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Sind so kleine Hirne … - oder: Fragen eines arbeitenden Denkers

Archivmeldung vom 18.09.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Da sind sie wieder, die Wohlmeinenden - und wieder einmal streiten sie sich um nichts Geringeres als das Wohl ihrer und unserer Kinder. Die Frage lautet diesmal: Wie viel Zeit am Computer verträgt ein Kind? Und es stehen sich die hier als Kulturpessimisten und Altfordere titulierten Skeptiker der schönen neuen Medienwelt und die Verfechter des Gedankens „Jede Erfindung ist ein Fortschritt und damit per se gut“ gegenüber. Und, das sei hier ausdrücklich bescheinigt, beide Seiten meinen es nur gut. Die Frage ist letztlich nur: Mit wem eigentlich?

Es ist eigenartig, dass in der öffentlich geführten Debatte noch niemand auf das Nächstliegende gekommen zu sein scheint: Die Frage hinsichtlich des Umgangs mit moderner Technik ist nicht, ob sie gut oder schlecht ist, sondern WIE man ihn RICHTIG gestaltet. Also sollten wir unseren Kindern eine Vorstellung von diesem „richtigen Umgang“ vermitteln. Wobei „richtiger Umgang“ hier eben gerade nicht die simplen technischen Fertigkeiten der ordnungsgemäßen Bedienung von Geräten oder der Programmierung von Software meint.

Warum gibt es an manchen unserer Schulen seit einiger Zeit Unterrichtsfächer wie „Glück“, aber kein Pflichtfach „Kommunikation“, das den Kindern beibringt, was Kommunikation bedeutet, wofür sie da ist und wie sie funktioniert – und zwar sowohl innerhalb eines Individuums, als auch zwischen Individuen, als auch vermittelt über Medien?

Wenn einerseits davon die Rede ist, dass sich das soziale Klima an Schulen immer weiter verschlechtert, dass die kommunikativen und sozialen Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern abnehmen, warum ist dann nicht längst jemand auf die Idee gekommen, hier etwas Sinnvolles zu unternehmen, um dem entgegenzuwirken?
Oder anders gesagt: Wer kommt eigentlich auf die völlig wahnwitzige Idee, dass Kinder, die kaum in der Lage sind, miteinander gescheit zu kommunizieren, sich der medial vermittelten Kommunikation zuwenden sollten?

Und wer ist eigentlich auf die Schnapsidee gekommen, Kindern in der Schule eine „vereinfachte Schrift“ beizubringen, mit dem Argument, sie hätten ja doch später ohnehin nie mit der Hand zu schreiben? Es geht hier gar nicht einmal um den Gedanken, dass Handschrift (im Sinne einer Schreib- und nicht wie auch immer gearteten Blockschrift) durchaus auch identitätsbildend ist.
Es geht darum, dass die Bewegung der Hand das Gehirn trainiert – und zwar in anderer Form als das Schreiben auf einer Tastatur.

Wozu gibt es eigentlich Gehirnforschung, die uns immer wieder neue Aspekte der Wechselbeziehungen zwischen körperlicher und geistiger Bewegung vermittelt, wenn an den Stellen, wo man das nicht nur wahrnehmen, sondern direkt zum Wohle der Kinder umsetzen sollte, diese wissenschaftlichen Ergebnisse nicht beachtet werden?
Warum wird über die steigende Fülle des Lehrstoffes gejammert, anstatt Kindern in der Schule schlichtweg zu vermitteln, wie man besser lernen, wie man mit seinen persönlichen geistigen Ressourcen besser umgehen kann (auch das – Bestandteil der erst seit blamabel kurzer Zeit und immer noch nur vereinzelt an Hochschulen angebotenen Kognitionswissenschaften - ist ein Aspekt der Kommunikation)?

Warum scheint noch niemand an den zuständigen Stellen begriffen zu haben, dass die Fähigkeit zu sprechen und das Erlernen einer (wie auch letztlich aussehenden) Kulturtechnik des Schreibens Menschen nur sehr rudimentär zu Kommunikation befähigen?
Es geht doch schließlich auch niemand davon aus, dass ein Kleinkind, das gerade das Laufen gelernt hat, reif für die Ballettbühne ist. Aber in einer immer komplexer werdenden Kommunikationskultur sollen sich Menschen ohne jegliche Anleitung automatisch nicht nur zurechtfinden, sondern am besten gleich brillieren …?

Liest eigentlich irgendwer unter unseren Politikerinnen und Politikern, speziell jenen, die sich den Begriff „Bildung“ aufs Fähnchen gestickt haben, etwas anderes als die eigenen Reden, die andere für sie geschrieben haben? Bücher zum Beispiel? Oder schaut mal ins Internet?

Ist die Zukunft unserer Kinder nur die von Steuerzahlern oder wird ihnen auch außerhalb ihrer mehr oder minder staatstragenden Funktionen irgendeine Form von Relevanz zugestanden – vielleicht einfach, weil sie Menschen sind?

Was Wichtigeres haben wir ihnen zu geben als das beste verfügbare Rüstzeug für ihr Leben – und „Leben“ heißt hier nicht „Arbeitsmarkt“ und „Rentenversicherung“, sondern ein würdevolles, aktives und sozial orientiertes Miteinander in unserer Gesellschaft?

„Sind so kleine Hände ...“ sang einst Bettina Wegener und man ist versucht, weiter zu dichten: „Sind so kleine Hirne ...“, wobei sich allerdings die Frage erhebt, welche die kleineren sind: die unserer Kinder oder die jener, denen es nicht gelingen mag, ihrer Verantwortung für die Zukunft dieser Kinder gerecht zu werden.

Kommentar von Herbert Jost-Hof

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