LVZ: Regierungskrise in Polen - Theater in Warschau
Archivmeldung vom 08.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVorhang auf zum nächsten Akt des Schmierentheaters auf der polnischen Regierungsbühne. Der Streit in der Warschauer Koalition ist inzwischen auf ein Niveau abgesunken, dass dem Publikum nur noch entsetztes Kopfschütteln übrig bleibt. Es ist daher nur allzu gut zu verstehen, dass die große Mehrheit der Polen die peinlichen Aufführungen nun wirklich satt hat.
Die Akteure sind allesamt
angeschlagen und arbeiten im Grunde genommen nur noch gegeneinander.
Wenn sie überhaupt noch etwas zusammen hält, dann ist es die Angst
vor der Abstrafung durch die Wähler.
Inzwischen wird Andrzej Lepper, dem Chef der radikalen Bauernpartei,
neben Korruption auch noch sexuelle Nötigung von Frauen vorgeworfen.
Auf Kritik von Regierungschef Jaroslaw Kaczynski keilt Lepper zurück,
der Junggeselle wisse ja gar nicht, wovon die Rede sei. So wird das
Trauerspiel phasenweise noch zur niveaulosen Seifenoper. Außerdem
droht Lepper mit Aufzeichnungen, die Kaczynskis Ansehen beschädigen
sollen, weil sie enthüllen würden, wie der Premier Abgeordnete der
Bauernpartei abwirbt. Auch dies wäre nur ein weiterer Beleg für den
Zustand der Regierung, wo offenbar fast jeder den Dolch im Gewand
trägt.
Dabei will die Bauernpartei die Koalition eigentlich gar nicht
fortsetzen. Doch statt einfach von der Bühne zu gehen, lässt sie ihre
beiden Minister noch in der Koalition. Soll Hauptdarsteller Kaczynski
sie doch selbst verbannen! Der Zuschauer ist verwirrt und sucht
Klarheit. Stattdessen folgt die nächste Nebelbombe. Auch der andere
Juniorpartner, die nationalkatholische Liga der polnischen Familien
um Roman Giertych, greift in die Trickkiste. Beide kleinen Partner,
so ist nun zu hören, wollen ja doch die Koalition mit der
Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit fortsetzen, nur eben nicht
mit Kaczynski. Der sei zu diktatorisch. Der Zuschauer reibt sich die
Augen und versucht verzweifelt, dem Gemetzel auf offener Bühne zu
folgen. Nach einem solchen Streit wäre wohl bei jeder anderen
zivilisierten Regierung der Vorhang endgültig gefallen.
Der Partei Recht und Gerechtigkeit dürfte immer mehr bewusst geworden
sein, auf was für unberechenbare Koalitionspartner sie sich da
eingelassen hat. Auch auf internationalem Parkett, etwa in Brüssel,
sind rechtsextreme Liga-Politiker mehrfach peinlich ausgerutscht.
Dabei gelten schon die Kaczynskis nicht gerade als gefeierte Helden
in dem Politstück.
Gemeinsame und vernünftige Regierungsarbeit ist in diesem
Durcheinander kaum noch vorstellbar. Sowohl die Polen als auch der
Nachbar Deutschland und Europa haben aber ein berechtigtes Interesse
an einer verlässlichen, berechenbaren Regierung in Warschau. Die
sauberste Lösung wäre: Schluss mit dem Drama. Vorhang auf für
Neuwahlen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung