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Online-Gipfel der Medientage München: Freiheit im Netz - Bürgerrecht oder Alptraum?

Archivmeldung vom 16.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Medientage München
Medientage München

Kuschelkurs auf dem Online-Gipfel der MEDIENTAGE MÜNCHEN: Alle wollen sich für Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und Netzneutralität einsetzen und Verbraucher über die Risiken aufklären - darin waren sich die Vertreter von Google, Microsoft, Telekom und aus der Politik weitgehend einig. Nur beim Leistungsschutzrecht für die Verlage gab es einen stärkeren Dissens.

Klaus Schrotthofer, Geschäftsführer der Zeitungsgruppe Thüringen, warf Google eine romantisierende Verklärung eigener Interessen vor und forderte gleiche Rahmenbedingungen für alle im weltweiten Datennetz. Doch wie steht es derzeit wirklich um die Freiheit im Netz bzw. um die verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmung der Bürger? Daten, die einmal ins Netz gestellt sind, können nicht zurückgeholt werden, und viele Netznutzer sind sich über die Konsequenzen ihres allzu großzügigen Umgangs mit Daten nicht bewusst. Viele wollten sich ins Netz wie in ein Schaufenster stellen, sagte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Zugleich wollten immer mehr Nutzer rechtlich etwas in der Hand haben, wenn Privates zu öffentlich werde: "Es gibt eine Freiheit für etwas, es muss aber auch eine Freiheit von etwas geben", forderte Aigner. Im Zeitalter von Google, Twitter und Facebook hätten manche Verbraucher berechtigterweise kein Vertrauen mehr in die Datensicherheit. Deshalb bedürfe das Datenschutzgesetz dringend einer Überarbeitung. Den Verbrauchern müsse vor allem ein Widerspruchsrecht im Umgang mit ihren Daten eingeräumt werden, betonten Aigner und die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einhellig. Die Politik setzt aber auch auf die Selbstregulierung: So wurden die IT-Unternehmen dazu aufgefordert, bis zum 7. Dezember eine Art Verhaltenskodex in punkto Datenschutz aufzustellen.

Aufklärung und Transparenz notwendig

Erst die Debatte über Google Street View hat vielen Verbrauchern offenbar bewusst gemacht, dass die Grenzen zwischen privat und öffentlich in der digitalen Gesellschaft neu definiert werden müssen. Die Verschiebung dieser Grenzen, die durch die Plattform Internet ausgelöst worden sei, müsste genau analysiert werden, warnte Wolfgang Schulz, Direktor des Hans-Bredow-Instituts: "Alles, was wir im Netz machen, ist Risikomanagement". Hundertprozentig lasse sich das nicht regeln. Angesichts der Globalität des Netzes räumte auch die Bundesjustizministerin ein, dass man bei der Durchsetzung des geplanten Datenschutzgesetzes schnell an seine Grenzen stoße. Deshalb setze sie auch auf technische Möglichkeiten und vor allem auf die Aufklärung der Bürger: Die Vermittlung von Medienkompetenz sei deshalb eine Riesenaufgabe für die Politik. Die Service-Anbieter hätten kein Problem mit dem Datenschutz, "weil wir das Vertrauen unserer Konsumenten brauchen", betonte Dr. Dorothee Ritz, General Manager Consumer & Online bei Microsoft Deutschland, und wurde darin von Philipp Schindler, Googles Managing Director Northern & Central Europe, unterstützt. Aufklärung und Transparenz, so Schindler, habe auch für Google erste Priorität: Das fehlende Risikobewusstsein im Umgang mit Daten sei ein "ungelöstes Problem in der digitalen Welt". Seriöser Datenschutz sei eine große Chance für die Unternehmen, bestätigte auch Wolfgang Kopf von der Deutschen Telekom: Wenn den Verbrauchern künftig ein Widerspruchsrecht eingeräumt werde, müsste dies allerdings sehr einfach zu handhaben sein, zum Beispiel in Form eines einheitlichen Trust-Centers, das online genutzt werden könne.

Streit über das Leistungsschutzrecht

Skeptisch gegenüber Selbstregulierungsansätzen zeigte sich Verleger Schrotthofer, der die extrem harte Regulierung von Verlagen gegenüber der Freiheit der dominanten Player der digitalen Zukunft beklagte. Deshalb forderten die Verleger ein Leistungsschutzrecht für ihre Inhalte auf Online-Plattformen, um damit eine Lücke im Urheberrecht zu schließen. Es habe sich eine "Raubrittermentalität" entwickelt, bei der Inhalte von fremden Online-Plattformen ohne Bezahlung für eigene Zwecke genutzt würden. Schrotthofer wehrte sich aber gegen den Vorwurf, das Leistungsschutzrecht bewirke eine "Zwangsabgabe". Entsprechend hatten die Industrieverbände kürzlich in einer Erklärung argumentiert. Die Verlage wollten nur einen Rechtsanspruch, um die kostenlose kommerzielle Verwertung von Online-Inhalten unterbinden zu können, erklärte Schrotthofer. Während Schindler durch das Leistungsschutzrecht sogar die Informationsfreiheit gefährdet sieht, bezeichnete die Bundesjustizministerin Leistungsschutzrechte als durchaus üblich im Urheberrecht, und kündigte an, dass es sicher keine "Sonder-Gema" geben werde.

Dienstepriorisierung als "Ende des freien Netzes"? Gleiche Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen, ist auch der Kern der Diskussion über Netzneutralität. "Wir wollen ein offenes und gleichberechtigtes Netz für jedermann haben", erklärte Schindler und versuchte so, den Vorwurf zu entkräften, die Vereinbarung zwischen Google und Verizon, die für das mobile Internet in den USA nur eine eingeschränkte Netzneutralität vorsieht, biete keine fairen Bedingungen. Auch Wolfgang Kopf, Leiter des Bereichs Politik und Regulierung bei der Telekom, wehrte sich gegen den Eindruck, sein Unternehmen plane, bestimmte Dienste in puncto Durchleitungsgeschwindigkeit im Netz zu priorisieren. Die Telekom wolle keine "Internet-Maut" einführen, sondern ein vernünftiges Bezahlmodell finden. Wenig beruhigt von diesen Aussagen zeigte sich Wolfgang Schulz. Er warnte: "Wenn man mit der Dienstepriorisierung beginnt, ist das das Ende des freien Netzes." Handelt es sich also in Sachen Datenschutz und Netzneutralität doch um eine freie Fahrt für unfreie Bürger? Zumindest ist es offenbar schwierig, den Ausgleich zwischen kommerziellen Interessen, Innovationsbestreben und Verbraucherschutz bzw. Diskriminierungsfreiheit zu finden. Letztlich müsse Deutschland aufpassen, warnte Ritz abschließend, dass wir uns "technischen Innovationen" nicht verschließen.

Quelle: Medientage München

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