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Mittelbayerische Zeitung: Krachend gescheitert

Archivmeldung vom 10.06.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.06.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Das ging gründlich daneben. Theresa May hat versagt, bei den britischen Wahlen ein überzeugendes Mandat zu holen. Dabei hatte die britische Premierministerin die vorgezogenen Neuwahlen zum britischen Unterhaus allein aus diesem Grund ausgerufen: Um sich eine klare parlamentarische Mehrheit zu besorgen für die anstehenden Brexit-Verhandlungen. Das Land, so hatte May argumentiert, brauche klare Verhältnisse, nachdem man im Referendum die schicksalhafte Entscheidung getroffen habe, die Europäische Union zu verlassen.

Der einzige Weg, versicherte May den Briten, "um Sicherheit und Stabilität für die nächsten Jahre zu garantieren, ist, diese Wahl abzuhalten und eure Unterstützung zu suchen für die Entscheidungen, die ich machen muss." Als sie vor sieben Wochen diesen Schritt unternahm, schien ihr der Sieg sicher. Die Labour-Opposition lag weit abgeschlagen um mehr als 20 Prozent hinter der Regierungspartei. Man hielt einen Erdrutschsieg der Konservativen für wahrscheinlich, bei dem May eine absolute Mehrheit von mehr als 100 Sitzen einfahren würde.

Die Hochrechnung nach der Schließung der Wahllokale am späten Donnerstagabend mussten wie ein Schock für die Premierministerin gekommen sein: 314 Sitze gab die erste Prognose den Konservativen, also siebzehn Sitze weniger als sie zuvor gehabt hatten. Am Ende wurden es noch vier Sitze mehr. Zwar sind die Konservativen mit 318 Mandaten stärkste Kraft, aber ihre absolute Mehrheit ist verspielt. Es ist ein Desaster für May, und schlimmer noch: ein selbstverschuldetes, denn es gab für sie keinen Zwang, die Neuwahlen anzusetzen.

Eine deutlich geschwächte Regierungschefin muss jetzt den Fenstersturz durch Fraktionskollegen fürchten, so resolut sie sich auch gibt. Ein anderer großer Verlierer der Nacht war Paul Nuttall, der Vorsitzende der rechtspopulistischen Ukip. Sie hatte in den Parlamentswahlen vor zwei Jahren noch 12,6 Prozent der Stimmen einfahren können.

Diesmal wurden es gerade einmal 1,8 Prozent. Die Partei ist am Ende. Konsequenterweise trat ihr Vorsitzender Nuttall zurück. Auch die schottische SNP musste Federn lassen. 21 Sitze gingen verloren, aber immerhin blieb man immer noch deutlich stärkste Kraft im Norden. Allerdings dürfte jetzt ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum für Schottland vorerst vom Tisch sein, denn der Wahlausgang demonstrierte, dass die Schotten davon nichts halten. Nicht der Sieger, aber sicherlich die glücklichste Partei der Wahlnacht war Labour.

Die größte Oppositionspartei konnte ihre Mandate und ihren Stimmanteil deutlich erhöhen - ein triumphaler Erfolg für den umstrittenen Herausforderer Jeremy Corbyn. Er hat demonstriert, dass mit einem Programm der Hoffnung selbst die abtrünnig gewordenen Labour-Wähler in Nordengland, die vor zwei Jahren von Ukip abgeworben wurden, wieder zurückgeholt werden können. Und die Mobilisierung der Jungwähler, die Corbyn gelang, macht Hoffnung auf eine Revitalisierung der politischen Debatten im Königreich. Doch insgesamt ist das Ergebnis der vorgezogenen Neuwahlen ein ziemlicher Scherbenhaufen.

Eine geschwächte Regierungschefin. Unstabile Mehrheitsverhältnisse. Ein unklarer Brexit-Kurs. Und vor allem: Ein zerrissenes Land. Großbritannien ist gespalten zwischen jung und alt, Brexit-Fans und Europafreunden, englischen und schottischen Nationalisten und urbanen Zentren, wo Labour deutlich dominiert, und Rest-England, wo die Konservativen den Ton angeben. Statt für klare Verhältnisse hat Theresa May für eine neue Unübersichtlichkeit gesorgt. Und das in Zeiten, wo die Wirtschaft die ersten negativen Konsequenzen des Brexit verspürt. Unglücklicher hätte diese Wahl für das Land kaum ausgehen können.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots) von Jochen Wittmann

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