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HIStory: Lippmann, Hayek, Friedman und Co. – Vom Neoliberalismus zum Marktradikalismus

Archivmeldung vom 01.03.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.03.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bild: Screenshot Video: "HIStory: Lippmann, Hayek, Friedman und Co. – Vom Neoliberalismus zum Marktradikalismus" (https://tube.kenfm.de/videos/watch/ba373e4e-1be4-456c-8772-5e34567956fe) / Eigenes Werk
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Der Buchautor und Publizist Hermann Ploppa erläutert in HIStory kurz und sachlich historische Daten und Jahrestage von herausragenden geschichtlichen Ereignissen. Dabei werden in diesem Format Begebenheiten der Gegenwart, die mit einem Blick in die Vergangenheit in ihrer Bedeutung besser einzuordnen sind, künftig alle 14 Tage montags in einen geschichtlichen Kontext gebracht. Das Thema heute: Lippmann, Hayek, Friedman und Co: Vom Neoliberalismus zum Marktradikalismus.

Hermann Ploppa schreibt: "Wir wollen heute die Geschichte erzählen, wie der Neoliberalismus entstand, und wie sich aus ihm der Marktradikalismus herausdestillierte.

Unsere Geschichte beginnt im Jahre 1936. Franklin Delano Roosevelt, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, hatte seit 1933 sein Land behutsam aus einer wirtschaftlichen Katastrophe herausgeholt. Dazu nahm Roosevelt die Finanzmärkte energisch an die Leine, verteilte Geld von oben nach unten und stärkte die Rechte der gewöhnlichen Amerikaner.

Nun stellte sich Roosevelt 1936 also zur Wiederwahl. Und er konnte dabei einen Erdrutschsieg einfahren. Ein machtvolles Mandat. Jetzt war noch viel mehr möglich als zuvor. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA war ein Präsident durch hohe Wahlbeteiligung mit einer echten Stimmenmehrheit gewählt worden!

Es dauerte nicht lange, bis die Oligarchie zurückschoss. Fast alle privaten Rundfunkstationen und fast alle Zeitungen machten von morgens bis abends Roosevelts Umverteilungspolitik von oben nach unten und seine Stärkung des öffentlichen Sektors nach europäischem Vorbild madig. Trotzdem begriffen die Oligarchen schnell: Roosevelt und seine Koalition der kleinen Leute würde man noch eine verdammt lange Zeit ertragen müssen. Hier half nur das Bohren ziemlich dicker Bretter. Stück für Stück müsste man den Einfluss des Staates zurückfahren. Aber nur meckern reichte auch nicht aus. Die Mächtigen und die Reichen der USA mussten dem Gesellschaftsentwurf Roosevelts eine kapitalistische Utopie entgegensetzen.

Als erste große Bühne der schönen neuen Welt des Konsumkapitalismus bot sich die Weltausstellung in New York im Jahre 1939 an. Inmitten der Pavillons fremder Gastländer mit ihrer Exotik stand als Zentrum und konkurrenzloser Blickfang ein Ensemble, bestehend aus einem schlanken Obelisk von 212 Metern Höhe und daneben einer gigantischen Kugel mit dem beziehungsreichen Namen Democracity. Im Innern dieses Domes ein Diorama. Von einer Galerie aus schauten die erstaunten Besucher auf das großformatige Modell einer futuristischen Kulturlandschaft aus dem noch so fernen Jahre 1960. Moderne Hochhäuser, eingebettet in Gärten. 16-spurige Autobahnen. Stressfreie Reise durch autonomes Fahren. Schöne Wohnhäuser schmiegen sich an Hänge.

Der Elektrokonzern Westinghouse präsentierte auf einer eigenen Bühne seinen Roboter Electro, der sich gerne mal eine Zigarette anzünden ließ. Fernsehen. Videotelefonie. Softeis. Solche schier utopischen Annehmlichkeiten versprach die schöne neue Welt, in der urbane Modernität und Demokratie eine harmonische Einheit bilden sollten.

Der Kapitalismus hatte sich nach einer schweren Krise endlich neu erfunden. Roosevelt verbesserte die Situation der einfachen Leute. Dahinter konnte und wollte man nicht zurückgehen. Das sollte jetzt überboten werden. Jeder sollte bald ein Auto und ein Häuschen im Grünen haben. Allerdings war der neue Mensch nur gedacht als passiver Konsument und nicht als mitgestaltender Bürger. Adressat des konsumistischen Glücksversprechens war nicht der Verstand, sondern das Unbewusste und die Sinnlichkeit.

Ausgedacht hatten sich die schöne neue Welt der Democracity schlaue Leute aus der Werbe- und Public Relationsbranche. Einer von ihnen war Edward Bernays, der auch das Wort Democracity ersonnen hatte. Bernays war der Neffe von Sigmund Freud. Bernays hatte schnell die Potentiale des Unbewussten für erfolgreiche Verkaufsstrategien erkannt.

Die Frauen hatte der Werbestratege als Konsumenten für Zigaretten gewinnen können, indem er das Qualmen von Glimmstengeln als Frauenemanzipation verkauft hatte. Männer sind erst richtige Männer, wenn sie über die vervielfachten Motorkräfte eines Autos herrschen können. Die Verführungskraft der Werbestrategen, ihre Ansprache an das Unbewusste sollte über Roosevelts Appell an den logischen Verstand letztendlich den Sieg davontragen.

Aber: den Konsumkapitalismus zu versprechen, wie er auf der New Yorker Weltausstellung 1939 so schön bunt und locker vorgeführt wurde, das alleine reicht auch nicht aus. Denn um die Entscheidungsträger in Politik, Medien und Kultur auf eine Antithese zum New Deal umzupolen, bedarf es dessen, was man heute so schön „Diskurshoheit“ nennt. Das heißt in der Praxis: Professoren an den Universitäten müssen mit dem Gewicht ihrer ganzen Autorität die neue Lehre verkünden. Jahrgangsring um Jahrgangsring von Studenten inhalieren die neue Weisheit und streuen sie dann aus in ihren praktischen Berufen als Politiker, Journalisten, Verbandschefs, Geschäftsführer, Prediger. Andere Zöglinge promovieren oder habilitieren bei den Professoren, und so keimt der Samen der Doktorväter zu großen Sippen einer neuen wissenschaftlichen Schule heran.

Langsam wird aus den Weisheiten der Professoren immer konkretere praktische Politik. Der Ökonom John Maynard Keynes sagte einmal, die Praktiker der Jetztzeit seien die Sklaven längst verstorbener Professoren.

Der Soziologe Walter Lippmann ist der Vordenker der neoliberalen Gegenrevolution. Lippmanns Bestseller The Good Society aus dem Jahre 1937 hat eine nachhaltige Wirkung bis in die Jetztzeit erlangt. Ein verantwortungsbewusster moderner Liberalismus teilt dem Staat wichtige Aufgaben zu. Der Staat soll sich sehr wohl um Bildung und Erziehung kümmern und sogar eine Steuerprogression durchsetzen, die das Geld von oben nach unten verteilt, meint Lippmann. Was allerdings nun gar nicht geht, ist die Planwirtschaft, wie sie in der Sowjetunion oder in Hitlerdeutschland praktiziert wurde. Diese Systeme werden zwangsläufig implodieren. Denn die kapitalistische Wirtschaft neigt zu immer größerer Arbeitsteilung und Komplexität. Und das Entwicklungstempo nimmt so drastisch zu, dass ein Plan schon veraltet ist, wenn er in Kraft tritt.

Wenn die Menschen draußen im Lande mit der zunehmenden Komplexität nicht mehr fertig werden, dann revoltieren sie. Deswegen müssen die unteren Schichten quasi für die zunehmende Komplexität umprogrammiert werden. Lippmann in seinen eigenen Worten:

„Da ist die ungelöste Aufgabe der Erziehung großer Bevölkerungsmassen, der Ausrüstung der Menschen für ein Leben, in dem sie sich spezialisieren und doch die Fähigkeit behalten müssen, ihre Spezialität zu wechseln. Die Wirtschaft der Arbeitsteilung erfordert, dass diese eugenischen und erzieherischen Probleme mit Erfolg angepackt werden … Die Wirtschaft erfordert, dass die eugenischen Qualitäten und die Ausrüstung der Menschen für den Lebenskampf nicht nur in irgendeinem minimalen Wirkungsgrad erhalten bleiben, sondern dauernd verbessert werden.“

Offenkundig will Lippmann die Menschen aus den unteren Schichten biologischen Umstrukturierungen aussetzen, um sie fit für den wirtschaftlichen Wandel zu machen! Es klingt auch nicht sehr anheimelnd, wenn Lippmann andeutet, der Liberalismus hat „nichts Geringeres vor als die Umstellung der Menschheit auf eine neue Lebensweise.“ Das klingt ja nun schon wie ein früher Vorläufer des Great Reset, nicht wahr?

Lippmanns Good Society löst sodann ein Pfingstwunder aus. Die in alle Welt zerstreuten demoralisierten Wirtschaftsliberalen entwickeln plötzlich ein ganz neues Sendungsbewusstsein.

Schon im August des Jahres 1938 lädt der Philosoph Louis Rougier zu einem Kolloquium Walter Lippmann in Paris ein. Und 26 Denker aus Amerika und Europa folgen der Einladung. Aus dem amerikanischen Exil kommt der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek. Aus dem türkischen Exil die Deutschen Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow. Und der neue Messias des Liberalismus, Walter Lippmann, hält in Paris persönlich das Impulsreferat. Lippmann prägt für die Systeme der Planwirtschaft den griffigen Terminus „Totalitarismus“, und stellt ihm das zusammen geschweißte Begriffspaar „freier Markt – Demokratie“ entgegen. Lippmann ist eben ein begabter Public Relations-Fachmann.

Dass das neue Baby nicht auf den kompromittierten Namen „Liberalismus“ getauft werden darf, ist Konsens in Paris. Also, wie nun? „Positiver Liberalismus“, oder „Sozialer Liberalismus“? Alexander Rüstow wirft den Begriff „Neoliberalismus“ in die Runde. Der Neoliberalismus soll sich vom alten Liberalismus durch eine neue soziale Sensibilität unterscheiden. Rüstows Vorschlag wird angenommen.

Lippmann in seinem Referat: wir brauchen einen langen Atem. Die Durchsetzung der neuen Heilslehre ist ein „langwieriges Werk“. Sein Zuhörer von Hayek macht sich Lippmanns Botschaft zu Eigen. Einige Jahre später denkt Hayek laut darüber nach, wie der Neoliberalismus in einem mehrere Generationen übergreifenden Projekt die Oberhoheit, oder Hegemonie, über die Gesellschaft gewinnt. Er beobachtet, wie „sozialistische“ Denker zunächst ein Netzwerk von Intellektuellen gebildet hätten, und dann die neue Lehre immer mehr in die Gesellschaft eingesickert sei. So Lippmann:

„Die Erfahrung legt nahe, dass wenn einmal diese Phase erreicht ist, es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis jene Ansichten, die jetzt von Intellektuellen vertreten werden, die vorherrschende Strömung in der Politik darstellen … Was für den zeitgenössischen Beobachter wie ein Kampf miteinander ringender Interessen erscheint, ist in Wirklichkeit schon lange entschieden als ein Kampf der Ideen in kleinen Zirkeln.“

Ein grundlegender Mentalitätswandel ist unerlässlich. Hayek stellt fest,

„..dass die wichtigste Veränderung, die weitreichende Regierungskontrolle produziert, eine psychologische Änderung, eine Wandlung im Charakter des Volkes darstellt. Das ist notwendigerweise ein langsamer Prozess, ein Vorgang, der sich nicht über ein paar Jahre erstreckt, sondern möglicherweise über eine oder zwei Generationen … In dieser langen Sicht müssen wir unsere Aufgabe betrachten. Wir müssen uns mit den Meinungen befassen, die sich verbreiten müssen, wenn eine freie Gesellschaft erhalten oder wiederhergestellt werden soll, nicht mit dem, was im Augenblick durchführbar scheint.“

Man weiß nun, was zu tun ist. Jedoch kommt der Zweite Weltkrieg dazwischen, und die Neoliberalen können sich einstweilen nicht treffen. Nachdem die Waffen verstummt sind, nimmt Friedrich August von Hayek den Faden wieder auf. Hayek ist ein prominenter Wirtschaftswissenschaftler der so genannten Österreichischen Schule. Diese Fraktion mag staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ganz und gar nicht.

Mittelpunkt der Österreichischen Schule war Ludwig Edler von Mises. Der hatte in seinem Grundlagenwerk „Die Gemeinwirtschaft“ im Jahre 1922 bereits die Planwirtschaft als nicht praktikabel verurteilt. In der Planwirtschaft werde die Möglichkeit vereitelt, durch freie Preisbildung zu erfahren, wie begehrt und marktfähig eine Ware eigentlich ist. Aufgrund mangelnder Informationen erzeuge staatliche Intervention immer neue Engpässe, auf die der Staat mit erneuten Interventionen reagieren müsse.

Staatliche Intervention produziere nur immer mehr Armut – ein Effekt der so genannten Interventionsspirale. Hayek war bereits 1931 zur London School of Economics gewechselt und profilierte sich als Gegenspieler von John Maynard Keynes. Im Krieg hatte sich Hayek auf die Linie von Lippmann eingestimmt und in dem Buch The Road to Serfdom – zu Deutsch: Der Weg in die Sklaverei – dargelegt, dass Faschismus und Nationalsozialismus konsequente Weiterentwicklungen des Sozialismus darstellen. 1947 findet Hayek einen schweizerischen Unternehmer, der das Geld locker macht, um in dem Örtchen Mont Pelerin in der Nähe des westschweizerischen Ortes Vevey eine Neuauflage des Pariser Treffens von 1938 zu veranstalten.

Inspirator Walter Lippmann ist dieses Mal nicht anwesend. Aber Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow sind wieder dabei. Und viele neue Gesichter. Zum Beispiel ein kleines Männchen mit Hornbrille – Milton Friedman. Oder ein gewisser Ludwig Erhard, noch schlank, übernächtigt. Und neben ihm Alfred Müller-Armack, später Erhards Staatssekretär im Wirtschaftsministerium (Lipp-20). Ein buntes Häuflein. Was verbindet diese Leute? Ganz einfach: die Abneigung gegen die Planwirtschaft.

Die Planwirtschaft Hitlers und Görings war niedergerungen, ebenso der italienische Faschismus. Dafür breitete sich der Plankommunismus der Sowjetunion weltweit aus, und auch die europäischen Nationen kapitalistischer Prägung unterlagen in der Not der Nachkriegsjahre einer Art von Planwirtschaft, erzwungen durch die Mangelsituation. Die Ökonomen auf dem Mont Pelerin schauten herab auf eine Götterdämmerung des freien Marktes. Das schweißt zunächst einmal zusammen.

Heute sind in der Mont Pelerin Society 500 Wirtschaftsexperten versammelt. Im diskreten Kampf um die Vorherrschaft des Neoliberalismus durchdringen diese Ökonomen unzählige einflussreiche Institutionen weltweit. Aus den zagen Abwehrkämpfern gegen die Planwirtschaft ist heute eine angriffslustige Truppe geworden, die die Früchte ihrer zähen Wühlarbeit genießen kann. Und sie hat immer noch Walter Lippmann im Sinn, nämlich „nichts Geringeres als die Umstellung der Menschheit auf eine neue Lebensweise.“ Beobachter des Neoliberalismus stellen fest, dass unter dieser Heilslehre sehr unterschiedliche Positionen versammelt sind.

Ist das nun eine Schwäche oder ein Stärke des Neoliberalismus? Die einen sagen, der Neoliberalismus wird an seiner Inkonsistenz zu Grunde gehen. Die anderen sagen, alle Neoliberalen folgen ein und derselben Agenda, und haben sich nur aus taktischen Gründen verschieden aufgestellt, nach dem Motto: getrennt marschieren, vereint zuschlagen. Die deutschen Ordoliberalen waren integre Einzelkämpfer und keine taktisch aufeinander abgestimmte Mannschaft, die koordiniert angreift. Sie hatten keine konsistente Philosophie. Jeder Ordoliberale hatte sein ganz persönliches Flickwerk an Theorien ohne Anschlussfähigkeit zu anderen Ordoliberalen. Hinter ihnen stand keine starke Gemeinschaft von Geldgebern und Seilschaften.

Da spielen die amerikanisch-österreichischen Marktradikalen um Hayek und Friedman in einer ganz anderen Liga.

Mit der London School of Economics und den zehn großen Privatuniversitäten in den USA fanden die Marktradikalen ein gut ausgebautes Netzwerk vor, in dem sie sich mühelos ausbreiten konnten. Die Mannschaft der Marktradikalen mit ihren Flügelstürmern Hayek und Friedman wurde mit Sponsorengeldern nur so überschüttet. Allein der Unternehmer Richard Mellon Scaife hat für das konservative Roll Back der Marktradikalen und ihrer evangelikalen Bündnispartner 600 Millionen Dollar aus seiner Portokasse beigesteuert. Während dessen wühlen und netzwerken die Marktradikalen unerschrocken weiter. Sie wissen ja, dass sie ihr Ziel vielleicht erst in ein oder zwei Generationen erreichen werden. Aber sie werden es erreichen.

Rockefellers Privatuni in Chicago ist der Ausgangspunkt einer mächtigen Umwälzung. 1946 heuert Milton Friedman an der Rockefeller-Universität an. Friedman ist von Hause aus Monetarist. Er führt die meisten Krisen des Kapitalismus auf eine unsachgemäße Steuerung der Geldmengen durch die Zentralbanken zurück.

Ansonsten predigt Friedman: die Wirtschaft funktioniert auch keinen Deut anders als die Natur. Die Natur reguliert sich selber und findet nach jeder Turbulenz automatisch wieder ihr Gleichgewicht. Also: am besten gar nicht in das Gleichgewicht der Wirtschaft eingreifen. Dann regelt sich alles wieder von selbst. Und das bedeutet als Empfehlung an die Politik: nichts anderes machen als das freie Spiel der Kräfte in der Wirtschaft unterstützen; das Eigentum und die Vertragssicherheit garantieren. Der Staat muss sich von allen Staatsbetrieben trennen. Der Staat darf die Wirtschaft nicht mit Finanzspritzen ankurbeln in Zeiten der Rezession. Der Staat darf extreme Einkommensungleichheiten in der Gesellschaft nicht abmildern. Denn alle diese und andere staatlichen Eingriffe machen das Leiden noch schlimmer. Das Generationen übergreifende Projekt des Marktradikalismus, von dem uns Hayek schon gesprochen hat, spult sich mit planmäßiger Genauigkeit von der Universität Chicago und der Mont Pelerin Gesellschaft aus ab.

Man muss ja mal in einer überschaubaren nationalen Wirtschaft empirisch austesten, ob Friedmans Nackt-Kapitalismus wirklich funktioniert, oder ob man noch ein wenig feilen muss. Um sodann das marktradikale Modell weltweit durchzusetzen. Als Versuchskaninchen sind die Bürger des lateinamerikanischen Staates Chile ausgewählt worden. In aller Ruhe werden an der Universität Chicago in den Fünfziger und Sechziger Jahren chilenische Nachwuchsökonomen ausgebildet. Die Katholische Universität von Santiago de Chile fungiert als Partneruniversität, wo die marktradikalen Kader sich durch weitere Studenten multiplizieren. Der Putsch am 11. September 1973 wird allgemein als geostrategische Eindämmung gegen einen Linksruck Lateinamerikas interpretiert. Das mag richtig sein.

Viel wichtiger ist aber, dass die Diktatur unter General Pinochet das Volk der Chilenen stillhält, um ungestört ein marktradikales Laborexperiment durchzuführen. Es wird in der Pinochet-Ära weit über jede Schmerzgrenze hinaus privatisiert. Die Schutzzölle, mit denen die Chilenen sich unabhängig machen wollten von der Dominanz der nördlichen Industriestaaten, werden auf ein Minimum heruntergefahren. Ein Fall von Zwangs-Globalisierung.

Das auf dem deutschen Prinzip der Umlagefinanzierung basierende Rentensystem wird auf Kapitaldeckung umgestellt, um dem internationalen Finanzkapital neues Risikogeld zuzuführen.

Nachdem die Marktradikalen ihre Experimente an lebenden wehrlosen Opfern gemacht haben, stellt man fest: die angerichteten Verwüstungen führen nicht automatisch zum vollständigen Exitus der nationalen Wirtschaft. Nun werden die Versuche in Großbritannien durch Maggie Thatcher und in den USA unter Ronald Reagan durchgezogen – mit den allseits bekannten Ergebnissen.

Soweit für heute. Wir werden in einer weiteren Folge sehen, wie die Geschichte als Marktradikalismus weiterging. Wir lernen aus der Vergangenheit, wie wir die Zukunft besser machen."

Alle Literaturhinweise und Anmerkungen finden sie hier.

Quelle: KenFM

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