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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Analphabetismus

Archivmeldung vom 17.05.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

In einem Land mit allgemeiner Schulpflicht kann jeder lesen und schreiben. Ein fataler Irrtum. Lange hat es in Deutschland keine belastbaren Zahlen zum Thema Analphabetismus gegeben. Im Frühjahr kam der Paukenschlag: 7,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren ringen täglich mit dem geschriebenen Wort. Sie sind funktionale Analphabeten. In einem Industrieland mit hohem Bildungsniveau absolut inakzeptabel.

Analphabetismus ist in Deutschland kein Nischenproblem mehr. Bei der Bekanntgabe der Ergebnisse der »Leo-Level-One«-Studie der Universität Hamburg haben die Beteiligten gehofft, nun käme der große Aufschrei. Bislang war man von nur vier Millionen Betroffenen ausgegangen. Doch er blieb aus. Die Veröffentlichung ging in der Plagiatsaffäre um den ehemaligen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) unter. Völlig unangemessen! Es ist höchste Zeit, endlich gegenzusteuern - auf zwei Ebenen. Die eine ist das System. Es ist unmöglich für Lehrer, in Klassen mit 30 Kindern oder mehr auf einen Schüler so gezielt einzugehen, dass er die Scham vor seiner Leseschwäche verliert. Kleinere Klassen und individuelle Förderung in Eins-zu-Eins-Betreuung sind die einzigen Wege, die die Gefahr von funktionalem Analphabetismus schon bei Kindern verringern können. Das kostet Geld, ist aber unumgänglich. Pädagogen müssen im Umgang mit dieser Form massiver Lese- und Schreibstörung weitaus besser geschult werden. Das ist längst überfällig. Nur so kann die Überforderung im Klassenraum beendet werden. Schule kann aber nicht alles leisten. Es muss abgestellt werden, dass die Förderung von Analphabeten vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Es braucht flächendeckend Alphabetisierungskurse, die der Staat im Sinne einer zukunftsfähigen Gesellschaft finanziert. Das hat Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) angekündigt. In Frankreich und Großbritannien gibt es sogar zentrale staatliche Anlaufstellen für Analphabeten. Daran sollte sich Deutschland unbedingt ein Beispiel nehmen. Die zweite Ebene, auf der gegengesteuert werden muss, ist der Umgang mit Analphabeten. Kann jemand nicht gut rechnen, wird gesagt: »Nimm einen Taschenrechner und such Dir einen Job, in dem Du nichts mit Zahlen zu tun hast«. Kann jemand nicht lesen und schreiben, schauen viele Menschen auf ihn herab. Dabei hat Analphabetismus nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Denn 48 Prozent der in der Studie Befragten besitzen einen Hauptschulabschluss, 19 Prozent sogar die Mittlere Reife. Wer die Studie mit der Argumentation herunterspielt, es handele sich nur um Migranten, sollte wissen, dass 58 Prozent der Betroffenen Deutsch als Muttersprache sprechen. Die Gesellschaft ist verpflichtet, Analphabeten Mut zu machen. Ein kurzer Verweis auf Winston Churchill, Albert Einstein und Hans Christian Andersen macht Hoffnung. Alle drei waren Legastheniker.

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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