Westfälische Rundschau: Kommentar "Fall Marco W."
Archivmeldung vom 07.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Schicksal des 17-jährigen Marco weckt breite Anteilnahme. Der Jugendliche, der seit fast drei Monaten in der Türkei in Untersuchungshaft sitzt, muss hinter Gittern bleiben. Die Vertagung bietet neuen Spekulationen Raum - und Zweifeln daran, dass in der Türkei alles mit rechten Dingen zugeht.
Tatsächlich ist das Vertrauen in die türkische Justiz nicht
sonderlich ausgeprägt. Menschenrechtsorganisationen beklagen
Missstände in den Haftanstalten und Folterpraktiken. Doch der Fall
Marco taugt nicht als Beleg dafür.
Ihm wird sexueller Missbrauch einer Minderjährigen vorgeworfen.
Die Mutter der 13-Jährigen hat Anzeige erstattet. Hätte sich das
gleiche Geschehen in Deutschland zugetragen, wäre der Jugendliche
genauso vor Gericht gelandet. Bei Offizialdelikten muss der
Staatsanwalt tätig werden. Wer hier eine Ausnahme fordert, verlangt
Willkür.
Der einzige Weg, dem 17-Jährigen die quälende Haft in der Türkei
und die seelische Belastung fernab von zu Hause zu ersparen, liegt in
dem von der deutschen Justiz betriebenen eigenen
Ermittlungsverfahren. Das könnte Marco vor ein deutsches Gericht und
- als Inländer ohne Flucht- und Verdunkelungsgefahr - bis zum Prozess
auf freien Fuß bringen.
In Ermangelung entsprechender Rechtshilfeabkommen ist es aber ins
Benehmen des türkischen Gerichts gestellt, sich darauf einzulassen
und das eigene Verfahren einzustellen. Der öffentliche Druck scheint
genau das Gegenteil des Gewollten zu erzeugen. Der Richter
demonstriert die eigene Unabhängigkeit und lässt Marco schmoren.
Härte gegenüber Jugendlichen ist vor türkischen Gerichten nicht unbedingt üblich. 17 Jahre alt ist auch der Hauptverdächtige im Verfahren um den Mord an dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink. Den hat das Gericht gleich zu Beginn des Prozesses aus der Untersuchungshaft entlassen.
Quelle: Pressemitteilung Westfälische Rundschau