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Rheinische Post: Gott in San José

Archivmeldung vom 16.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Ins weltweite Konzert unserer Jubelrufe über die Rettung der 33 Bergleute aus Chile mischte sich auch diese glaubensgewisse Botschaft: "Gott hat gewonnen!" Das atmete viel Zuversicht, das war eine frohlockende Mutmachzeile. Und doch ist sie falsch: Denn Gott gewinnt nicht und verliert nicht; weil Gott kein Spieler ist. Auch taugt der Triumph von San José nicht zum Gottesbeweis. So wenig Gott die vielen tausend Menschen in Südostasien vor sechs Jahren mit dem Tsunami bestrafte, so wenig hat er nun die Bergleute und deren Familien in Chile belohnt. Wer Gott eine solche willkürliche Macht über Leben und Sterben zuspricht, weist am Ende nur die eigene Verantwortung von sich.

Die dramatischen und auch wundersamen Ereignisse von San José öffnen vor christlichem Hintergrund allerdings die Augen für jene Geste bedingungsloser Teilnahme: Mit einem Gott, der bei den eingeschlossenen Bergleuten hockte, mit ihnen litt und mit ihnen gerettet wurde; mit einem Gott, der bei den Angehörigen in den kalten Zelten saß und mit ihnen um die Männer fürchtete; mit einem Gott, der den Rettungskräften zur Seite stand und mit ihnen die immense Verantwortung teilte. Gott ist ein schlechter Superman; er flitzt nicht durch unsere Welt und rettet alles und jeden. Aber er ist stets gegenwärtig, im Leiden wie im Triumphieren. Und: Er verwandelt San José, indem er der Rettungsaktion über den Tag hinaus Bedeutung gibt. Sicher, am Ende war es auch ein Sieg unserer Technik; es wurde getan, was wir so treffend das "Menschenmögliche" nennen - ein Wort, das bei allem Fortschritt doch immer auch auf unsere Grenzen weist. Die Botschaft von San José meint keine technischen Hochleistungen. Die Bergleute selbst sind die Botschaft: Mit ihren Tagen in Dunkelheit, Einsamkeit und mitunter auch in Hoffnungslosigkeit haben sie etwas vom Wert unseres Lebens erfahren. Ihr Glück erinnert uns daran, dass kein Leben selbstverständlich ist. Die lachenden 33 aus San José rufen uns zu: Es gibt keinen Alltag, den man einfach so verleben sollte, als sei man geradewegs unsterblich und als käme es deshalb auf den einen oder anderen Kalendertag nicht an. Das schier unglaubliche Glück des Überlebens wird zum Lobgesang auf das Leben selbst. Darin liegt seine Kraft; und genau darin liegt die Faszination für Millionen von Menschen auf dieser Welt, die ihre Augen nicht von den Bildern dieses Glücks aus Chile lassen konnten. In Platons Höhlengleichnis treten zuletzt die Menschen aus der Dunkelheit heraus und werden geblendet vom Licht. Plötzlich erblicken sie etwas, was wahr und wahrhaftig ist. Es ist auch die Geschichte von San José. Wir sollten sie zu unserer Geschichte machen.

Quelle: Rheinische Post

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