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Berliner Morgenpost: Die Bundeswehr hat ihre Unschuld verloren

Archivmeldung vom 08.09.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es gehört zu den gespenstischen Zynismen der Demokratie, dass ein Bombenangriff mit vielen Toten in der Hochphase des Bundestagswahlkampfes gnadenlos instrumentalisiert wird. Nicht jeder, der Pietät im Blick führt, verhält sich auch entsprechend. Es gehört auch zu den brutalen Realitäten eines Wahlkampfes, dass sich die Akteure nicht länger hinter ihren Watte-Wänden ducken können.

Das Thema Afghanistan, von beiden Volksparteien einträchtig klein gehalten, ist unversehens auf der Agenda; vielleicht nicht mit der wahlentscheidenden Wucht, die Schröders Nein zum Irak-Krieg 2002 entfachte, aber doch wichtig genug, dass dem Wähler gute Argumente präsentiert werden müssen. Wer mit strategischen Patentrezepten und moralischem Allwissen daherkommt, will vor allem Stimmung machen. In unübersichtlicher Lage ist zumindest so viel klar: Die Bundeswehr hat ihre Unschuld verloren. Mit den Abwürfen zweier 200-Kilo-Bomben am vergangenen Freitag, die offenbar von deutschen Soldaten auf welcher Informationsgrundlage auch immer bestellt worden waren, ist der Traum von den guten Onkels zerstoben, die nur Brunnen bohren und Schulen streichen. Zum ersten Mal seit dem Eintritt deutscher Truppen in internationale Konflikte vor zehn Jahren ist Bundeswehrsoldaten womöglich ein Fehler von dramatischer Größenordnung unterlaufen. Die Nato-Partner dürften nicht ohne tückische Genugtuung registrieren, dass die deutschen Saubermänner nun endlich angekommen sind auf dem Schlachtfeld Afghanistan. Mag die Bundesregierung auch semantische Akrobatik vollführen, warum dieser Einsatz auf keinen Fall "Krieg" genannt werden darf, so ist doch klar, dass alle Schmutzigkeiten eines Krieges gegeben sind. Dazu gehört auch, dass die Nato-Partner schnell bei der Hand waren, die Verantwortung für das Bombardement nach Berlin zu schieben. Zu klären ist, ob Verteidigungsminister Franz Josef Jung über die nötige internationale Härte verfügt, die Bundesrepublik in diesem unschönen Spiel namens "blame game" zu vertreten. Während sich US-Oberbefehlshaber McChrystal bereits beim afghanischen Präsidenten Karsai entschuldigte, ließ Jung noch vergeblich streuen, es seien wohl keine Zivilisten getötet worden. Guter Stil sieht anders aus. Offenbar waren US-Offiziere ebenfalls schneller, als es darum ging, den Schuldigen zu benennen. Während Deutschland noch rätselte, lieferte die "Washington Post" bereits die amerikanische Version der Wahrheit. Demnach trägt alle Schuld allein ein deutscher Oberst. Das ist schon deswegen Unsinn, weil der Bundeswehreinsatz auf einem Parlamentsbeschluss fußt, den die Mehrheit der deutschen Abgeordneten trägt. Diese Parlamentarier wiederum sind vom Volk gewählt. Wir Deutschen können den Afghanistan-Einsatz weder an die Nato delegieren noch an die Bundeswehr. Es ist unser aller Krieg, demokratisch legitimiert. Alle damit verbundenen Dilemmata sind aus der deutschen Geschichte hinreichend bekannt.

Quelle: Berliner Morgenpost

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