WAZ: In Berlin ist Sommerpause: Die Parteien suchen nach Themen
Archivmeldung vom 07.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls Peter Struck in dieser Woche Bundeskanzlerin Angela Merkel und einige Unionspolitiker beim Fest der SPD-Fraktion begrüßte, entrutschte ihm ein interessanter Satz: "Herzlich willkommen bei euch - äh, bei uns." Es wäre vermutlich übertrieben, aus diesem Versprecher die Angst vor einer feindlichen Übernahme zu lesen.
Aber die SPD geht beklommen in die Sommerpause, mit miserablen
Umfragewerten sowie der Linkspartei vor Augen und mit dem Satz der
CDU-Vorsitzenden im Gedächtnis: "Wir sind die Volkspartei der Mitte."
Der Kampf um die Mitte im Jahre 2009 hat längst begonnen, nicht
nur, weil wichtige Landtagswahlen anstehen. Die Große Koalition hat
sich erschöpft, wie Bürger es wahrnehmen. Die Mehrheit erwartet von
dieser Regierung nicht mehr viel Regierung. Ende August wird das
Kabinett nach verbliebenen Gemeinsamkeiten forschen und wohl wenig zu
Tage fördern, denn die Gemeinsamkeiten haben die Parteien geschwächt
und die Profile verwischt. So jedenfalls sehen Politiker das, weshalb
sie nun engagiert Profile nachzeichnen.
Auf der Suche nach einem emotionalen, identitätsstiftenden Thema
ist die SPD beim Mindestlohn fündig geworden. Er soll die
Sozialdemokraten vom Image der kühlen Reformer befreien. Die Union
versucht mit dem Bundeswehreinsatz im Inneren den Verdacht zu
zerstreuen, sie habe sich selbst zu stark reformiert. Ähnlich wie die
SPD unter Gerhard Schröder hat sich die CDU unter Angela Merkel
gewaltig verändert. Sie hat ihr Familienbild erweitert, neoliberale
Züge abgestreift, in der Umweltpolitik grüne Züge angenommen und
wirbt um großstädtische Wähler. Der Bundeswehreinsatz im Inneren
signalisiert irritierten Konservativen, dass die Modernisierung der
CDU Grenzen hat. In der Sommerpause wird zu beobachten sein, wie die
Parteien sich aufstellen - und wie sie mit der neuen Linken umgehen.
Die CDU wird in einer überarbeiteten Neuauflage der
Rote-Socken-Kampagne vor rot-roten Bündnissen warnen.
Die SPD schlingert zwischen Dämonisierung und Verzweiflung. Vielleicht wäre es hilfreich für beide Parteien, sich mit dem Phänomen "Linke" zu beschäftigen. Denn egal, was man von Oskar Lafontaine und seinen abstrusen Gedanken halten mag, er gibt den Hoffnungsarmen eine Stimme. Er erinnert die Volksparteien daran, dass vom Aufschwung im Land bei weitem nicht alle profitieren und dass eine größer werdende Gruppe von der Gesellschaft einfach abgekoppelt wird. Politiker wie Lafontaine überflüssig zu machen, könnte ein gutes Projekt für die zweite Halbzeit der Koalition sein.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung