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Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum Aus für die Wehrpflicht

Archivmeldung vom 04.01.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.01.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die letzten beißen die Hunde: Es ist eine bittere Ironie, dass der gestrige Einberufungstermin für die Wehrpflichtigen ein Gefühl von Ungerechtigkeit hervorruft. Zumindest die jungen Männer, die gegen ihren Willen zur Bundeswehr eingezogen wurden, werden sich fragen, warum es so kurz vor Torschluss ausgerechnet sie erwischen musste.

Zum nächsten Termin in zwei Monaten werden nämlich nur noch Freiwillige genommen. Symbolträchtiger hätte dieser 3. Januar nicht ausfallen können, der den endgültigen Abschied von der Wehrpflicht markiert. Denn seit Jahren existiert die Wehrgerechtigkeit nur noch auf dem Papier. Und seit langem ist die Bundeswehr eine Zwei-Klassen-Armee: Einerseits hervorragend ausgebildete Berufs- und Zeitsoldaten für gefährliche Auslandseinsätze - andererseits Wehrpflichtige, die zwischen Geländeübungen und Spindaufräumen schon mal an der Sinnhaftigkeit ihrer Ausbildung zweifeln. Und darüber ein bürokratischer Wasserkopf mit verwirrenden Zuständigkeiten. Dass die Bundeswehr in diesen Punkten reformbedürftig ist, wird niemand bestreiten. Doch wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die historische Zäsur für die Armee im Eiltempo durchpaukte, wirft gewaltige Fragezeichen auf. Zunächst bei der Bundeswehr selbst: Für die Ausmusterung der Wehrpflicht mag es zuletzt plausible Gründe gegeben haben. Dennoch überrascht es, wie schnell die Union das Thema preisgab, das zuvor als unverhandelbar galt. Immerhin war die Wehrpflicht fünf Jahrzehnte lang ein Erfolgsmodell. Sie fungierte als sichtbares Zeichen dafür, dass die Armee fest in der Gesellschaft verankert ist. Sie war ein Garant dafür, dass sich kein Staat im Staate mehr bilden konnte. Und sie gewährleistete die Durchlässigkeit der Bundeswehr für junge Männer aus allen Berufen und Schichten. Das könnte sich in einer reinen Freiwilligenarmee schnell ändern, wenn verstärkt perspektivlose Jugendliche ihr Heil beim Militär suchen. Im schlimmsten Fall droht uns dann eine Unterschichtenarmee. Mit seinem Vorstoß überrumpelte Guttenberg Freund und Feind. Für den schnellen Erfolg, sich als effizienter Sparminister profilieren zu können, opferte er mit der Wehrpflicht einen Markenkern der Union. Und pikanterweise übernahm er damit auch noch eine Kernforderung von Grünen - und FDP. Das werden die Kollegen aus CDU und CSU dem Polit-Star unter die Nase reiben, wenn er einst für höhere Aufgaben gehandelt wird. Guttenberg bleibt bei seinen Reformplänen entscheidende Antworten schuldig. Es steht völlig in den Sternen, ob der Staat ohne Wehrpflichtige überhaupt Geld sparen kann. Nicht nur, weil Berufssoldaten wesentlich teurer sind. Spätestens, wenn in wenigen Monaten das Zivildienstsystem zusammenbricht, das an die Wehrpflicht gekoppelt ist, könnte sich die Bundeswehrreform als teurer Irrtum entpuppen. Denn den Kandidaten für den Bundesfreiwilligendienst wird man für die Pflege und Betreuung von Alten, Kranken und Behinderten weit bessere Anreize bieten müssen als das bislang veranschlagte Taschengeld. Zum riskantesten Manöver wird für den Minister die Schrumpfkur für die Truppe. Bisher steht Guttenbergs großes Streichkonzert nur auf dem Papier. Er will die Zahl der Soldaten deutlich verringern, schweigt sich aber aus, welche Standorte zusperren sollen. Guttenberg wird wegen der anstehenden Kasernenschließungen noch viele politische Schlachten gewinnen müssen - mit Ministerpräsidenten genauso wie mit Bürgermeistern und wütenden Bundeswehrangehörigen - quer durch die Republik. Sie werden ihm nicht so schnell verzeihen, wenn es ausgerechnet sie treffen wird.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung

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