1960 zurückwerfen wird, nur mit umgekehrtem Vorzeichen - und das liest sich dann so:
 2025 ist die breite Masse der Bevölkerung endgültig vom Wohlstand abgekoppelt. Staatliche Maßnahmen erzwingen zwar so etwas wie Vollbeschäftigung, doch die gezahlten Löhne ermöglichen nur noch einen kargen Lebensunterhalt und die nötigsten Anschaffungen. In den meisten Haushalten finden sich zwar noch Radiogerät, Staubsauger und Kühlschrank, aber selbst Waschmaschinen können sich wegen der Energiekosten nur noch wenige leisten. Immer weniger Haushalte betreiben noch ein eigenes Automobil. Die Bautätigkeit für Eigenheime und Eigentumswohnungen ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Die letzten Gemeinden schließen schweren Herzens ihre Frei- und Hallenbäder, Schulen und andere öffentliche Gebäude sind heruntergewirtschaftet und werden dem Verfall überlassen. Die Preise für den öffentlichen Nahverkehr sind hoch wie nie, doch die Zahl der Züge und Strecken ist massiv ausgedünnt. Die Menschen sind zwar noch nicht wirklich arm, aber es herrscht eine tiefdepressive Stimmung und man ergibt sich widerstandslos der Notwendigkeit, 50 und mehr Wochenstunden für einen Hungerlohn zu schuften.

Das Militär

Von der Wiederbewaffnung an führte die Bundeswehr das Dasein einer auf ernst geschminkten Operetten-Armee. In den Schulungen hieß es standardmäßig: "Im Ernstfall, der nie eintreten möge...", und wer eingezogen wurde oder sich auf Zeit oder gar lebenslänglich verpflichtete, konnte darauf vertrauen, niemals in wirkliche Kampfhandlungen verwickelt zu werden, denn aus der Bundeswehr selbst war schon früh die selbstkritische Erkenntnis gewachsen: "Die Bundeswehr ist ein Verein freundlicher junger Männer, deren Aufgabe es ist, den Feind durch die Vielfalt ihrer Uniformen so lange zu verwirren, bis richtige Soldaten kommen", und die waren ja oft nur einen Steinwurf von den deutschen entfernt kaserniert. Und wenn die Bundeswehr ausrückte, dann, um im Inland Katastrophenhilfe und im Ausland humanitäre Hilfe zu leisten.

1960 sah man Bundeswehrsoldaten im Erdbebengebiet von Agadir,
1965 flog die Bundeswehr Hilfsgüter nach Algerien,
1976 waren unsere Soldaten als Erdbebenhelfer im italienischen Friaul,
1984 schaffe die Luftwaffe Hilfsgüter nach Äthiopien,
1988 und 1989 nach Namibia und
1990 flogen Bundeswehrsanitäter zur Erdbebenhilfe in den Iran.

Doch vor 20 Jahren änderte sich ganz allmählich und schleichend die Auffassung von Regierung und Parlament über die Verwendungsmöglichkeiten der bewaffneten Verbände der Bundeswehr. Ein gutes Jahr lang (08/90 bis 09/91) befanden sich 500 Soldaten mit 7 Schiffen auf Minensuche im Persischen Golf, und ab Januar 1991 wurden 18 Schulflugzeuge vom Typ Alpha-Jet in die Türkei verlegt, um dort einen möglichen Angriff aus dem Irak abzuwehren (militärisch eine lächerliche Option, aber psychologisch wichtig für die deutsche Bevölkerung). Dann ging es Schlag auf Schlag: Heeresflieger brachen in den Irak und nach Anatolien auf, um flüchtige Kurden zu versorgen. UN Waffeninspekteure wurden von der Bundeswehr in Transallflugzeugen chauffiert; die Marine nahm an der Durchsetzung des Embargos gegen Jugoslawien teil. Deutsche Sanitäter betreuten UN-Angehörige in Phnom Penh, die Bundeswehr ging mit 1.700 Soldaten, 4 Schiffen und zwei Transportflugzeugen zur Stabilisierung nach Somalia. Weitere "Übungs-Einsätze" folgten, bis die Bundeswehr 1999 in den Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien eintrat und sich aktiv an Luftangriffen beteiligte. Seitdem ist kein Halten mehr. Heute bestreitet die Bundeswehr gleichzeitig ein ganzes Dutzend unterschiedlicher Einsätze und beschäftigt damit rund 8.000 Soldaten im Ausland. Dies, wie es im Weißbuch der Bundeswehr nachzulesen ist, durchaus auch zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen Deutschlands - was heißt: zur Sicherung der Interessen der deutschen Wirtschaft.

Zusammenfgefasst:
Nach 45 Jahren Frieden hat es nur 20 Jahre gebraucht, um die Bundeswehr in der halben Welt in Stellung zu bringen. Wenn auch nicht jeder dieser Einsätze als Krieg bezeichnet werden kann, so ist die internationale militärische Präsenz Deutschlands doch ganz klar als ein Zeichen dafür zu verstehen, dass der Krieg, als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, auch in Deutschland wieder ebenso akzeptiert wird, wie die hirndeformierende und verrohende Brutalo-Sportart Boxen, die nach langen Jahren der Verachtung wieder ihren festen Platz im Programmschema der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten gefunden hat.

Und die Extrapolation?
Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass die Entwicklung der Bundeswehreinsätze so weitergehen wird. Es ist aber ebenso schwer, sich vorzustellen, Deutschland könne sich so einfach wieder aus allen Einsätzen, Bündnisverpflichtungen und den militärischen Zielvorstellungen der EU heraushalten. Es muss wohl akzeptiert werden, dass wir auf lange Sicht nicht mehr unter den jetzt erreichten Stand des Auslandsengagements unserer Streitkräfte zurückfallen werden, sondern uns darauf einstellen müssen, dass es sich mit der von Deutschland ausgehenden Beteiligung an Kriegen jeder Art ähnlich verhalten wird, wie mit der Arbeitslosigkeit. Die Stabilisierung auf hohem Niveau, begleitet von statistischen Tricks zur Verschleierung des wahren Ausmaßes und der wahren Kosten, wird in den nächsten Jahren zur fixen Größe werden.

Die Gesellschaft 

1960 war die Gesellschaft prüde, in großen Teilen (nicht nur nach außen hin) auf äußerste Ehrbarkeit bedacht. In Schulen, Vereinen und Betrieben wurde der Geist der Gemeinschaft gepflegt, es herrschte ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, Feste wurden gefeiert, wie sie fielen und das gesellschaftliche Gefälle drückte sich mehr in der offen und selbstbewusst zur Schau getragenen Zugehörigkeit zu Parteien und Vereinigungen aus, als in mannigfachen Statussymbolen und Willkürakten. Jugendkriminalität war, wie Ausländerkriminalität und Kinderpornografie, ein weitgehend unbekannter Begriff. Die Mehrzahl der Deutschen waren Mitglieder in einer der zwei großen Kirchen - und alle miteinander waren in dem zuversichtlichen Streben verbunden, alles zu tun, damit es ihren Kindern und Enkeln einmal besser gehen wird. Die Prüderie erregte Oswald Kolle, der sich bemühte, das Verhältnis der Deutschen zum Sex zu entkrampfen. Ihm folgte Beate Uhse und kommerzialisierte den Sex der Deutschen. Die Zahl der Nachahmer ist Legion und die Zahl pornografischer (damals sagte man: "unzüchtiger") Darstellungen in Wort und Bild, die sich heute im Aushang eines einzigen Zeitungskiosks zeigt, hätte Anfang der 60er Jahre durchaus noch gereicht, um Hundertschaften der Sittenpolizei auf den Plan zu rufen, dem Betreiber den Gewerbeschein zu entziehen und ihn monatelang einzusperren, von der zwangsläufig folgenden Exkommunikation ganz abgesehen. Die Ehrbarkeit ist heute fast ausschließlich noch Fassade. Der Wahlspruch einer ganzen Generation heißt: "Ich bin doch nicht blöd!" und bringt zum Ausdruck, dass erlaubt und gut und richtig ist, was dem eigenen Vorteil dient. Legal oder illegal sind nicht mehr Kategorien, die das Handeln bestimmen, sondern nur noch Aspekte der Risikoabwägung. Dieser weit fortgeschrittene Mangel an Ehrbarkeit belastet den gesellschaftlichen Zusammenhang, denn obwohl keiner mehr blöd (also ehrbar) sein will: Der Erfolg ist weniger davon abhängig, wie riskant einer beim Setzen auf die erkennbaren Chancen vorgehen will, sondern sehr viel mehr davon, wie hoch der Einsatz ist, der gesetzt werden kann. Mit gleicher krimineller Energie erreichen die einen dabei mit ihren kleinen Möglichkeiten nicht mehr als ein paar hundert Euro im Monat, während andere an einem Tag Millionen einsacken, ohne sich dafür besonders bemühen zu müssen.

Der Gemeinschaftsgeist in Schulen, Vereinen und Betrieben ist geschwunden und zu den schalen Schau-Ritualen einer künstlichen "Corporate Identity" verkümmert. Die Jüngeren können sich das gar nicht mehr vorstellen, dass es vor 50 Jahren gang und gäbe war, dass die Abteilung eines Betriebes mit 30, 40 Mitarbeitern von sich aus einen gemeinsamen Vatertagsausflug organisierte, bei dem aber nicht einer fehlte (Krankheit ausgenommen), dass sich diese Leute einen Tag lang miteinander köstlich amüsiert haben und dass sich am Abend immer welche gefunden haben, die den, der so viel über den Durst getrunken hatte, dass er nicht mehr alleine nach Hause fand, bis zu seiner Haustür eskortierten.
Dass solche Abteilungen aber nicht nur beim Vergnügen, sondern auch bei der Arbeit zusammenhielten, dass der Schwächere nicht weggemobbt wurde, sondern sich auf Hilfe und Unterstützung verlassen konnte, solange er dies nicht ausnutzte, gehört heute längst nicht mehr zur Selbstverständlichkeit kollegialen Umgangs. Genauso war es in den Schulen und in den Vereinen. Konkurrenz gab es natürlich auch. Jeder wollte im Sportverein die beste Leistung erbringen, aber keiner der Kollegen neidete dem wirklich Besten den Erfolg. Gut, von Ausnahmen abgesehen, die es immer gab, aber es waren eben die Ausnahmen, wo es heute die Regel ist, sich - ich bin doch nicht blöd - um den Preis von Freundschaft und Kollegialität zum eigenen Vorteil mit allen Mitteln durchzusetzen. Das hätte das damalige Gerechtigkeitsempfinden gar nicht zugelassen. Das gesellschaftliche Gefälle hat sich verstärkt und wird offen zur Schau getragen. Die "ganz oben" tauchen in den Niederungen der Normalsterblichen gar nicht mehr auf. Ein jovialer Ernst von Siemens, der noch in den 50er Jahren eine Technische Zeichnerin als neue Mitarbeiterin des Hauses Siemens persönlich begrüßte, gibt es nicht mehr. Dass man dafür heute - trotz aller Arbeitserleichterungen - einfach keine Zeit mehr hat, ist vorgeschobene Begründung. Die Wahrheit ist schlichte Missachtung. Menschen sind als kostenintensive "human ressources" in die Kalkulation der Betriebswirtschaftler eingegangen - und dort stecken sie fest. Am Boden des Gefälles hat sich ebenfalls ein Pol der Unsichtbarkeit herausgebildet. Wie die indischen Parias meidet das Prekariat die Öffentlichkeit. Man bleibt unter sich, in den eigenen vier Wänden, und wenn man sich hinaustraut, dann bestmöglich verkleidet, um ja nicht aufzufallen. Nur wenige outen sich als ALG-II Empfänger. Das weiß man bestenfalls in der näheren Familie, unter besten Freunden - aber wer hat die noch, nachdem ihn die aufgezwungene Mobilität entwurzelt hat?

Betrachten wir den Volkssport Nummer 1, den Fußball. Ranghohe Alphatiere fliegen mit Firmen- oder Bundeswehrjets zu den Spitzenbegegnungen, wo sie in der VIP-Lounge unter sich sind. Schon um sich den stinknormalen Stadionplatz leisten zu wollen, muss man überzeugter Fan sein, und um ihn sich leisten zu können, muss man gut verdienen, denn ein Fan erscheint nicht einmal jährlich im Stadion, sondern 10, 20 Mal, wenn nicht öfter - und da sind 1.000 Euro schnell verpulvert. Für die, die draußen bleiben müssen, bleibt als Gemeinschaftserlebnis das öffentliche Glotzen (public viewing) und wer sich in der Masse nicht wohlfühlt, z.B. weil er sich die Bratwurst und das Bier beim public viewing von Hartz-IV nicht leisten kann, der hockt zuhause bei Leitungswasser vor dem Fernseher und hofft, die GEZ kommt ihm nicht auf die Schliche. 1960 verdiente ein Spitzenfußballer nicht sehr viel mehr als ein Facharbeiter, aber da waren Fußballvereine auch noch mehr, als nur die offizielle Hülle für ein profitorientiertes Wirtschaftsunternehmen, das mit Fernsehrechten, Eintrittsgeldern und Fanartikeln dem großen Reibach nachjagt. Da hat man Fußball hauptsächlich gespielt, um Spaß zu haben. War früher die Mitgliedschaft im Fußballverein noch ein Teil gemeinschaftlicher Verbundenheit, ist sie heute nur noch Teil der Statussymbole, aus denen sich der Mensch der Gegenwart seine Identität zusammenbastelt, so viel wert, wie das Modelabel, das außen am Ärmel das Sakkos getragen wird.
(Furchtbar! Etiketten sind Dreck, der ein Kleidungsstück verschandelt, nicht ziert, aber das begreift heute keiner mehr. Heute erscheint das schönste Kleidungsstück, wenn das Logo des Designers abgefallen ist, nur noch als billiger Schund).

Ob sich an der gemeinen Kriminalität der Diebe und Räuber viel geändert hat, weiß ich nicht. Ob sich die Zahl der Morde aus Habgier und Eifersucht maßgeblich verändert hat, weiß ich auch nicht. Dass es keine Ausländerkriminalität gab, lag daran, dass es kaum Ausländer gab, ist also auch keine relevante Veränderung, aber dass es so gut wie keine Jugendkriminalität gab, obwohl es deutlich mehr Jugend gab als heute, das kann nicht wegdiskutiert werden. Der Zusammenhang zwischen Jugendarbeitslosigkeit, der daraus folgenden Perspektivlosigkeit und der Jugendkriminalität liegt auf der Hand, der Zusammenhang zwischen verrohenden Medien- und Spielangeboten, die hauptsächlich von Jugendlichen angenommen werden, wird auch nur von den Herstellern und Vertreibern dieser Produkte und den von ihnen honorierten Experten bestritten.

Die Kirchen haben für einen Großteil der Deutschen keine Bedeutung mehr. Kirchliche Feste, an denen nicht beschenkt wird, werden nur noch als freie Tage wahrgenommen. Hochzeit, Taufe, Konfirmation und Kommunion werden kirchlich gefeiert, weil das "so schön" ist - und beerdigt wird mit geistlichem Beistand, weil das so tröstlich ist. Aus der Kirche tritt man aus, weil man die Kirchensteuer sparen will, nicht etwa, weil man sich in intensiver Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten dazu durchgerungen hat. 

An dem Streben, dass es den Kindern und Enkeln einmal besser gehen soll, hat sich nichts geändert, wohl aber an der Strategie, dies zu erreichen. Aus einem gemeinsamen Streben ist ein Konkurrenzkampf geworden. Dem eigenen Nachwuchs das Beste, der Rest kann sehen wo er bleibt.

Zusammengefasst:
Bei wohlwollender Wortwahl könnte man sagen, die Gesellschaft hat sich von gemeinschaftsorientierten Idealen weg, hin zur Erfüllung egoistischer Individualbedürfnisse entwickelt. Doch dies wäre eine Lüge. Eine Gesellschaft bewegt sich nicht, sie zerbricht allmählich, wenn sich der Individualismus als Lebensmotto durchsetzt - und der Zerfall ist bereits weit fortgeschritten.

Und die Extrapolation?
Setzt sich die Entwicklung fort, wird sie vor allem auch in den Gemeinschaftsaufgaben tiefe Schneisen hinterlassen, weil der Egoismus kein Geld dafür bereitstellen will.
Wir werden erleben, dass die öffentlichen Schulen und Bildungseinrichtungen noch mehr verkommen und durch privat organisierte Eliteschulen und privatwirtschaftlich organisierte Ersatzschulen verdrängt werden. Wir werden weitere Entlastungen bei der steuerlichen Behandlung großer Einkommen erleben. Wir werden die weitere Erosion der Rentenversicherung erleben, weil der individuelle Egoismus glaubt, auf die Gemeinschaft nicht angewiesen zu sein, ihr daher auch nichts zu schulden. Gleiches gilt für Kranken- und Pflegeversicherung, für Kindergärten und Horte, Senioren- und Pflegeheime. Öffentliche Parkanlagen werden aufgegeben und als Baugrundstücke für Luxus-Villen verhökert, Freiwillige Feuerwehren werden aufhören zu existieren, die großen und wichtigen Vereine verlieren Mitglieder - und die Menschenmassen hasten von einem Hype zum anderen. Heute Lena, morgen Nela... Namen und Gesichter sind austauschbar. Es muss nur einer kommen, eine Story dazu in die Medien heben - und schon stimmt die Kasse. Nein. Dieser Gesellschaft ist der sinnstiftende Konsens abhanden gekommen. Es fehlt ein allseits anerkanntes Ziel gemeinsamer Anstrengungen - und es wird sich in den nächsten 20 Jahren nicht finden lassen. Wer selbst die große Chance der Wiedervereinigung, wie geschehen, per Treuhand und Solidaritätszuschlag verschludert, der wird so leicht auch kein anderes Ziel finden, für das es zur Mobilisierung gemeinsamer Kräfte kommen könnte.

Worum geht es also wirklich?

Mit den hier vorgetragenen Überlegungen zu den Trends in den Bereichen Verfassung, Wohlstand, Militär und Gesellschaft ist hinreichend erkennbar geworden, wohin Deutschland sich bewegt. Die ursprünglich fast als ideal zu bezeichnende Verfassung, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, wurde im Laufe der Jahre mit den notwendigen Mehrheiten der Parlamentarier so verändert, dass sich das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat immer mehr zu Gunsten des Staates veränderte. Bürgerrechte wurden eingeschränkt, die Staatsmacht nach innen und außen verstärkt, privater Gewinn über gemeinschaftliches Wohlergehen gestellt. Die Wohlstandsentwicklung, die anfänglich positiv aussah, hat sich - folgerichtig - schnell verändert und ist derzeit für die Breite der Bevölkerung massiv rückläufig. Das Militär ist aus dem reinen Verteidigungsauftrag mehr oder minder unbemerkt hinausgewachsen und steht inzwischen, wenn auch nur umgangssprachlich, nach Bekunden des Verteidigungsministers im Krieg. Der gesellschaftliche Zusammenhalt zerfällt, es fehlt am gemeinsamen, sinnstiftenden Ziel. Divide et impera? Geteilt ist wohl schon...

Zufall, oder Absicht?

Dass sich ein Staat über einen langen Zeitraum in allen hier betrachteten Aspekten rein zufällig in die gleiche Richtung entwickelt, mit dem erkennbaren Ziel, die Allmacht des Staates und die Ohnmacht der Menschen herzustellen, ist unwahrscheinlich.  Dass es "die Menschen" so gewollt haben und ihnen ihre demokratisch gewählten Vertreter den Staat schlicht nach ihrem Willen gestaltet haben, ist erstens nicht wahr. Gerade in jüngster Vergangenheit arbeitet die Regierung in nahezu allen Fragen gegen den bekannten Willen der Mehrheit der Bevölkerung, und es wäre zweitens ein Armutszeugnis für die intellektuellen Fähigkeiten der gewählten Volksvertreter, würden sie sich hier als die unschuldigen Erfüllungsgehilfen eines dumpfen Volkswillens darstellen, wo sie sich doch zugleich brüsten, dem irrenden und wankelmütigen Volk nicht erlauben zu dürfen, in Volksentscheiden selbst über wichtige Fragen zu entscheiden. So, wie die Supermärkte bestimmen, was in die Regale kommt, und erst danach die Kunden auswählen, was sie davon kaufen, so bestimmt auch die politische Kaste zuerst, welche Veränderungstendenzen angeboten werden, und erst danach wählt der Wähler daraus das für ihn kleinere Übel. Politikverdrossenheit ist nicht Ausdruck fehlender Mitwirkungsbereitschaft, sie ist Ausdruck fehlender Mitwirkungsmöglichkeiten! 

Wagen wir die zunächst noch ungeheuerlich anmutende Schlussfolgerung:
Deutschland, so wie es heute beschaffen ist, ist in jedem Detail das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen. Nicht jede Entscheidung hatte den nun erreichten Zustand zum Ziel, aber der erreichte Zustand ist das Ergebnis politischer Entscheidungen. Unser bemerkenswert schlechtes Abschneiden bei der Pisa-Studie, das Millionenheer der Arbeitslosen und Hilfeempfänger, die Strom- und Benzinpreise, die sonderbaren Diktate der EU, denen wir uns beugen, 5.000 Mann unter Waffen in Afghanistan - ja ist das denn alles vom Himmel gefallen? Ein Staatsschuldenberg von nun schon fast 1,8 Billionen Euro, genmanipulierte Pflanzen auf den Äckern, die katastrophale Lage im Gesundheitswesen, das alles ist über die Jahre von der Politik auf den Weg gebracht worden. Die Öffnung der Grenzen, für Waren, Dienstleistungen und Kapital, war uns doch nicht ins Grundgesetz geschrieben. Das war gewollt! Die Deregulierung der Finanzmärkte, die miserable Kontrolle, das war uns doch nicht ins Grundgesetz geschrieben. Das war gewollt! Die Privatisierung weiter Teile des Volksvermögens, das war uns doch nicht ins Grundgesetz geschrieben.
Die Vernachlässigung der Schulen und Hochschulen, die Einführung von Studiengebühren - das war doch gewollt, genauso wie die steuerliche Entlastung der Unternehmen und vor allem der Anteilseignern der Unternehmen gewollt war. Dass dadurch eine Reihe von Staatsaufgaben nicht mehr finanzierbar sind, das ist doch nicht vom Himmel gefallen. Das war doch gewollt! Dass wir nun ein gigantisches Sparpaket ertragen müssen, das war doch gewollt. Schon als im Schweinsgalopp über noch gigantischere Banken- und Exportsubventionen (denn was ist die Euro-Rettung anderes als eine Exportsubvention?) entschieden wurde, war es das Ziel, die breite Masse der Bevölkerung mit den damit aufgenommenen Schulden zu belasten, weil die Gläubiger dies verlangten. Jeder Missstand, den wir heute sehen, ist Ergebnis einer langen Reihe politischer Entscheidungen. Natürlich gibt es auch Positives, das aus politischen Entscheidungen hervorgegangen ist, aber der Bestand dieses Positiven schwindet. Die Politik korrigiert gute Entscheidungen im Eiltempo und zerstört, was in langen Jahren aufgebaut wurde. Wo sind die von den Gewerkschaften erkämpften und durch politische Entscheidungen in Kraft gesetzten Arbeitnehmerschutzrechte geblieben? Sie wurden aufgeweicht und abgebaut, und wer heute darauf besteht, den noch bestehenden Rest wahrnehmen zu wollen, dem wird als Betriebsrat die Pistole auf die Brust gesetzt. Arbeitsplätze gegen Schutzbestimmungen! Was ist aus dem einst weltweit vorbildlichen Bildungssystem geworden? Es produziert haufenweise nicht ausbildungsreife Schulabgänger - und es produziert haufenweise Abiturienten, die mit Orthografie und Interpunktion überfordert sind und die Grundrechenarten ohne Taschenrechner nicht mehr anwenden können. ...und was ist mit dem Ausstieg aus der Atomenergie, der in diesen Tagen wieder zur Disposition steht?

Natürlich gab es Einflüsse von außen. Das will niemand bestreiten. Unsere Nachbarn in Europa, unsere Verbündeten, der Rest der Weltgemeinschaft, sie haben Forderungen an uns gerichtet, vielleicht auch Drohungen - aber nachgegeben hat die Politik! Die Wirtschaftskapitäne, die Anteilseigner der global agierenden Unternehmen, sie haben Forderungen an uns gerichtet, vielleicht auch Drohungen - aber nachgegeben hat die Politik! Die Beschäftigten, die Rentner, die Arbeitslosen, die Schüler, die Eltern, die Studenten, die Umweltschützer, alle haben Forderungen an die Regierung gerichtet - aber die Politik ist ihnen gegenüber hart geblieben! Es ist doch ein Wahnsinn, wenn sich deutsche Politiker hinstellen und mehr oder weniger offen bekennen, die Banken hätten sie erpresst! Es ist doch ein Wahnsinn, wenn sich deutsche Politiker hinstellen und mehr oder weniger offen bekennen, dass sie gegenüber der EU machtlos sind. Es ist doch ein Wahnsinn, wenn sich deutsche Politiker hinstellen und mehr oder weniger offen bekennen, dass sie gegen Spekulanten nichts anderes unternehmen können, als ihnen Milliarden Euro in den Rachen zu werfen. Was sind das denn für Memmen?

Ist das ihr Auftrag? Nein! Aber es sind Menschen, wie Du und ich.
Menschen, die es sich nicht schwerer machen, als nötig. Menschen, die mit Vorliebe den Weg des geringsten Widerstandes wählen. Aber dafür haben wir sie nicht gewählt. Wir, die wir unsere eigenen Interessen nicht mehr selbst verteidigen, weil wir das Gewaltmonopol an den Staat abgetreten haben, erwarten, dass er dieses Gewaltmonopol nutzt, um Verbrecher, Betrüger, Schwindler, Wucherer, Spekulanten, Lügner, Brunnenvergifter und Irrlehrer unschädlich zu machen - statt sich, dem Weg des geringsten Widerstandes folgend, lieber zu deren Sachverwalter zu machen. Wir, die wir unsere Altersicherung, unsere Gesundheitsvorsorge, die Ausbildung unserer Kinder dem Staat anvertraut haben, erwarten, dass er die ihm damit übertragenen Aufgaben treuhänderisch wahrnimmt, statt sie, und damit uns, nach und nach - gegen unser Interesse - an private Unternehmen zu verhökern. Die Politik, die der Sachverwalter des Volkes sein sollte, hat sich zum Sachverwalter der Gier gemacht und scheut sich nicht, selbst die Gierigsten noch als "unsere Eliten" darzustellen. Die Politik, die weiterhin alle Entscheidungen trifft, auch die Entscheidung darüber, die Mehrzahl der Entscheidungen fernen Räten und Kommissaren in Brüssel zu überlassen, macht doch durch ihr Handeln ganz überdeutlich, worum es geht. Schritt für Schritt nähern wir uns dem Zustand, der als langfristig angestrebtes Ziel angenommen werden muss:

Die Erschaffung des perfekten Untertanen.

Hochgerüstete und durchtrainierte paramilitärische Einsatzgruppen zur Aufstandsbekämpfung im Inneren stehen Bürgern gegenüber, die sich schon strafbar machen, wenn sie ein Spielzeug-Luftgewehr mit lächerlicher Geschoss-Energie außerhalb ihres eigenen Grundstücks mit sich führen (Waffengesetz), die sich schon strafbar machen, wenn sie zur Pudelmütze eine Sonnenbrille tragen (Vermummungsverbot), und die sich strafbar machen, wenn zwei an einer Ecke zusammenstehen und politisieren, ohne diese Versammlung ordnungs- und fristgemäß angemeldet zu haben (Bayerisches Versammlungsgesetz). Technisch hochgerüstete Spitzel, die jedes Telefonat, jede Internetverbindung überwachen und mühelos den Standort jedes Mobiltelefons feststellen, können jeden Versuch, den Widerstand der Bürger zu organisieren erkennen und im Keim ersticken. Ob wohl jemals ein Richter die Erlaubnis zur Telefonüberwachung verweigert hat? Die Strukturen des totalitären Staates sind gelegt, die Machtbasis ist installiert. Dass sie kaum sichtbar werden, nur selten und immer nur kurz und punktuell zum Einsatz kommen, liegt daran, dass diese kleinen Machtdemonstrationen vollauf genügen, um die Untertanen untertänig zu halten.

Die Frage heißt doch gar nicht mehr: "Worum geht es?"  Inzwischen kann man nur noch fragen: "Worum ging es?" Rien ne va plus - nichts geht mehr.

Quelle: E.W.K. ... der Unternehmerberater e.K., Schrobenhausener Straße 15, 86556 Kühbach-Unterbernbach (Der Artikel wurde zur Verbreitung von Thomas Ritter übermittelt)

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